zum Hauptinhalt

Hirtenbrief: Papst bedauert Missbrauch - ohne ein Wort zu Deutschland

Papst Benedikt XVI. hat in seinem Hirtenbrief an die irische Kirche den Missbrauch von Minderjährigen "aufrichtig bedauert". Zu den Missbrauchsfällen in Deutschland äußerte sich Benedikt nicht.

Mit Spannung war der Wortlaut erwartet worden: Papst Benedikt XVI. hat den Missbrauch von Minderjährigen "aufrichtig bedauert". In seinem Hirtenbrief an die irische Kirche drückte der Papst "im Namen der Kirche offen die Schande und die Reue aus, die wir alle fühlen". Es werde manchmal schmerzhafte Hilfsmittel brauchen, um die Wunden zu heilen und die Kirche in Irland in einem langwierigen Prozess zu erneuern. Zu den Missbrauchsfällen in Deutschland äußerte sich Benedikt nicht.

"Erkennt eure Schuld öffentlich an, unterwerft euch der Rechtsprechung", fordert der Papst die Priester und Ordensleute auf, die Kinder in Irland missbraucht haben. Sie hätten das in sie gesetzte Vertrauen verraten. Benedikt kündigte konkrete Initiativen zum Umgang mit dem Skandal in Irland an. So werde er eine apostolische Visitation in einigen Bistümern abhalten.

Die katholische Kirche in Irland war im vergangenen Jahr durch zwei Untersuchungsberichte schwer erschüttert worden, die den jahrzehntelangen tausendfachen Missbrauch von Kindern unter dem Dach der Kirche dokumentiert hatten. Der Papst hatte irische Bischöfe deshalb vor kurzem nach Rom zitiert.

In Deutschland waren die Erwartungen hoch, dass sich Benedikt auch zu den vielen Fällen in seinem Heimatland äußert. Der Opferverein Weißer Ring hatte einen besseren Opferschutz gefordert und Betroffene dazu aufgerufen, sich wegen möglicher Ansprüche auf Entschädigung an das zentrale Hilfstelefon oder die nächste Außenstelle des Weißen Rings zu wenden. Auch lange zurückliegende sexuelle Übergriffe können noch zu Ansprüchen auf Entschädigung führen, sagte der Bundesvorsitzende Reinhard Böttcher.

Hierzulande schlägt der Missbrauch-Skandal unterdessen weitere Wellen: Mittlerweile bestätigte sich der Verdacht auf sexuellen Missbrauch gegen Gerold Becker, den 73-jährigen ehemaligen Leiter der nicht-konfessionellen hessischen Odenwaldschule. Der 73-jährige Pädagoge hat zwei Wochen nach den schweren Missbrauchs-Vorwürfen die sexuellen Übergriffe auf Schüler gestanden.

"Schüler, die ich in den Jahren, in denen ich Mitarbeiter und Leiter der Odenwaldschule war (1969-1985), durch Annäherungsversuche oder Handlungen sexuell bedrängt oder verletzt habe, sollen wissen: Das bedauere ich zutiefst und bitte sie dafür um Entschuldigung", schreibt der Reformpädagoge an die jetzige Schulleiterin Margarita Kaufmann. Personen und Institutionen, mit denen er in den vergangenen 40 Jahren zusammengearbeitet habe und die durch sein Verhalten beschädigt worden seien, bitte er ebenfalls um Entschuldigung.

Bisher haben sich 33 ehemalige Schüler als Opfer von Übergriffen zwischen den Jahren 1966 bis 1991 gemeldet. Beschuldigt werden acht Lehrer. Becker steht im Zentrum der Kritik, zumal es bereits 1999 erste Vorwürfe gegen ihn gab. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelte damals, stellte jedoch das Verfahren wegen Verjährung ein. Jetzt wird gegen Lehrer neu ermittelt, da es nach Angaben der Behörde auch jüngere Vorkommnisse geben könnte. Die Odenwaldschule im südhessischen Heppenheim gehört zu den bekanntesten Reformschulen in Deutschland.

Währenddessen werden gegen den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz Rober Zollitsch Vertuschungsvorwürfe erhoben. Während seiner Tätigkeit als Personalreferent in der Erzdiözese Freiburg soll er nach Recherchen der TV-Sendung Report Mainz und der Badischen Zeitung 1991 einen des Missbrauchs bezichtigten Pfarrer lediglich in den vorzeitigen Ruhestand versetzt haben. Die Staatsanwaltschaft sei damals nicht eingeschaltet worden. Ein Sprecher des Bistums Freiburg erklärte, der gegen den Freiburger Erzbischof erhobene Vorwurf der Vertuschung sei "unhaltbar". Der Ortspfarrer sei 1991 in den Ruhestand versetzt worden, obwohl es lediglich Gerüchte über "unsittlichen Kontakt zu Kindern" gegeben habe und dieser Verdacht zunächst nicht konkretisiert werden konnte.

In Bayern ist am Donnerstag von den Bischöfen eine Meldepflicht beschlossen worden, die voraussichtlich auch künftig für alle deutschen Bistümern gelten soll. Jeder Verdacht auf sexuellen Missbrauch Minderjähriger muss bei der Staatsanwaltschaft angezeigt werden. Die bisher geltenden Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) verpflichten die Kirche nur bei einem erhärteten Verdacht und bei nicht-verjährten Fällen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Außerdem kann die Kirche bisher auf eine Anzeige verzichten, wenn die Opfer das nicht wollen. DBK-Sprecher Matthias Kopp sagte dazu in Bonn: "Die Ergebnisse der Freisinger Bischofskonferenz werden in die Überarbeitung der Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz einfließen."

Auch im Münchner Erzbistum hat der Psychotherapeut Werner Huth schwere Vorwürfe gegen die katholische Kirche erhoben. Mehrmals habe er die Bistumsleitung davor gewarnt, einen aus Essen nach München versetzten pädophilen Pater in der Jugendarbeit einzusetzen, sagte Huth dem Tagesspiegel. Auch in der Amtszeit von Joseph Ratzinger als Münchner Erzbischof von 1977 bis 1981 habe er seine Bedenken leitenden Geistlichen vorgetragen, darunter auch einem Weihbischof, sagte der Psychotherapeut. Die Warnungen seien ignoriert worden. Der heute 80-jährige Huth hat als Psychiater und Psychotherapeut unter anderem sexuelle Störungen behandelt und war lange Berater für die katholische und die evangelische Kirche.

Beim katholischen Orden der Salesianer Don Boscos haben sich bislang 18 Menschen wegen sexueller Übergriffe von Ordensangehörigen oder Mitarbeitern gemeldet. Einen entsprechenden Bericht der Rhein-Zeitung bestätigte der Orden am Freitagabend. In 20 anderen Fällen hätten Betroffene körperliche Misshandlung in Einrichtungen des Ordens beklagt. Die Vorwürfe beziehen sich auf die Zeit zwischen 1950 und 1990. Ein beschuldigtes Ordensmitglied und ein Erzieher seien bereits in den 60er beziehungsweise 70er Jahren verurteilt worden.

Auch in der Schweiz werden immer mehr Fälle von sexuellem Missbrauch im Zusammenhang mit Amtsträgern der katholischen Kirche bekannt. Das Bistum Chur untersucht nach einem Bericht der Nachrichtenagentur SDA derzeit rund zehn Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch in den Kantonen Graubünden, Zürich und Schwyz. Zum Teil lägen die Vorkommnisse schon Jahrzehnte zurück.

Nach den ersten Berichten über sexuelle Übergriffe an der Berliner Jesuitenschule Canisius-Kolleg weitete sich der Missbrauchsskandal seit Februar immer weiter aus. Bundesweit meldeten sich viele Betroffene, die vor Jahren als Kinder in kirchlichen und nicht- kirchlichen Schulen und Einrichtungen missbraucht wurden.

Einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" werde derzeit gegen mindestens 14 Geistliche wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch ermittelt. Das ergab eine Umfrage unter den 24 deutschen Generalstaatsanwaltschaften, wie es am Samstag in einem Vorabbericht hieß. 15 der Behörden hätten Angaben gemacht. Hinzu kämen Verfahren gegen elf weltliche Lehrer und Erzieher. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false