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Lars Klingbeil (SPD, l), Bundesminister der Finanzen, und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sitzen zu Beginn der Plenarsitzung in der Regierungsbank im Deutschen Bundestag.

© dpa/Carsten Koall

Hitzige Debatte um Rentenpaket: Koalitionsspitzen lehnen Verschiebung vehement ab, Grüne wollen nicht zustimmen

Der Aufruhr in der Koalition ist groß: Wegen Widerstands in der Union wackelt die Mehrheit für das geplante Rentenpaket. Auch die Grünen wollen nicht zustimmen, die Linke hält es sich offen.

Stand:

Um das geplante Rentenpaket der schwarz-roten Koalition tobt eine intensive Debatte. Bundeskanzler Friedrich Merz forderte am Montag, dass die schwarz-rote Koalition das Renten-Gesamtpaket bis Jahresende verabschieden soll. Die Union wolle, dass die Aktivrente für freiwilliges längeres Arbeiten von Arbeitnehmern am 1. Januar 2026 komme, sagte er am Montag auf dem Wirtschaftskongress der „Süddeutschen Zeitung“.

„Ich will sie zum 1. Januar 2026 haben, (deshalb) müssen wir dieses Gesetzgebungspaket noch durch den Bundestag bringen“, mahnte er mit Blick auf das Rentenpaket, das außer der jetzt umstrittenen Haltelinie des Rentenniveaus noch die Mütterrente, die Frühstartrente mit staatlichen Ansparungen für Kinder sowie die Aktivrente beinhaltet. Union und SPD wollen dies als Paket beschließen.

Gerade in der Union gibt es aber erheblichen Widerstand. Im Kern geht es dabei um die Haltelinie bei der Rente, also das Absicherungsniveau der Rente im Verhältnis zu den Löhnen. Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart, diese Haltelinie für das Rentenniveau bei 48 Prozent bis 2031 zu verlängern. Kritiker bemängeln, dass die jetzt ausformulierten Pläne Folgekosten in Milliardenhöhe in den Jahren nach 2031 bedeuten würden.

Die Junge Union hatte deshalb Änderungen an dem Gesetzentwurf zur Haltelinie des Rentenniveaus gefordert. Auch in der Unionsfraktion gibt es Unmut dagegen, sodass die Mehrheit der Koalition für das Rentenpaket wackelt.

Merz beharrt auf den Gesetzentwurf, sicherte den Kritikern aber erneut zu, dass die Rentenkommission für die Zeit nach 2031 über eine grundsätzliche Reform reden werde. „Wir reden nicht mehr nur alleine über die gesetzliche Rentenversicherung. Wir sprechen auch über neue Kennziffern“, betonte er. Dies stehe im Koalitionsvertrag.

„Wir wissen, dass wir das Rentenniveau aus der gesetzlichen Rentenversicherung so nicht halten können, wie wir es haben, auch nach 2031 Korrekturen notwendig sind, weil wir sonst entweder steigende Beiträge, steigenden Bundeszuschuss und niedrigere Leistungen haben. Im schlechtesten Fall alles machen und das wollen wir und das werden wir auch vermeiden.“

Prien für Verschiebung

Familienministerin Karin Prien (CDU) hatte angesichts des Streits für eine Verschiebung der Abstimmung im Bundestag plädiert. „Was die konkrete Frage nach dem Rentensystem angeht: Es ist wichtig, dass im Parlament gerechte Lösungen für die breite Mehrheit gefunden werden“, sagte Prien dem „Handelsblatt“. „Wir müssen über mehr reden als nur die Rentenformel.“

CSU-Chef Markus Söder lehnt eine Verschiebung hingegen entschieden ab. Er hielte eine Vertagung für grundlegend falsch, die CSU würde dies „auf keinen Fall unterstützen“, sagte der bayerische Ministerpräsident bei einem Termin in München. „Wir glauben, dass es sinnvoll ist, dass wir das dieses Jahr auf den Weg bringen.“ Dazu werde es noch einige Gespräche geben. Es sei „sicherlich noch ein Stück Bewegung drin, wie man das gut einbauen kann, auch die Sorgen der Jungen. Aber verschieben ist Unsinn.“ 

Klingbeil für Beschluss im Dezember

SPD-Chef Lars Klingbeil ist ebenfalls gegen eine Verschiebung. Es sei in der Koalition vereinbart, im Dezember darüber zu entscheiden. „Und das ist auch nach wie vor mein Vorschlag, dass wir an diesem Zeitplan festhalten“, sagte Klingbeil während einer China-Reise in Peking.

Bei der Aktivrente, mit der Rentner mehr steuerfrei dazuverdienen dürfen, bei der Mütterrente und bei der Haltelinie für das Rentenniveau müsse man jetzt sehr schnell vorankommen. „Das ist alles besprochen, und von meiner Seite aus kann das jetzt im Parlament beschlossen werden“, fügte er hinzu.

Klüssendorf stellt „klares Stoppschild“ auf

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf betonte die zentrale Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung und warnte vor einer verkürzten Debatte über deren Kosten. Die gesetzliche Rentenversicherung ist das Instrument, „auf das sich die meisten Menschen in diesem Land verlassen, wenn es um ihre Altersversorgung geht“. Angesichts dessen, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung – im Osten rund drei Viertel – ausschließlich auf die gesetzliche Rente angewiesen sei, müsse das Rentenniveau von 48 Prozent stabil bleiben. 

Dass die Kritikerinnen und Kritiker vor enormen Ausgaben bis 2040 warnen, wies Klüssendorf als „willkürlich“ zurück. Hier gehe es nicht um irgendwelche zusätzlichen Ausgaben, die auch guten Gewissens eingespart werden könnten. Klüssendorf wollte der Debatte mit seinen Ausführungen „ein klares Stoppschild“ setzen, wie er sagte.

In der Auseinandersetzung gehe es nicht um die Frage „jung gegen alt“, sondern „arm gegen reich.“ Der Großteil derjenigen, die das jetzt sehr intensiv diskutierten, sei meist selbst nicht auf die gesetzliche Rente angewiesen, so Klüssendorf.

Bezüglich der Umsetzung des Rentenpakets zeigt sich Klüssendorf optimistisch: „Wir gehen fest davon aus, dass dieses Paket auch gemeinsam abgestimmt wird.“

Grüne vermissen substanzielle Reformen

Die Grünen-Bundestagsfraktion will dem Rentenpaket derweil nicht zustimmen. Zwar teilt die Fraktion das Ziel einer dauerhaften Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent, wie der stellvertretende Vorsitzende Andreas Audretsch auf Anfrage erklärte. Sie vermisse in den Plänen von Schwarz-Rot aber substanzielle Reformen, damit auch die Interessen der jungen Generation gewahrt würden. 

Audretsch schlägt „Maßnahmen für längeres gesundes Arbeiten“ vor, damit Menschen später in Rente gehen – aktuell tun sie dies im Schnitt mit rund 64,7 Jahren. 

In die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden sollten aus Sicht der Grünen auch Selbständige, Abgeordnete und Beamte, sagt der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Weitere Möglichkeiten zur Absicherung des Rentenniveaus seien bessere Kinderbetreuungsstrukturen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, Zuwanderung und eine bessere Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. „Das Rentengesetz ist völlig unzureichend, dem werden wir Grüne nicht zustimmen“, kündigte der Fraktionsvize an. 

Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner sagte, es brauche jetzt – nicht nur bei der Rente, sondern auch bei Klimaschutz, Wehrpflicht und den Staatsschulden – einen neuen Generationenvertrag. Dabei stelle sich die Frage, „wo und wie auch die ältere Generation ihren Beitrag leisten kann“, sagte die Co-Parteivorsitzende.

Linke hält Zustimmung für denkbar

Die Linke hält sich hingegen offen, den Plänen der Koalition zur Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent im Bundestag zuzustimmen. „Wir werden das beraten“, sagte Parteichefin Ines Schwerdtner in Berlin. Ausgeschlossen sei eine Zustimmung aber, falls das Paket abgeschwächt werde.

„Das jetzige, vorliegende Rentenpaket ist ein absolutes Minimum“, sagte Schwerdtner. „Bei jeder Verschlechterung können wir auf gar keinen Fall zustimmen.“ Man werde sich anschauen, was am Ende vorliege. Nötig sei eigentlich eine grundsätzlichere Reform, sagte Schwerdtner. Die Linke wirbt für ein System, in das alle einzahlen, auch Politiker, Selbstständige und Beamte. (dpa, Reuters, AFP)

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