zum Hauptinhalt
Mühsames Geschäft: Wie diese Porzellanfabrik bei Isfahan leiden auch andere Unternehmen unter der schlechten Infrastruktur und fehlenden Rohstoffen. Foto: Katharina Eglau

© Katharina Eglau, Winterfeldtstr.

Politik: Hoffen auf den Boom

Irans Wirtschaft liegt am Boden. Nun setzt die Industrie auf Präsident Ruhani, das Ende der Sanktionen – und ausländische Investoren.

„Die Existenz des Menschen hängt ab von seinem Fleiß.“ In goldenen arabischen Lettern auf kobaltblauen Kacheln hängt dieses Koran-Motto über dem Eingang. Drinnen auf den breiten Fluren herrscht peinliche Sauberkeit. Von Ferne hört man das Zischen und Rütteln der Maschinen in den hohen Hallenräumen. Masoud Ghasaei ist hier der Chef, einer, den man in Deutschland einen mittelständischen Unternehmer nennen würde. Kein autoritärer Patriarch, der 57-Jährige ist stolz auf seine Mitarbeiter und ansonsten ein Mann der leisen Töne.

Seit fast 30 Jahren betreibt er zusammen mit seinem älteren Bruder die Porzellanfabrik Zarin, die einst Großvater und Vater aufbauten und heute der größte Geschirrhersteller des Landes ist. 1000 Menschen, zwei Drittel von ihnen Frauen, arbeiten auf dem weitläufigen Fabrikgelände, das etwa eine Autostunde von Isfahan entfernt in dem Städtchen Mobarakeh liegt. Ihre Anfangsgehälter liegen bei 150 Euro im Monat, die Spitzengehälter bei 230 Euro, wie im Iran üblich. Man produziere das beste Porzellan im gesamten Nahen Osten, rühmt die Werbebroschüre des Unternehmens, das sein Teegeschirr in die Golfstaaten, die Türkei und nach Zentralasien exportiert. Der Großteil der 8000 Tonnen Jahresproduktion bleibt im Land, viele heimische Spitzenhotels schwören auf Zarin-Porzellan.

Doch der Fabrikant mit randloser Brille und fein gestutztem Schnäuzer hat Sorgen. Und er teilt sie mit vielen iranischen Unternehmern. Seit einem Jahrzehnt konnte Masoud Ghasaei nicht mehr richtig investieren. „Rohstoffe und Ersatzteile sind schwierig zu bekommen“, sagt er, der mit hochbetagten und hingebungsvoll gewarteten deutschen Maschinen produziert. Für den Import neuer Anlagen braucht man Finanz-Mittelsmänner, die alle mitverdienen wollen. Und der Kauf des Kaolin-Rohstoffs im Ausland, aus dem die Teller, Tassen, Kannen und Salzstreuer gepresst werden, funktioniert nur mit harten Devisen, die wegen der westlichen Bankensanktionen auf kostspieligen Umwegen beschafft werden müssen.

Seit der Wahl von Präsident Hassan Ruhani und den positiven Atomgesprächen in Genf allerdings hofft Irans Wirtschaft auf eine Wende. An der Börse in Teheran boomen bereits die Öl- und Bankaktien, auch wenn Ruhani in einem TV-Interview nach 100 Tagen im Amt seinen Landsleuten nur katastrophale Wahrheiten zu verkünden hatte. Der Zustand des Landes sei „erschreckend“. Die Islamische Republik sei faktisch bankrott, die Staatskasse geplündert, der Iran so hoch verschuldet, dass selbst das Geld für Getreidekäufe fehle. Die Arbeitslosigkeit besonders unter jungen Leuten liege bei mehr als 25 Prozent. Die Wirtschaft leide unter tiefer Rezession, während sich die Inflation mit 40 Prozent in schwindelerregender Höhe befinde.

Die gesamte Ölindustrie, nach wie vor Haupteinnahmequelle des Landes, ist seit 1979 nicht mehr grundlegend modernisiert worden. Die uralten Raffinerien produzieren so minderwertigen Kraftstoff, dass Teheran permanent unter einer gelblichen Abgaswolke ächzt. Im Prinzip muss alles erneuert werden, meint ein Wirtschaftsexperte in Teheran. Die Ölbranche allein braucht nach seinen Worten in den nächsten Jahren Investitionen von 50 bis 100 Milliarden Euro. Die Hälfte der 20 Millionen Autos im Land ist inzwischen mehr als 25 Jahre alt.

Dementsprechend hoch sind die Erwartungen bei den ausländischen Emissären, die sich in Teheran inzwischen die Klinke in die Hand geben. Hauptgewinner eines iranischen Investitionsbooms könnten neben internationalen Ölmultis wie Total, Shell und Exxon Mobil vor allem die französischen Autorkonzerne Peugeot-Citroen und Renault sein, die eine langjährige Partnerschaft mit Iran Khodro verbindet. Gleichzeitig verhandeln die heimischen Manager nach eigenen Angaben auch mit Mercedes-Benz und Autozulieferern wie Continental und Bosch. Vor den harten Finanzsanktionen 2011 produzierte Irans Autobranche, die größte im gesamten Nahen Osten, jährlich 1,6 Millionen Fahrzeuge und beschäftigte zwei Millionen Menschen. Seitdem ist die Fertigung wegen des westlichen Zulieferboykotts um mehr als 30 Prozent eingebrochen. Der deutsche Pharmakonzern Merck hat sich ebenfalls in Teheran angesagt. Er will Medikamente gegen Diabetes und Bluthochdruck produzieren, während das Berliner Wirtschaftsministerium die Erwartungen der deutschen Unternehmen auf ein baldiges Ende der Sanktionen nach wie vor dämpft.

„Der Iran hungert nach Investitionen“, sagt Porzellanfabrikant Masoud Ghasaei. „Mir tut es in der Seele weh, wenn ich sehe, was meine Heimat in den vergangenen Jahren verloren hat.“ Hinter den bestehenden Hallen hat er bereits ein Areal für einen Anbau vorbereiten lassen, um seine Jahresproduktion von 8000 um weitere 3000 Tonnen zu erhöhen. Der Iran habe ein Imageproblem, sagt er. Und in vielen Punkten sei sein Land selber schuld. Das aber werde sich jetzt hoffentlich mit Ruhani ändern. „Wenn die politischen Probleme erst einmal gelöst sind, lassen sich auch die wirtschaftlichen Probleme lösen.“

Zur Startseite