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In Irak und Syrien schließen sich zunehmend deutsche Dschihadisten islamistischen Terrormilizen an.

© AFP

Politik: „Hohes Gefährdungspotenzial“

Verfassungsschutz warnt vor radikalisierten Rückkehrern / Deutsche verüben offenbar Attentate im Irak.

Berlin - Der Verfassungsschutz hat sich besorgt über die wachsende Anziehungskraft von Dschihadistengruppen wie dem „Islamischen Staat“ (IS) auf deutsche Bürger gezeigt. „Die Sicherheitsbehörden können das Problem alleine nicht lösen“, sagte Verfassungsschutzpräsident HansGeorg Maaßen am Mittwoch in Berlin. Vielmehr sei die gesamte Gesellschaft gefragt, die Radikalisierung insbesondere junger Menschen frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Dies gelte insbesondere für das persönliche Umfeld junger deutscher Dschihadisten.

Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes sind bereits mehr als 400 deutsche Dschihadisten nach Syrien gereist – mutmaßlich, um sich dort extremistischen Gruppen anzuschließen. Von ihnen seien rund 130 inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt. Auch wenn es bislang noch keine Erkenntnisse über konkrete Pläne für Anschläge in Deutschland gebe, schreiben die Verfassungshüter diesen Rückkehrern ein „hohes Gefährdungspotenzial“ zu.

Bei der Rekrutierung deutscher Dschihadisten komme dem Internet eine zentrale Rolle zu, hieß es beim Verfassungsschutz. Das soziale Netzwerk Facebook spiele eine wichtige Rolle bei der Kommunikation, zunehmend nutzten „Gotteskrieger“ auch Smartphone-Apps wie Instagram und WhatsApp. Aktuelle Ereignisse würden fortlaufend gepostet, verlinkt und „geliked“. Dadurch werde der interaktive Charakter der Kommunikation in einer virtuellen Dschihad-Gemeinschaft verstärkt.

In Irak und Syrien haben offenbar bis zu neun deutsche Dschihadisten Selbstmordanschläge verübt. Nach Informationen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR sind bislang mindestens fünf Anschläge sicher Tätern aus Deutschland zuzuordnen. Drei bis vier weitere Attentate würden derzeit noch untersucht. Dem Bericht zufolge werden die Täter aus Deutschland „Almanis“ genannt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte dazu: „Wir wollen nicht, dass aus Deutschland der Tod in den Irak gebracht wird. Der Export von Terror ist unerträglich und muss unterbunden werden.“ Die Anzahl der von Europäern verübten Anschläge habe sich nach Geheimdiensterkenntnissen seit Anfang März vervierfacht. „Die Anzahl der Europäer nimmt stetig zu, sie werden gezielt angeworben und sind brutaler als die Araber“, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ den Sprecher der irakischen Streitkräfte, General Kassem Atta.

Dem Bericht zufolge hat ein verhafteter IS-Funktionär gestanden, im Juli einen deutschen Selbstmordattentäter in den Süden Bagdads gefahren zu haben, wo dieser einen Anschlag verübte habe, bei dem 54 Menschen starben. Die nordrhein-westfälischen Behörden gingen davon aus, dass es sich dabei um einen 21-jährigen Deutschen aus Ennepetal handele. Die Familie bestreite den Vorwurf, hieß es weiter.

Die Abgeordneten des französischen Parlaments haben sich am späten Dienstagabend auf ein Ausreiseverbot für potenzielle „Gotteskrieger“ geeinigt. Die Maßnahme ist Teil eines Anti-Dschihadisten-Gesetzes, das in der Nationalversammlung debattiert wurde. Der Text zum Reiseverbot sieht bei der begründeten Annahme, dass sich französische Staatsbürger ins Ausland begeben, um sich an „Terroraktivitäten oder Kriegsverbrechen“ zu beteiligen, den Einzug von Personalausweisen und Reisepässen vor. Dem französischem Innenminister Bernard Cazeneuve zufolge reisten in der jüngsten Vergangenheit mehr als 900 Franzosen nach Syrien und in den Irak.

Laut der US-Bundespolizei hat die Unterstützung für die Dschihadistengruppe seit Beginn der US-Luftangriffe im Irak zugenommen. Die IS-Milizen hätten den Einsatz der sozialen Medien verstärkt und die Unterstützung im Internet sei gewachsen, sagte der FBI-Direktor James Comey am Mittwoch im US-Abgeordnetenhaus. Im Kampf gegen den IS müssen sich die USA offenbar auf heftigen Widerstand einrichten. In einem neuen Video mit dem Titel „Flammen des Krieges“ droht die Terrormiliz Amerika. Der Propagandafilm endet mit der Einblendung: „Der Kampf hat erst begonnen.“

US-Präsident Barack Obama will an seiner Strategie festhalten, den IS im Irak nur aus der Luft anzugreifen. Äußerungen von Generalstabschef Martin Dempsey über einen möglichen Kampfeinsatz von US-Bodentruppen sind laut Weißem Haus ein „rein hypothetisches Szenario“, sagte Obamas Sprecher Josh Earnest. Auch Außenminister John Kerry verteidigte im Außenausschuss des Senats die Strategie der US-Regierung gegen den IS. Es werde keinen Kampfauftrag für US-Bodentruppen geben, sagte er. „Zu diesem Zeitpunkt wurde auch noch kein Land aufgefordert, Bodentruppen nach Syrien zu bringen. Ich denke, es wäre jetzt keine gute Idee.“ In der internationalen Koalition müsste zudem nicht jedes Land einen militärischen Beitrag leisten. Gleichzeitig warnte Kerry davor, den Kampf gegen die Terrormiliz mit dem zweiten Golfkrieg von 1991 oder dem Irakkrieg von 2003 zu vergleichen. babs/Tsp/AFP

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