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Politik: Hundert Tage Startversuch

Die zweite Runde der rot-grünen Koalition hat holprig begonnen – ein Rückblick

Von Hans Monath

Zum Feiern dürfte angesichts des Jubiläums der rot-grünen Bundesregierung kaum einem ihrer Mitglieder zu Mute sein. Am heutigen Mittwoch ist die Koalition von SPD und Grünen zwar genau 100 Tage im Amt. Doch schon vier Tage später droht am Sonntag bei den Landtagswahlen von Hessen und Niedersachsen ein Plebiszit über die Leistungen der zweiten rot-grünen Bundesregierung, das nach Auskunft der Meinungsforscher verheerend ausfallen dürfte.

Nach 100 Tagen Neuauflage von Rot-Grün ist das Land nach dem Urteil von CDU-Parteichefin Angela Merkel „mehr denn je auf Talfahrt“ – für die Zukunft der Republik seien es „verlorene Tage“ gewesen, urteilte die Politikerin. Umfragen deuten darauf hin, dass die meisten Bürger dies ähnlich sehen. Geschickt verbreitet die Union zum Jubiläum eine Liste „aller 48 Steuer- und Abgabenerhöhungen von Rot-Grün“. Zwar finden sich darauf auch Entscheidungen zum Subventionsabbau, die Reformfreunde im Prinzip stets lauthals fordern. Doch die Beschwörung einer maßlos zugreifenden Regierung trifft den Nerv der Bürger. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer setzt den Ton: „Jetzt am Ende des Monats können die Menschen auf den Lohnzetteln sehen, was diese Regierung sie wirklich kostet.“

Sogar die Sympathiewerte des Bundeskanzlers, die Gerhard Schröder im Wahlkampf so geholfen hatten, sind nach dem von vielen Bürgern als chaotisch empfundenen Neu-Start abgestürzt. Schon die Koalitionsverhandlungen standen unter einem schlechten Stern: Statt ein Signal des Aufbruchs zu setzen, geriet die Spitzenrunde unter dem Druck immer neuer Steuerausfälle zu einer Verschwörung von Streichern. Zum katastrophalen Erscheinungsbild trugen widersprüchliche Botschaften bei, die auch SPD-Spitzenpolitiker zum Entsetzen des Kanzlers gern unter die Leute brachten.

Intern glauben führende Leute beider Koalitionsparteien inzwischen wieder an eine Stabilisierung der eigenen Regierung, seit Ende Dezember das Kanzleramtspapier mit den Reformvorhaben bekannt wurde und Schröder sich zur Durchsetzung dieser Linie bekennt. Doch das neue Selbstvertrauen und die neue Zielsetzung sind offenbar zu jung, um von den Bürgern schon honoriert zu werden. Zudem zeigt sich die SPD zerrissen, wo immer es um konkrete Reformen geht.

Superminister Wolfgang Clement, der neue starke Mann und SPD-Hoffnungsträger im Kabinett, setzt deshalb bei der Reform des Arbeitsmarkts auf eine Strategie der „Überwältigung“ der eigenen Fraktion, wie es ein SPD-Reformer bezeichnet. Das Hartz-Paket ist in großen Teilen auf den Weg gebracht, die Leiharbeit liberalisiert, Personal-Service-Agenturen werden möglich. Doch wie es um die Kampfkraft der Beharrer in den eigenen Reihen steht, erfuhr Clement erst kürzlich bei seinem Vorstoß zur Liberalisierung des Kündigungsschutzes.

An öffentlicher Reputation verloren hat dagegen Finanzminister Hans Eichel. Sein Gesetz zur Sicherung des Haushalts geriet wegen der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zur Hängepartie. Das Renommee des ehemaligen „Sparkommissars“ litt auch unter der Aufweichung der strengen Stabilitätskriterien und unter immer neuen Vorschlägen zur Etatsanierung aus den eigenen Reihen.

Eine wenig glückliche Hand bei der Vermittlung der eigenen Ziele zeigt Ulla Schmidt, die nun nicht mehr nur für Gesundheit, sondern auch für die Rente zuständig ist. Zwar ist mit der Einsetzung der Rürup-Kommission auch die wirre Debatte über die Reform der sozialen Sicherungssysteme etwas eingedämmt worden. Ihr Gesundheits-Spargesetz hat die Ministerin durchgesetzt, die Vorschläge zur Reform des Gesundheitssystems will sie aber erst nach den Landtagswahlen präsentieren.

Auf breite Unterstützung der Bevölkerung darf die Koalition dagegen in ihrem Widerstand gegen einen Irak-Krieg zählen, der schon den Wahlkampf bestimmte. Doch birgt der Konfrontationskurs zu den USA große Gefahren. Außenminister Joschka Fischer schlägt auffällig moderatere Töne an als der Kanzler. Bislang blieb es bei Willenserklärungen: Was der konkrete deutsche Beitrag zur Lösung der Irak-Krise sein soll, hat die Regierung noch nicht erklären können.

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