
© dpa/Wolfgang Kumm
Antrittsrede des neuen israelischen Botschafters: „Ich kehre zu den deutschen Wurzeln meiner Familie zurück“
Ron Prosor ist Israels neuer Botschafter. Zu Beginn seiner Amtszeit hält er eine kleine Rede auf dem Berliner Bebelplatz. Ein mit Bedacht gewählter Ort.
Stand:
Ron Prosor hat während seiner langen Karriere als Diplomat sicherlich schon vieles erlebt. Doch dieser Montag in Berlin dürfte für Israels neuen Botschafter ein denkwürdiger Tag sein. Am Vormittag ist er im Schloss Bellevue, um Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sein Beglaubigungsschreiben zu übergeben. Ein paar Stunden später, kurz nach 15 Uhr, steht der 63-Jährige auf dem Bebelplatz in Mitte.
Vor ihm ein paar Mikrofone, um ihn herum einige Dutzend Menschen. Es sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Botschaft, Journalisten und Sicherheitsbeamte, dazu eine Handvoll Passanten und Touristen. Doch ein großes Publikum scheint für Prosor an diesem Tag nicht so wichtig zu sein. Vielmehr soll der Ort seiner kleinen Antrittsrede Wirkung verleihen. Und den hat er mit Bedacht gewählt.
[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Auf dem Bebelplatz hatten die Nazis am 10. Mai 1933 mehr als 20.000 Bücher verbrennen lassen, wegen „undeutschen Geistes“. Werke von Heinrich Heine, Erich Kästner und Kurt Tucholsky wurden den Flammen übergeben. Um an dieses Fanal zu erinnern, gibt es unter dem Platz ein Mahnmal aus leeren Regalen, in die genau 20.000 Bücher passen würden, konzipiert wurde die „Bibliothek“ vom israelischen Künstler Micha Ullmann.
Die Weitsicht der Großmutter rettete die Familie
Als Prosor während seiner kleinen Rede vom Hebräischen ins Deutsche wechselt und die Anwesenden mit „Liebe Leute“ begrüßt, ist das Denkmal nur ein paar Schritte entfernt. Fünf Monate nach der Bücherverbrennung, so erzählt Prosor, seien sein Vater, dessen Schwester und die Großeltern vor den Nationalsozialisten nach Palästina geflohen – auf Betreiben der Großmutter. Ihre Weitsicht habe die Familie gerettet.
Denn der Großvater, der sich immer als Preuße bezeichnet habe, wollte anfangs seine Heimat, seine Sprache, seine Kultur nicht verlassen – und tat es dann notgedrungen doch. „Wer hätte gedacht, dass ich einmal als stolzer Israeli mein Land in Berlin vertreten würde. Ich kehre zu den deutschen Wurzeln meiner Familie zurück.“ Das sei für ihn eine sehr persönliche und emotionale Angelegenheit, betont Prosor.
Den Jugendaustausch zwischen Israel und Deutschland will er ausbauen
Dann wendet er sich an sechs junge Leute, die direkt hinter ihm stehen. Sie sind im israelisch-deutschen Jugendaustausch aktiv und werden von Prosor als als „echte Botschafter“ beider Staaten gewürdigt. „Die Kinder und Jugendlichen sind unsere Zukunft. Sie sind die Zukunft unserer Beziehungen.“
Deshalb wolle er sich während seiner Amtszeit vor allem für den Ausbau des Jugendaustausches einsetzen. Nur die Begegnungen zwischen jungen Menschen könnten die Länder zusammenbringen „und eine echte Brücke“ zwischen Deutschland und Israel schaffen.

© dpa/Wolfgang Kumm
Prosor gehört zu Israels profiliertesten Diplomaten und hatte bereits mehrere wichtige Posten inne. So vertrat der gelernte Artillerieoffizier im Rang eines Majors zwischen 2007 und 2011 sein Land in Großbritannien. Von 2011 bis 2015 amtierte er als Botschafter des jüdischen Staats bei den Vereinten Nationen.
Schon einmal war er als Diplomat in Deutschland tätig
Deutschland kennt Prosor aus eigener Anschauung. Von 1988 bis 1992 war er an der Botschaft in Bonn tätig. Die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland blieben für ihn eine Herzensangelegenheit. Das schließt offenbar ein, sich zu Wort zu melden, wenn es ihm nötig erscheint.
So forderte Prosor – noch gar nicht offiziell im Amt – kurz nachdem Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Kanzleramt Israel vielfachen Holocaust an den Palästinensern vorgeworfen hatte, derartige Aussagen in Deutschland nicht hinzunehmen. Später fügte er auf Twitter hinzu, dem Leugnen des Holocaust müsse mit null Toleranz begegnet werden – „überall und jederzeit“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: