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Politik: Im Namen der Dose

DAS ZWANGSPFAND

Auf alles Mögliche sollen die Deutschen im neuen Jahr verzichten. Und jetzt auch noch auf die Dose? Ausgerechnet ihr Lieblingsdiscounter Aldi will Bier in Dosen und Einwegflaschen aus den Regalen verbannen, um dem neuen Zwangspfand zu entkommen. Und da Aldi sein Bier traditionell nur in Dosen und Wegwerf-Flaschen anbietet, wird es 2003 überhaupt kein Bier mehr bei Aldi geben. Frohes Neues Jahr!

Der Bier-Bann ist der Höhepunkt eines Dosenpfandkriegs, den Handel, Getränkeindustrie und Politik seit Wochen austragen – zu Lasten der deutschen Fußballfans, Kinogänger und Camper. Wenn die Pech haben, gibt es bald gar keine Dosen mehr zu kaufen. Dann können sie sich den Rücken bei künftigen Stadionbesuchen oder Zelturlauben an Mehrwegflaschen bucklig tragen: hin und zurück.

Helmut Kohls Umweltministerin Angela Merkel hat künftigen Regierungen vor zehn Jahren einen hübschen Streit untergejubelt, als sie die Verpackungsverordnung erließ. Sie wollte dem deutschen Wald Verpackungsmüll ersparen und die Bürger mit Hilfe von Handel und Industrie zu guten, umweltbewussten Menschen erziehen: mit Mehrwegflaschen. Entweder freiwillig – oder aber mit Zwang. Dosen ganz aus den Regalen zu verbannen, geht nicht; das verbietet der europäische Binnenmarkt. Also verfügte Merkel, es werde ein Pfand für Dosen und Einweg-Flaschen geben, sobald der Mehrweganteil aller Getränkeverpackungen unter 72 Prozent fällt. Soweit die gute Absicht.

Im Juli 2002 fiel der Mehrweganteil sogar unter 64 Prozent. Da tat Merkels grüner Nachfolger Jürgen Trittin, was er tun musste: Er erließ das Zwangspfand für Dosen und Einwegflaschen mit Bier, Mineralwasser und Limonade. In zwei Wochen tritt es in Kraft, dann müssen alle Supermärkte und Kioske die leeren Dosen und Einwegflaschen, die sie verkauft haben, wieder zurücknehmen.

Das Zwangspfand kommt für Handel und Industrie also nicht überraschend. Sie hätten sich seit zehn Jahren mit dem Gedanken vertraut machen können. Und doch sind die Lidls und Edekas, Kaisers und Getränke-Hoffmanns nicht vorbereitet. Es gibt das Dosen-Rücknahme-System nicht, das doch eigentlich in zwei Wochen funktionieren soll. Hoffen sie etwa immer noch, dass es nicht so weit kommt? Sie haben die Situation doch mit herbeigeführt: Die attraktiven Preise für die bequemen Dosen haben den Mehrweganteil immer weiter zurückgedrängt. Jetzt schreien die Gegner – kurz vor der geplanten Einführung des neuen Systems – Zeter und Mordio und wehren sich mit Klagen und Eilanträgen bis zur letzten Minute gegen die Zwangsmaßnahme der Regierung. Aber die Gerichte haben die Klagen der Dosenpfandgegner bisher stets abgewiesen.

Fest steht: Das Zwangspfand kommt in zwei Wochen. Und der Handel ist auf das Pfandsystem nicht vorbereitet. Aus eigener Schuld. Er hat es versäumt, rechtzeitig ein bundesweites Rücknahmesystem aufzubauen. Die durstigen Fußballfans haben jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder sie trinken künftig Bier aus der Mehrwegflasche. Oder sie merken sich ganz genau, wo sie ihr Dosenbier kaufen: Nur dorthin dürfen sie die leeren Dosen später wieder zurücktragen. Eine lästige Aufgabe.

Nun prophezeien Handel und Teile der Getränkeindustrie ein großes Chaos – das sie selbst produziert haben. Aldi nimmt einfach alle Dosen aus dem Regal. Wenn das nun alle tun – und wir am Ende ganz auf Dosen verzichten müssen? Doch vielleicht kriegt der Handel in letzter Minute ja noch die Kurve. Wie bei der Euro-Einführung, als auch ein Chaos prophezeit wurde. Und am Ende alles doch nur halb so schlimm war.

Maren Peters

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