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Sale in Teheran. Die iranische Wirtschaft leidet sehr unter den weitreichenden US-Sanktionen.

© Atta Kenare/AFP

Iran-Sanktionen der USA: Erster Erfolg für Europas „Trotzdem“-Politik

Das Tauschsystem „Instex“ für Europas Geschäfte mit dem Iran steht kurz vor dem Durchbruch. Es ist auch Thema der Münchner Sicherheitskonferenz. Eine Analyse.

Von Anna Sauerbrey

Während auf der Münchner Sicherheitskonferenz wieder allerlei grundschürfende Reden zur Rolle Europas und des Westens in der Welt erwartet werden, vermeldet der Maschinenraum der europäischen Iran-Politik einen Erfolg: „Instex“, eine deutsch-französisch-britische Gesellschaft zur finanziellen Abwicklung von Geschäften mit dem Iran, stehe kurz vor der ersten Transaktion, bestätigte eine Sprecherin des deutschen Außenministeriums auf Anfrage.

Instex? Das klingt technisch, lohnt aber trotzdem eine nähere Betrachtung. Denn es gibt wenige Beispiele, an denen sich so konkret zeigen lässt, wie weit die europäischen Ansprüche auf eine von den USA unabhängige Rolle im Nahen Osten noch von der Realität entfernt sind.

Instex zeigt auch, wie sehr die strategische Uneinigkeit zwischen den USA und Europa zu jener „Westlosigkeit“ beiträgt, mit der die Münchner Sicherheitskonferenz dieses Jahr provokant titelt.

Man will sich von Trump nichts sagen lassen

Die Geschichte von Instex beginnt im Mai 2018, als US-Präsident Donald Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran aussteigt. Mit dem Abkommen von 2015 hatte der Iran sein Atomprogramm ausgesetzt. Im Gegenzug wurden wirtschaftliche Sanktionen gegen das Land aufgehoben.

Donald Trump allerdings hielt das Abkommen für den „worst deal ever“ und schaltete auf eine Strategie des maximalen Drucks. Die Unterzeichner EU, Deutschland, Frankreich und Großbritannien grenzten sich von diesem Strategiewechsel ab, indem sie versprachen, das Abkommen aufrechtzuerhalten und weiter mit dem Iran Handel zu treiben.

Das aber erwies sich als schwieriger als erwartet.

USA verstärkten Sanktionen gegen Iran

Im Herbst 2018 stellten die USA ihre Iran-Sanktionen wieder scharf und verstärkten sie teilweise. Dazu gehörten auch sogenannte Sekundärsanktionen. Die USA drohen nicht nur US-Unternehmen Strafen an, wenn sie mit dem Iran handeln, sondern allen Einzelpersonen und Unternehmen, egal, wo sie ihren Sitz haben.

Die Effektivität der Sekundärsanktionen beruht auf der amerikanischen Marktmacht, auf der Bedeutung des Dollars, aber auch darauf, dass die USA viele internationale Zahlungswege entweder rechtlich oder faktisch kontrollieren.

„Auf irgendeiner Ebene hat fast jedes Unternehmen Berührungspunkte mit den USA“, sagt David Jalilvand, Geschäftsführer von „Orient Matters“, ein Beratungsunternehmen, das sich auf den Nahen Osten spezialisiert hat. „Wenn ein Unternehmen nicht selbst auf dem US-Markt tätig ist, so hat es doch entweder Banken, Versicherer oder Rückversicherer, die in den USA operieren.“

So nehmen selbst europäische Mittelständler ohne US-Geschäft Abstand vom Handel mit dem Iran. Das europäische Versprechen, den Iran wirtschaftlich zu stützen, lief ins Leere.

Geschäfte an den USA vorbei

Dem sollte „Instex“ abhelfen. Instex ist Teil einer Art Tauschsystem, das helfen sollte, an von den USA kontrollierten Zahlungswegen vorbei Geschäfte mit dem Iran abzuwickeln. Der Trick ist, dass Zahlungen gar nicht erst die Grenze zwischen dem Iran und dem europäischen Wirtschaftsraum überqueren – wobei sie dann potenziell Sanktionen auslösen könnten –, sondern innerhalb des jeweiligen Wirtschaftsraums bleiben.

Instex und eine iranische Partnergesellschaft registrieren den Wert der Importe und Exporte und organisieren dann den Austausch von Zahlungen zwischen Importeuren und Exporteuren auf „derselben Seite“.

Aufbau der Gesellschaft gestaltete sich schwierig

Als Heiko Maas die Gründung der Gesellschaft im Januar 2019 verkündete, sagte er selbstbewusst: „Wir stellen klar, dass wir nicht nur darüber reden, das Atomabkommen mit dem Iran am Leben zu halten, sondern dass wir nun auch die Möglichkeit schaffen, tatsächlich Geschäfte abzuwickeln.“

Hinter den Kulissen allerdings gestaltete sich der Aufbau schwierig. „Es war ein ziemliches Hin und Her“, erinnert sich der SPD-Außenpolitikexperte Nils Schmid, der das beobachtet hat. Als man 2018 mit den Planungen begann, sollte Instex eigentlich bei der EU angesiedelt werden – allerdings gab es sowohl rechtliche als auch politische Bedenken.

Die Gesellschaft wurde dann 2019 als Unternehmen mit Sitz in Paris gegründet, Gesellschafter sind nur Deutschland, Frankreich und Großbritannien, Chef ist heute der deutsche Diplomat Michael Bock.

Medikamentenlieferung als „Test"

Die USA drohten den Europäern öffentlich und hinter den Kulissen mehrfach, Instex und seine Mitarbeiter mit Sanktionen zu belegen, sollte der Mechanismus dazu genutzt werden, US-Sanktionen zu umgehen. Die Personalsuche war daher langwierig. Dass der Druck aus den USA wirkt, lässt sich auch am ersten Geschäft ablesen, das in diesen Tagen abgewickelt werden soll.

Von Maas’ großer Geste ist wenig übrig. Bearbeitet wird die Medikamentenlieferung einer deutschen Firma in den Iran. Die Rede ist von einem „Test“. Der Wert liege „unter einer Million Euro“. Importiert wird im Gegenzug zunächst nichts. Europäische Politiker betonen, das Ganze sei absolut legal.

Humanitäre Hilfslieferung – und dazu zählen Medikamente – sind in der Regel von US-Sanktionen ausgenommen. Den Namen des Unternehmens und der beteiligten Banken will das deutsche Außenministerium dennoch nicht nennen – das Unternehmen fürchtet offenbar Schwierigkeiten.

Thematisierung auf Münchner Sicherheitskonferenz

Auf der Sicherheitskonferenz wird all das unterschwellig eine Rolle spielen. Der iranische Außenminister Zarif dürfte seinen Besuch nutzen, um den Druck auf die Europäer zu erhöhen. In einem „Spiegel“- Interview setzte er schon einmal den Ton, als er in Richtung Europa ätzte: „Worte kosten nichts.“

Doch auch wenn die EU in der Iran-Politik die ganz große Konfrontation mit den USA noch scheut, steckt in dem Mechanismus Potenzial für zukünftige Konflikte.

China etwa, das schon seit Langem versucht, unabhängiger vom Dollar und von amerikanisch kontrollierten Zahlungssystemen zu werden, hat bereits auf diversen Kanälen Interesse bekundet, sich an Instex zu beteiligen, ebenso wie Russland.

Sollte Donald Trump am 3. November wiedergewählt werden und das strategische Dilemma in der Iran-Politik bestehen bleiben, könnten die Karten neu gemischt werden.

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