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© dpa

Nahost: Israel: Wir kümmern uns nicht mehr um Gaza

Kein Strom, Wasser oder Medikamente: Israel will sich aus der Versorgung des abgeriegelten Gazastreifens ganz heraushalten. Hintergrund sind die chaotischen Verhältnisse am Grenzposten Rafah, von wo aus hunderttausende Palästinenser nach Ägypten ausreisen.

Einen Tag nach dem Ansturm hunderttausender Palästinenser auf die ägyptische Sinai-Halbinsel hat Israel damit gedroht, alle Verbindungen zum Gaza-Streifen zu kappen. Nach Öffnung der Grenze zu Ägypten sei Israel nicht mehr für das Palästinensergebiet am Mittelmeer zuständig, erklärte der israelische Vize-Verteidigungsminister Matan Vilnai. "Wir wollen ihnen keine Elektrizität mehr liefern und auch kein Wasser und keine Medikamente". Dies müsse "von anderer Seite" übernommen werden.

Derweil begannen ägyptische Sicherheitskräfte damit, am Grenzübergang Rafah mit Gewalt gegen die anstürmenden Palästinenser vorzugehen. Nach Augenzeugenberichten zwangen ägyptische Polizisten Palästinenser zur Rückkehr in ihre Heimat. Dabei hätten sie auch Schlagstöcke eingesetzt. Auch in der Städten und Dörfern der Sinai-Halbinsel hätten ägyptische Sicherheitskräfte Palästinenser eingekreist und zur Grenze zurückgebracht.

Israel und die USA setzen Ägypten unter Druck

Am Vormittag stoppte die ägyptische Polizei nach Angaben von Augenzeugen alle Lastwagenfahrer, die Lebensmittel und Medikamente nach Al-Arisch und Rafah bringen wollten. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Palästinenser dürften nur noch bis morgen in Ägypten bleiben. Die Polizei habe den Befehl erhalten, für ihre Rückkehr zu sorgen. Zuvor hatten unter anderem die USA und Israel die ägyptische Führung aufgefordert, die Lage an der Grenze zum Gazastreifen unter Kontrolle zu bringen.

Der Berater der radikal-islamischen Hamas, Ahmed Jussef, drohte, bei einer nächsten Aktion würden die Palästinenser den abgeriegelten Grenzübergang Erez nach Israel stürmen: "Wir nehmen jedes Risiko in Kauf. Sie (die Palästinenser) werden ihr Leben dafür opfern". Nach Medienberichten hatte Hamas die Sprengung der Grenzbefestigung nach Ägypten monatelang geplant. Militante hatten in der Nacht zum Mittwoch mehrere Löcher in die etwa zehn Kilometer lange Grenze gebombt.

Die israelische Regierung rief derweil alle israelischen Touristen auf der Sinai-Halbinsel auf, Ägypten wegen möglicher Anschläge zu verlassen. Ministerpräsident Ehud Olmert hatte bereits am Mittwochabend erklärt, Israel wolle auch nach dem Massenansturm hunderttausender Palästinenser auf grenznahe Geschäfte in Ägypten an der Wirtschaftsblockade des Gazastreifens festhalten. Das von der Hamas beherrschte Palästinensergebiet bleibe abgeriegelt, solange die Raketenangriffe auf Israel weitergingen. Erstmals seit dem Massenansturm auf die Grenze nach Ägypten am Mittwoch schlugen heute erneut fünf Kassam-Raketen auf israelischem Gebiet ein.

Tausende Palästinenser kehrten nach Einkäufen zurück

Nach Schätzungen aus Sicherheitskreisen hielten sich am Morgen noch etwa eine halbe Million Palästinenser auf der Sinai-Halbinsel auf. Augenzeugen in der Stadt Al-Arisch berichteten, unzählige Palästinenser hätten bei Verwandten, in Moscheen, Ferienwohnungen und Teestuben übernachtet. Viele tausende Palästinenser waren allerdings nach ihren Einkäufen bereits in den Gazastreifen zurückgekehrt.

Die Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte die im Gazastreifen lebenden Palästinenser auf, den Grenzübergang Rafah sofort zu räumen. Die Palästinenserbehörde lehnte heute die Forderung der Hamas ab, über eine dauerhafte Öffnung der Grenze nach Ägypten zu verhandeln. Man werde keine Gespräche mit Hamas führen, bevor die Organisation die alleinige Kontrolle des Gazastreifens wieder aufgebe, sagte ein Sprecher von Abbas.

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf forderte die Aufhebung der israelischen Blockade des Gazastreifens. Er verurteilte die Abriegelung des palästinensischen Gebiets als "Kollektivstrafe". Die von Syrien und Pakistan eingebrachte Resolution wurde von 30 der 47 Mitgliedsländer des Rates unterstützt, 15 Länder enthielten sich, darunter die EU-Staaten. (ho/dpa)

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