zum Hauptinhalt
Er weiß, wie man provoziert: CDU-Vize Jens Spahn.

© dpa/Carsten Koall

Jens Spahn sorgt für Aufregung: Wenn die CDU plötzlich an Erben und Reiche ran will

Die FDP schäumt, die SPD ist skeptisch, die Linke applaudiert. Wie die Reaktionen auf den Vorstoß für einen höheren Spitzensteuersatz und eine andere Erbschaftsteuer ausfallen.

Steht der Union eine steuerpolitische Wende bevor? Das wird man sehen. Zumindest erregt ein Arbeitsentwurf für ein Papier Aufmerksamkeit, mit dem sich die „Fachkommission Wohlstand“ der CDU in die Formulierung des nächsten Parteiprogramms einbringen will.

Das hat auch mit dem Hauptautor zu tun. CDU-Vize Jens Spahn leitet die Kommission, die eine Abkehr von der bisherigen Politik der Partei auf zwei steuerpolitischen Feldern vorschlägt. Zum einen kann sich die Runde um den früheren Bundesminister einen höheren Spitzensteuersatz vorstellen. Zum anderen – und das wäre die eigentliche kleine Revolution – skizziert sie ein komplett anderes Modell bei der Erbschaftsteuer.

Doch Obacht: Bis zum Druck des neuen Parteiprogramms wird noch mehr als ein Jahr vergehen. Entsprechend unterblieben am Dienstag auch größere Reaktionen aus CDU und CSU. Gerade in der Schwesterpartei in Bayern dürfte das Ansinnen Spahns eher mit Skepsis verfolgt werden – von dort kam zuletzt der Aufschrei für höhere Freibeträge bei der Erbschaftsteuer, den dann auch CDU-Chef Friedrich Merz mitmachte. Nun heißt es, Merz befürworte die Stoßrichtung des Spahn-Papiers prinzipiell.

So sind wir auch in der Steuerpolitik die politische Kraft der vernünftigen Mitte.

Aus dem Gesamtentwurf der Spahn-Kommission

In dem programmatischen Entwurf geht es auf 18 Seiten um eine „Soziale Marktwirtschaft der Zukunft“. Erkennbar ist eine Neuorientierung angesichts neuer geopolitischer Realitäten und Herausforderungen für das Exportland Deutschland. Ebenso erkennbar ist, dass Spahn die FDP aufs Korn nimmt.

Die CDU sei „nicht per se die Partei der Steuersenkungen und Steuererhöhungen“, heißt es auf Seite 16 des Papiers. „Pauschale Forderungen nach niedrigeren Steuern“ blieben häufig hinter den Notwendigkeiten zurück. In der Steuerpolitik sei die CDU „die politische Kraft der vernünftigen Mitte“.

Bei der Einkommensteuer soll die breite Mitte spürbar entlastet werden. Bei hohen Einkommen soll einerseits der Solidaritätszuschlag, den nur noch Besserverdiener zahlen, komplett entfallen. Dafür soll der Spitzensteuersatz für besonders hohe Einkommen steigen – konkrete Zahlen werden nicht genannt. Ausnahmeregelungen bei der Einkommen- wie auch der Umsatzsteuer sollten zur Vereinfachung des Steuersystems gekippt werden.

Weg mit der Gewerbesteuer?

Andererseits wird ins Gespräch gebracht, dass Kommunen als Ersatz für die in der Wirtschaft ungeliebte Gewerbesteuer Zuschläge auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer erheben dürfen.

Bei der Erbschaftsteuer soll das komplizierte bisherige Recht ersetzt werden durch eine einheitliche Besteuerung aller übertragenen Vermögen mit zehn Prozent, mit hohen Freibeträgen bei selbst genutzten Immobilien und zinslosen Stundungsregelungen bei Betriebsvermögen. Eine Vermögensteuer wird weiterhin abgelehnt.

„Auf Gestaltungsspielraum verzichtet“

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln findet es nicht ganz schlecht, was die Spahn-Truppe aufgeschrieben hat. Mit ihrem kategorischen Nein zu Steuererhöhungen habe die CDU „auf viel Gestaltungsspielraum verzichtet“, heißt es in einer Stellungnahme.

Das IW schlägt vor, den Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst ab 70.000 Euro zu versteuerndem Einkommen greifen zu lassen. Dem IW würde auch gefallen, wenn – wie von Spahn vorgeschlagen – die Gewinnbesteuerung der Unternehmen bei 25 Prozent gedeckelt würde.

Bei der Erbschaftsteuer weist das IW darauf hin, dass das Steueraufkommen wohl bei elf Milliarden Euro bliebe. Allerdings könne das Modell mit einem einheitlichen Steuersatz dazu führen, dass Erben kleinerer Unternehmen stärker belastet würden als jetzt, bei der Übertragung größerer Unternehmen dagegen weniger zu zahlen wäre.  

„Ein Schlag ins Gesicht“

Aus der FDP kam umgehend Kritik. „Der Vorschlag der CDU ist ein Schlag ins Gesicht aller hart arbeitenden Menschen“, sagte der Bundestags-Fraktionsvize Christoph Meyer dem Tagesspiegel. „Die CDU will die Bürger und Betriebe mit höheren Steuern belasten. Die FDP beschützt Menschen, die sich Wohlstand erarbeiten.“ Gehe es nach der Union, „müssten Handwerker, Bandarbeiter und IT-Fachkräfte auf mehr Geld verzichten.“ Da wird der schwarz-gelbe Profilierungsstreit hart werden, wenn es konkreter wird – denn genau diese Gruppe will die CDU entlasten.

In der SPD wird mit Skepsis gesehen, dass der CDU-Plan bei hohen Einkommen Be- und Entlastungen gleichzeitig enthält, also unter Umständen gar keine Gegenfinanzierung stattfindet, sondern erst einmal Löcher in die Etats gerissen werden könnten. Auch bei der Erbschaftsteuer traut man der neuen Offenheit für Reformen noch nicht so ganz.

„Eingeständnis eigener Versäumnisse“

Der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi sagte dem Tagesspiegel, die Reformideen seien hier „vor allem das Eingeständnis eigener Versäumnisse der Vergangenheit“ in der Union. „Die CDU war in der Regierung nicht bereit, die Schlupflöcher insbesondere für Firmenerben zu schließen.“

Auch blieben die Pläne hinter dem Notwendigen zurück. Ein Erbschaftsteuersatz von zehn Prozent wäre laut Schrodi auch beim Wegfall von Sonderregelungen und Begünstigungen „deutlich zu niedrig“. Aus seiner Sicht wäre ein einheitlicher, niedriger Steuersatz zudem „eine Umverteilung der Steuerbelastung zugunsten der Erben großer und größter Vermögen“.

Andreas Audretsch, Fraktionsvize der Grünen, fühlt sich bei Spahns Steuerkonzept an den Versuch erinnert, einen Pudding an die Wand zu nageln. „Die CDU sei die Partei der möglichst niedrigen, aber hinreichend hohen Steuern, steht im Konzept. Viel konkreter wird’s nicht“, saget Audretsch dem Tagesspiegel. „Ein höherer Steuersatz für die Reichsten des Landes, um die breite Mitte der Gesellschaft zu entlasten, klingt gut. Wenn gleichzeitig der Soli komplett wegfällt, weiß niemand mehr, was am Ende raus kommt.“ Er sei gespannt, ob Spahn „aus dem CDU-Pudding noch ein ernsthaftes Konzept entwickelt“.

„Sogar die CDU erwägt die Erhöhung der Einkommensteuer bei Reichen, um die Mitte zu entlasten“ - so reagierte der Linken-Finanzpolitiker Christian Görke auf das Papier. Dies sei „richtig so“. Görke sprach von einem „Wink mit dem Zaunpfahl“ an FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Mit ihrer „Blockadepolitik“ gegen höhere Steuern für Reiche sei die FDP jetzt „allein auf weiter Flur“. Allerdings lehnt Görke einen Einheitssatz bei der Erbschaftsteuer ab.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false