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Politik: Keine Staatsaffäre

Bei der Wahl in Finnland hat Premier Vanhanen beste Chancen

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Sechs Monate lang hatten Europas Regierungschefs Zeit, den stillen Finnen aus der Nähe kennenzulernen. Während Finnlands EU-Ratspräsidentschaft erlebten sie Matti Vanhanen als korrekt und sachorientiert, aber auch als farblos und ohne jedes Charisma. Umso mehr staunte mancher über die Popularität, die der 51-Jährige in seiner Heimat genießt. „Darf ich Ihnen den attraktivsten Mann Finnlands vorstellen?“, scherzte Frankreichs Präsident Chirac auf einem Gipfeltreffen, als Vanhanen den Raum betrat. Der Zentrumspolitiker hat bei der Parlamentswahl an diesem Sonntag gute Chancen auf einen Sieg.

Das Zentrum lag in den Umfragen knapp vor den Sozialdemokraten und der konservativen Nationalen Sammlungspartei. Da auch die Zentrumspartei auf nicht mehr als 24,7 Prozent kommt, müssen auf jeden Fall zwei der drei großen Parteien miteinander regieren. In der finnischen Konsensdemokratie sind möglichst große Koalitionen allerdings der Normalfall. Sollten die Umfragen Recht behalten, gilt eine Fortsetzung der regierenden Koalition der „roten Erde“ aus der Zentrumspartei, die vor allem auf dem Land verankert ist, und den Sozialdemokraten als wahrscheinlich. Außerdem war bisher die kleine Schwedische Volkspartei, die die finnlandschwedische Minderheit vertritt, an jeder Regierung beteiligt.

Der Wahlkampf war nahezu frei von Kontroversen, schwierige Themen wie die Frage des Nato-Beitritts oder der Ausbau der Kernenergie spielten keine Rolle. Selbst die oppositionellen Konservativen fanden lobende Worte für die Arbeit der Regierung. Vanhanen warb denn auch im Wahlkampf damit, dass in den vergangenen vier Jahren 100 000 neue Jobs geschaffen worden seien. Die traditionell hohen Steuern wurden zumindest ein wenig gesenkt, seit Jahren hat das Land einen Haushaltsüberschuss. Im internationalen Vergleich gilt Finnland als Musterland – von der Geburtenrate über das Bildungswesen bis hin zur Wettbewerbsfähigkeit liegt Finnland in vielen Statistiken vorn.

Angesichts der fehlenden sachpolitischen Streitthemen wurde im Wahlkampf die Popularität der Spitzenkandidaten besonders wichtig. Amtsinhaber Vanhanen liegt in der Beliebtheit weit vorn. Nicht einmal das Enthüllungsbuch seiner Ex-Freundin, in dem sie ihre Beziehung bis ins Detail schilderte, konnte daran etwas ändern. Inzwischen weiß fast jeder Finne, dass der geschiedene Premier seine Freundin im vergangenen Jahr über das Internet kennenlernte und per SMS („Das war’s“) mit ihr Schluss machte. Doch die Öffentlichkeit solidarisierte sich eher mit dem Regierungschef als mit der verlassenen Geliebten. Vanhanens Gegner im Wahlkampf gingen auf das Thema gar nicht erst ein. Der Regierungschef könnte von der Affäre also sogar noch profitieren.

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