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Klingbeils Kommission nimmt Form an: Wird die Schuldenbremse zur nächsten Belastungsprobe?
Der Finanzminister will für die Zeit nach dem Sondervermögen vorsorgen und mithilfe eines Expertengremiums die Schuldenregeln ändern. Doch seine Vorstellungen stoßen bei der Union auf Widerstand.
Stand:
In der Union haben viele den Schulden-Schock noch nicht so richtig verdaut. Nachdem man im Wahlkampf Haushaltssolidität und Wachstum durch alles außer Schulden gepredigt hatte, hat Schwarz-Rot seitdem das genaue Gegenteil gemacht: 500 Milliarden Sondervermögen für die Infrastruktur, „Whatever-It-Takes“-Schulden für die Landesverteidigung, Verschuldungsspielraum für die Länder. Insgesamt 850 Milliarden Euro zusätzliche Schulden sollen so bis 2029 zusammenkommen.
Doch die SPD und allen voran Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) wollen mehr. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, soll auch die Schuldenbremse ein Update bekommen. „Wir werden eine Expertenkommission unter Beteiligung des Deutschen Bundestages und der Länder einsetzen, die einen Vorschlag für eine Modernisierung der Schuldenbremse entwickelt“, heißt es ab Zeile 1613.
Im Bundesfinanzministerium (BMF) wird seit Wochen an den Details der Kommission gefeilt. Eigentlich sollte die Zusammensetzung des Gremiums längst stehen. Schließlich wollte man eine Gesetzesänderung noch bis Ende dieses Jahres abschließen. Diesen Zeitplan wird man kaum halten können. Inzwischen kursiert hinter den Regierungskulissen eher Ende März als Abschlussdatum.
Von offizieller Seite heißt es aus dem Finanzministerium lediglich, man sei weiter in der Abstimmung. Letzte Woche soll Klingbeil führende Finanz- und Haushaltspolitiker von Union und SPD über das Prozedere informiert haben. Über die Zusammensetzung der Kommission wird weiter spekuliert.
Klingbeil will langfristig mehr Investitionen
Medienberichten zufolge plant Klingbeil das Gremium nach der Formel 5+5+2+3 zusammenzusetzen, vor allem mit Fachleuten der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Die Union soll demnach fünf Personen nominieren, die SPD ebenfalls. Aus der Opposition sollen Grüne und Linke jeweils eine Kandidatin in Abstimmung mit der Koalition aufstellen. Die AfD ist außen vor. Einen Anspruch hat die Partei nicht, weil die Kommission nicht im Bundestag, sondern dem Finanzministerium angesiedelt werden soll.
Vollendet werden soll die Runde durch drei „Elder Statesmen“, also erfahrene Politikerinnen und Politiker wie ehemalige Ministerpräsidenten. CDU, CSU und SPD dürfen jeweils eine Person nominieren.
Insgesamt ergibt das 15 Mitglieder. Über die Namen wird bisher nur spekuliert. Das Nachrichtenportal „Table Media“ meldet unter Berufung auf Regierungskreise, dass die SPD den ehemaligen BMF-Staatssekretär Werner Gatzer sowie den gewerkschaftsnahen Ökonomen Sebastian Dullien nominieren wolle.
Ihn haben die Sozialdemokraten zuletzt auch als Sachverständigen im Haushaltsausschuss berufen, als man Experten zum steuerlichen Investitionssofortprogramm angehört hatte. Bestätigt wurden diese Personalien allerdings noch nicht.

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Im Finanzministerium macht Vizekanzler Lars Klingbeil Druck, die Kommission endlich einzusetzen. Schon im Koalitionsvertrag hat man das Zielbild der neuen Schuldenregel formuliert: Man wolle eine Schuldenbremse, „die dauerhaft zusätzliche Investitionen in die Stärkung unseres Landes ermöglicht“.
Denn die Amtszeit des selbst ernannten „Investitionsministers“ Klingbeil endet offiziell nach vier Jahren; auch das Sondervermögen Infrastruktur läuft nach zwölf Jahren aus. Der SPD-Chef will also für die Zeit danach vorsorgen. Seine Argumentation: Dauerhaft mehr Investitionen (auch wenn sie schuldenfinanziert sind) erhöhen das langfristige Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft und übersteigen die Kosten der Neuverschuldung. Die Zinsausgaben werden sich bis 2030 auf 60 Milliarden Euro verdoppeln.
Union hat es nicht eilig
In der Union spürt man dagegen keinen Handlungsdruck. Vielen steckt noch immer die finanzpolitische Kehrtwende nach der Wahl in den Knochen. Bei einer weiteren, gar dauerhaften Aufweichung der Fiskalregeln und noch mehr Schulden dürfte für viele Abgeordnete eine wirklich rote Linie erreicht sein. Zudem ist aus CDU und CSU Unmut darüber zu vernehmen, dass die SPD genauso viele Kommissionsmitglieder stellen darf, obwohl ihre Fraktion nur fast halb so groß ist.
Die Union dürfte für ihre sieben Kandidaten daher vor allem finanzpolitische Hardliner nominieren, um damit ein Gegengewicht zu den acht Mitgliedern zu bilden, die von Parteien links der Mitte ins Rennen geschickt werden. Denn SPD und Grüne plädieren schon lange für eine Aufweichung der Schuldenbremse, die Linke will sie gar ganz abschaffen.
Das Vorhaben könnte daher allein aus inhaltlichen Gründen an den Abgeordneten von CDU und CSU scheitern. Doch auch an politischen. Denn der Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei besteht weiter. Bald zwei Monate nach der Kanzlerwahl haben viele verdrängt, dass Friedrich Merz auch durch Zustimmung der Linken noch am selben Tag eine zweite Chance für eine Kanzlermehrheit erhalten hatte.
Seitdem hat die Union die Wahl von Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek in das Parlamentarischen Kontrollgremium zur Überwachung der Geheimdienste verhindert. Auch Kandidaten für andere Gremien ließ man durchfallen.
Selbst wenn man sich auf Basis der Kommissionsvorschläge in der Koalition und mit der demokratischen Opposition inhaltlich auf eine Reform der Schuldenbremse einigen würde, ist offen, ob die Union mit der Linkspartei stimmen und ihren Unvereinbarkeitsbeschluss damit ein für allemal begraben würde.
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