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Politik: „Königsmörderin“ Nahles vor dem Narrengericht

Berlin/Stockach - In Stockach am Bodensee haben sie ihre eigenen Gepflogenheiten. Am Fastnachtsdonnerstag zum Beispiel, vor Ort „schmotziger Dunschtig“ genannt, laden sich die Stockacher gern einen Spitzenpolitiker ein.

Berlin/Stockach - In Stockach am Bodensee haben sie ihre eigenen Gepflogenheiten. Am Fastnachtsdonnerstag zum Beispiel, vor Ort „schmotziger Dunschtig“ genannt, laden sich die Stockacher gern einen Spitzenpolitiker ein. Den führen sie dann am Strick durch die Altstadt bis zur Jahn-Halle, wo das „Hohe Grobgünstige Narrengericht“ darauf wartet, dem Angeklagten nach altem Brauch den Prozess zu machen. In den letzten Jahren wurden so auch etliche Berliner Übeltäter ihrer gerechten Strafe zugeführt – etwa Friedrich Merz, Angela Merkel oder Guido Westerwelle.

An diesem schmotzigen Dunschtig nun hatte sich die SPD-Vizechefin Andrea Nahles zu verantworten. Die Anklage lautete im Wesentlichen auf dreifachen Königsmord (an Rudolf Scharping, Gerhard Schröder und Franz Müntefering) sowie auf geplanten Königsmord in zwei weiteren Fällen (an Kurt Beck und Frank-Walter Steinmeier).

Es gab eine Zeit, da hätte Nahles das gar nicht witzig gefunden. Es waren die Wochen und Monate nach dem Rücktritt Münteferings vom SPD-Vorsitz im Herbst 2005. Weite Teile der Partei wiesen der Parteilinken die Schuld zu, weil sie sich erdreistet hatte, gegen Münteferings Wunschkandidaten für das Amt des Generalsekretärs anzutreten und auch noch zu gewinnen. Danach geisterte sie als männermordende Hexe, als eine Art schwarze Witwe der SPD, durch die Boulevardpresse und die Albträume männlicher Genossen.

Vorbei, verjährt – ein Fall fürs Narrengericht. Zwei Stunden dauerte die Verhandlung am Donnerstagabend, und Nahles gab die verfolgte Unschuld, wie es von Angeklagten in Stockach erwartet wird. Müntefering? Sei wohlauf und kümmere sich rührend um seine Frau. Schröder? Fühle sich als Handlungsreisender in Sachen Gasprom wohl wie eine „Puschkin-Kirsche in Likör“. Beck und Steinmeier? Kümmerten sich rührend um sie – fast „wie eine Muttersau um ihr rosarotes Ferkelchen“. Das alles ersparte ihr den Schuldspruch nicht. Das Gericht verurteilte sie zur Zahlung von drei Eimern Wein à 60 Liter. Dann überreichten sie ihr noch eine stilisierte Königsmörderin mit blutendem Messer. Die kleine Figur passt auf jeden Schreibtisch. Kann man sich vorstellen, dass sie eines Tages im Kanzleramt stehen wird? Auch wenn das in den Augen mancher Genossen ein ganz und gar närrischer Gedanke sein mag – Andrea Nahles wirkte sehr zufrieden, als die Stockacher Narren witzelten, sie träume von der Kanzlerschaft. has

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