zum Hauptinhalt
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).

© REUTERS/LIESA JOHANNSSEN

Update

„Können nur das Geld ausgeben, das wir haben“ : Merz verteidigt Nein zur Stromsteuersenkung für alle – Söder kündigt Plan zur Entlastung an

Die schwarz-rote Regierung steht unter Erklärungsdruck, warum Verbraucher vorerst nicht entlastet werden. Merz rechtfertigt den Beschluss mit finanziellen Grenzen. Anders klingt CSU-Chef Söder.

Stand:

Die Stromsteuer ist das erste Aufregerthema der neuen Bundesregierung: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat das Nein der Koalition zu einer Stromsteuersenkung für alle mit dem Argument der knappen Kassen verteidigt. Er wies in einer schriftlichen Erklärung darauf hin, dass auch private Haushalte, Handwerker und Mittelständler entlastet würden, wenn auch an anderer Stelle. „Mir ist bewusst, dass im Koalitionsvertrag eine noch höhere Reduzierung in Aussicht gestellt wird. Aber alle Pläne aus dem Koalitionsvertrag stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt“, sagte der CDU-Chef. „Wir können nur das Geld ausgeben, das wir haben. Und wir geben viel Geld aus.“

„Wir wollen die Stromkosten weiter senken, wenn wir dafür den finanziellen Spielraum haben“, versprach Merz. Er betonte aber, dass die Bundesregierung „mit Ehrlichkeit“ handeln wolle. „Unsere öffentlichen Haushalte werden in den nächsten Jahren unter Druck geraten, sie werden viel häufiger von mir das Wort Konsolidierung hören.“

Anders klang zuvor der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU machte einen Fahrplan publik, der so bisher nicht genannt worden war. Nach Worten von Markus Söder sollen bis Anfang 2027 die notwendigen Einsparpotenziale zur Senkung der Stromsteuer für alle von Schwarz-Rot identifiziert werden.

Die schwarz-rote Bundesregierung hatte sich am Mittwochabend nach mehr als fünfstündigen Beratungen im Koalitionsausschuss nicht darauf einigen können, die Stromsteuer für private Verbraucher zu senken, obwohl es im Koalitionsvertrag so angekündigt worden war. Kommen sollen aber Entlastungen über eine Senkung der Strom-Netzentgelte und die Abschaffung der Gasspeicherumlage.

„Das Ziel ist jetzt dann am Ende, die Stromsteuer für alle zu senken“, sagte Söder in München. Es solle nun „bis zum 1. Januar 2027 dann fixiert werden, mit finanziellen Spielräumen, die es noch zu erarbeiten gilt“.

Söder setzt auf Spielräume bei Bürgergeld und Migration

Söder hoffe, dass etwa durch „Maßnahmen, die wir ab diesem Herbst einleiten, bei der Reform Bürgergeld und auch für andere Sozialbereiche“ oder „durch den entsprechenden klaren Richtungswechsel bei der Migration, Summen frei werden, die dann in den Aufschwung investiert werden können“. Die notwendigen Spielräume seien „ja nicht unendlich hoch oder unendlich teuer“.

Auf die Frage, wie sicher die Umsetzung sei, gab sich Söder zuversichtlich: „Das, glaube ich, lässt sich auf der Strecke realisieren. Deswegen würde ich mal sagen, der Wille ist zu 100 Prozent da und das Ergebnis ist sehr, sehr gut möglich.“ Er sei sich „ganz sicher“, dass die Einsparmöglichkeiten bis Anfang 2027 erarbeitet werden könnten und dann wie im Koalitionsvertrag vereinbart auch die Senkung der Stromsteuer für alle machbar sei.

Söder verteidigte zugleich auch den aktuellen Beschluss gegen Kritik. Bereits jetzt sei eine Entlastung vereinbart worden, durch die Senkung der Netzentgelte zum 1. Januar 2026, durch Stromsteuersenkung und auch bei der Gasumlage. „Das heißt, es gibt Entlastung für viele. Nur bei der Stromsteuer geht es in zwei Schwüngen.“

Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, spricht auf einer Veranstaltung.

© dpa/Michael Kappeler

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hatte zuvor um Akzeptanz geworben für das Festhalten an einer zunächst begrenzten Senkung der Stromsteuer und ebenfalls andere Entlastungen auch für private Haushalte herausgestellt. Er wolle die Energiepreise senken, um Arbeitsplätze zu sichern, sagte der Vizekanzler nach Beratungen des Koalitionsausschusses von Union und SPD.

Daher würden in einem ersten Schritt jetzt mehr als 600.000 produzierende Betriebe spürbar entlastet. Aber auch eine Familie zahle künftig bis zu 100 Euro im Jahr weniger.

Klingbeil sieht gute Nachricht für Rentner

„Weitere Schritte sollen folgen, sobald wir die notwendigen finanziellen Spielräume haben“, sagte Klingbeil. „Wir setzen mit allen unseren Maßnahmen auf neues Wachstum, damit die Einnahmen wieder steigen und wir genau diese Spielräume gewinnen.“ Gleichzeitig achte er als Finanzminister darauf, „dass wir solide wirtschaften und verantwortungsvoll mit Steuergeld umgehen“.

Keine Einigung über Stromsteuer-Senkung für alle.

© dpa/Sina Schuldt

Klingbeil hob zudem hervor, dass das Kabinett nun schon Anfang August über den ersten Teil der geplanten Rentenreform entscheiden solle. „Wir halten das Rentenniveau stabil. Außerdem stärken wir die Betriebsrenten.“ Das sei eine gute Nachricht für Millionen Rentnerinnen und Rentner. Die ausgeweitete Mütterrente soll bereits zum 1. Januar 2027 kommen und damit ein Jahr früher als zunächst angenommen.

Verbände kritisieren ausbleibende Stromsteuerentlastung für alle

Sozial- und Wirtschaftsverbände haben die ausbleibende Absenkung der Stromsteuer für alle kritisiert. Die Stromsteuer soll vorerst für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht so stark gesenkt werden wie ursprünglich versprochen. Eine entsprechende Einigung erzielten die Spitzen von Union und SPD bei ihrem zweiten Treffen im Koalitionsausschuss nicht. 

Wenn zentrale, mehrfach zugesagte Entlastungen nicht kommen (...) gerät bei den Betrieben das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit politischen Handelns insgesamt ins Wanken.

Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH)

Im Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Rot versprochen: „Für schnelle Entlastungen um mindestens fünf Cent pro kWh (Kilowattstunde) werden wir in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle so schnell wie möglich auf das europäische Mindestmaß senken und die Übertragungsnetzentgelte reduzieren.“ Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, sprach nach dem Spitzentreffen im Kanzleramt von einem „fatalen Signal“. 

Kritik wegen hoher Lebenshaltungskosten

Engelmeier kritisierte, dass die Koalition die Stromsteuer vorerst nur für die Industrie senken will, aber nicht auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. „Gerade in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten brauchen sie spürbare Entlastungen“, sagte Engelmeier der Deutschen Presse-Agentur.

Wie es in einem Ergebnispapier nach rund fünfstündigen Beratungen bei Kanzler Friedrich Merz (CDU) heißt, sollen weitere Entlastungsschritte zwar folgen – vor allem für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die gesamte Wirtschaft. Aber eine entscheidende Einschränkung nennen die Koalitionäre: Finanzielle Spielräume müssten dafür bestehen.

SoVD-Chefin Engelmeier sagte: „Wenn Bundeskanzler Merz sagt, es gehe nicht mehr, weil das Geld fehle, sei daran erinnert: Klimaschädliche Subventionen wie Diesel- und Dienstwagenprivilegien kosten den Staat jedes Jahr rund 23,5 Milliarden Euro.“ Sie forderte: „Hier könnte man ansetzen, statt erneut die Menschen mit kleinen Einkommen im Stich zu lassen.“

Handwerk wirft Koalition Vertrauensbruch vor

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) warf der Koalition Vertrauensbruch vor. „Die Stromsteuersenkung für alle Betriebe war nicht irgendwo angekündigt, sondern mehrfach und verbindlich schriftlich festgehalten – im Koalitionsvertrag, in Beschlüssen des vorherigen Koalitionsausschusses und im sogenannten Entlastungspaket der Bundesregierung“, sagte Verbandspräsident Jörg Dittrich.

Viele Handwerksbetriebe hätten der Zusage vertraut und sie in ihre Planungen einbezogen. „Wenn zentrale, mehrfach zugesagte Entlastungen nicht kommen, während gleichzeitig teure politische Projekte umgesetzt werden, gerät bei den Betrieben das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit politischen Handelns insgesamt ins Wanken“, sagte er.

Exportverband kritisiert „überflüssige Rentengeschenke“

Harsche Kritik an den Beschlüssen kam auch vom Exportverband BGA. „Für überflüssige Rentengeschenke gibt es genug Geld. Für die signifikante Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleibt zu wenig übrig“, sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA).

„Dass es in der längsten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte immer noch nicht möglich ist, die Stromsteuer für alle Unternehmen abzusenken, ist enttäuschend.“ Alle nicht-industriellen Branchen, darunter der Großhandel, blieben bei den Entlastungen größtenteils außen vor.

Spahn verteidigt Beschluss von Schwarz-Rot

Unionsfraktionschef Jens Spahn hingegen verteidigte den Beschluss des Koalitionsausschusses. „Wir halten an dem gemeinsamen Ziel fest, für alle die Stromkosten deutlich zu senken“, sagte der CDU-Politiker im ARD-Morgenmagazin. Wichtig seien aber auch solide Finanzen.

Spahn verwies darauf, dass private Haushalte zum 1. Januar 2026 entlastet würden über die Senkung der Strom-Netzentgelte und die Abschaffung der Gasspeicherumlage. „Der erste Schritt dieses Versprechens wird gegangen“, sagte er. Sobald es mehr finanzielle Möglichkeiten gebe, folgten die nächsten Schritte, so Spahn, der sich zuvor selbst für deutliche Entlastungen bei den Stromkosten eingesetzt hatte.

Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), schob die Verantwortung für die ausbleibende Absenkung der Stromsteuer Klingbeil zu.

„Es ist vor allem der Job des Finanzministers, das möglich zu machen – und es gibt eine Menge Möglichkeiten“, sagte Wüst dem Nachrichtenmagazin „Politico“. (dpa, Tsp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })