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Die ukrainischen Streitkräfte starten immer mehr erfolgreiche Gegenoffensiven rund um Charkiw.

© Chris McGrath/Getty Images

Konzentration auf Donbass oder Charkiw?: Russland steht in der Ostukraine vor einem Dilemma

Ukrainische Truppen bedrohen offenbar die russische Operationsbasis in Belgorod. Moskau darf diese nicht verlieren – braucht die Streitkräfte aber im Donbass.

Seit knapp zwei Wochen gelingt es den ukrainischen Truppen, immer mehr Vororte von Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, zurückzuerobern. Die Gegenoffensive reicht nun offenbar so weit, dass sich die Ukrainer bis auf zehn Kilometer an die russische Grenze vorgearbeitet haben sollen. Das berichtet eine russische Quelle dem US-Thinktank „Institute for the Study of War“. Wenige Kilometer hinter der Grenze liegt der wichtigste Militärstützpunkt für den Nachschub des Angriffskriegs: die Operationsbasis Belgorod.

Von dort aus schickt Moskau die Konvois mit Soldaten und Kriegsgerät Richtung Isjum los, dem Einfallstor zum Donbass. In Belgorod sammeln sich die Soldaten, die aus dem Großraum Kiew nach der gescheiterten Einnahme zurückgezogen wurden, um das nun vorrangige Ziel des Angriffskrieges in der Ostukraine zu erreichen.

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Sprich: Russland ist auf Belgorod angewiesen, um seine Ziele zu erreichen. Aus Sicht von Experten wäre ein Verlust der Operationsbasis „eine Katastrophe“ für Russland. Deshalb ist es aus ukrainischer Sicht nur logisch, nach den erfolgreichen Gegenoffensiven um Charkiw genau dort ein Ablenkungsmanöver zu starten.

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Für Russland ergibt sich dadurch ein Dilemma: Schließlich bindet eine Reaktion in Form eines Gegenschlags auf den ukrainischen Vorstoß nach Belgorod einige Streitkräfte – die eigentlich im Donbass gebraucht werden. Die angekündigte Großoffensive kommt ohnehin schon nur schleppend voran. Ein Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums berichtete am Dienstagabend, dass Russland im Donbass rund zwei Wochen hinter dem Zeitplan liegt.

Wie das „Institute for the Study of War“ berichtet, sind bereits russische Streitkräfte aus der Region südlich von Isjum Richtung russische Grenze abgezogen worden, um Druck auf die ukrainische Gegenoffensive auszuüben.

Die Offensive von Isjum aus ist dadurch offenbar ins Stocken geraten. Lediglich im Osten und Süden des geplanten Kessels im Donbass, in der Gegend um Sjewjerodonzek und Popasna, macht Russland Fortschritte. Es ist davon auszugehen, dass von dort keine Soldaten abgezogen werden.

Dass die ukrainischen Truppen Russlands Einheiten weit Richtung Grenze zurückdrängen, bedeutet auch, dass die Vororte Charkiws außer Reichweite für russische Artillerieangriffe geraten. Auf der anderen Seite dürften die Ukrainer mittlerweile nicht nur in der Lage sein, größere Teile der russischen Route nach Isjum zu erreichen – sondern auch Belgorod selbst. Schließlich haben Artilleriegeschütze eine Reichweite von bis zu 40 Kilometer.

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Die ukrainische Taktik scheint klar: kleinere Gegenoffensiven starten und russische Truppen binden, um im Juni eine große Offensive zu beginnen. Letztere hatte die ukrainische Regierung in der vergangenen Woche angekündigt.

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Und die Taktik geht nicht nur im Großraum Charkiw auf: Auch in der südukrainischen Hafenstadt Mariupol binden die im Stahlwerk eingekesselten Soldaten weiterhin russische Streitkräfte.

Auch wenn die Gegenwehr dort letztlich wohl gebrochen werden dürfte, hat die Ukraine dadurch Zeit gewonnen. Zeit, die Russland in das Dilemma bringt.

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