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Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, wurde am Freitag in ihrer Wohnung festgenommen.

© AFP/Eric Vidal

Update

Korruptionsskandal erschüttert Brüssel: Das Lob der Vizepräsidentin für Katar erscheint jetzt in einem anderen Licht

Die griechische Politikerin Eva Kaili steht im Zentrum eines Skandals. Dieser stellt die Lobby-Regeln für das EU-Parlament auf den Prüfstand.

Die griechische Politikerin Eva Kaili gehört seit 2014 dem EU-Parlament an. Auch wenn sie vor einem knappen Jahr zur Vizepräsidentin des Parlaments gewählt wurde, blieb die bisherige Vertreterin der sozialdemokratischen Pasok zumindest in der deutschen Öffentlichkeit eine Unbekannte – bis zum Freitag. Kaili gehört zu den fünf Personen, welche die belgische Polizei wegen Korruptionsverdachts in Brüssel festnahm.

Die 44-Jährige, die vor der Übernahme ihres EU-Mandats als Nachrichtensprecherin und PR-Beraterin arbeitete, steht im Fokus einer Affäre, die den Brüsseler EU-Betrieb mächtig erschüttert. Seit Monaten geht die Bundesstaatsanwaltschaft  in Belgien dem Verdacht nach, dass ein Golfstaat versuche, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Dabei seien vermutlich beträchtliche Geldsummen oder Sachgeschenke an Personen im Parlament verteilt worden. Die belgische Zeitung „Le Soir“ berichtete, dass es sich bei dem Golfstaat um Katar handele – den Ausrichter der gegenwärtigen Fußball-WM.

Die deutsche Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini erinnerte auf Twitter daran, dass Kaili im EU-Parlament am 22. November die Fortschritte von Katar in Sachen Demokratie und Menschenrechte gelobt hatte. Die Griechin erklärte damals, dass die Fußballweltmeisterschaft „ein konkreter Beweis“ dafür sei, „wie Sportdiplomatie zu einer historischen Transformation eines Landes führen kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben“. Katar sei „führend bei den Arbeitsrechten“. Cavazzini erklärte, dass sie damals „sehr überrascht“ über diese Aussagen gewesen sei.

600.000
Euro Bargeld wurden bei den Durchsuchungen in Brüssel beschlagnahmt.

Nach Angaben der belgischen Bundesstaatsanwaltschaft fanden am Freitag insgesamt 16 Durchsuchungen in Brüssel statt. Dabei habe die Polizei Datenträger und Mobiltelefone sowie Bargeld in Höhe von rund 600.000 Euro beschlagnahmt. Ermittelt wird demnach wegen „bandenmäßiger Korruption und Geldwäsche“. Die belgische Zeitung „L’Echo“ berichtete, dass Bargeld in großen Mengen in Kailis Wohnung gefunden wurde. Zuvor sei ihr Vater, der ebenfalls eine große Menge Bargeld in einem Koffer mit sich führte, den Ermittlern ins Netz gegangen.

Seit der Vergabe der Fußball-WM an Katar reißen die Diskussionen nicht ab. Menschenrechtsorganisationen werfen dem Land seit Jahren vor, die Menschenrechte Hunderttausender Wanderarbeiter aus Asien und Afrika zu missachten. Als Reaktion darauf setzte Doha Arbeitsrechtsreformen in Kraft. Diese wurden von Gewerkschaften zwar begrüßt, sie fordern jedoch weiterhin eine strengere Durchsetzung der neuen Regeln.

Quer durch alle Parteien ist das Entsetzen im Europaparlament groß. Daniel Freund, der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, warnte, Korruption sei die größte Bedrohung der Demokratie. „Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden“, sagte der Grünen-Politiker.

Das macht mich fassungslos.

Nicola Beer (FDP), Vizepräsidentin des EU-Parlaments

Die deutsche Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer, zeigte sich ebenfalls schockiert. „Das macht mich fassungslos“, sagte die FDP-Politikerin. „Es ist völlig klar, dass das insgesamt negative Auswirkungen auf das Parlament hat.“ Der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten, Jens Geier, forderte die Griechin zum sofortigen Rücktritt vom Amt der Vizepräsidentin auf.

Luxemburgs Außenminister Asselborn fordert Mandatsverzicht

„Es ist sehr enttäuschend, dass im Europaparlament Korruption im Spiel ist“, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn dem Tagesspiegel. „Ich hoffe, dass diese Frau den Anstand hat, ihr Mandat zurückzugeben“, sagte der dienstälteste Außenminister in der EU weiter.

Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament teilte am Samstag mit, dass Eva Kaili ausgeschlossen worden sei. Auch in Athen gab die Pasok-Partei bereits am Freitagabend bekannt, dass die Politikerin „aus der Partei ausgeschlossen“ worden sei.

Unter den vier weiteren festgenommenen Personen ist ein parlamentarischer Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, der zudem der Lebensgefährte von Kaili ist. Zudem wurden der ehemalige sozialdemokratische Europaabgeordnete Pier Antonio Panzeri aus Italien, der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der Italiener Luca Visentini, sowie der ebenfalls aus Italien stammende Chef einer Nichtregierungsorganisation verhaftet.

Der Skandal stößt unter den Brüsseler Abgeordneten eine hitzige Diskussion über bessere Lobby-Regeln an. Das Europaparlament gehöre zu den „transparentesten Europas“, erklärte Daniel Freund angesichts der Festnahmen sichtlich bestürzt – aber offensichtlich müssten diese Regelungen noch einmal deutlich verschärft werden.

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