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Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer Rolle als Verteidigungsministerin Ende September.

© Ina FASSBENDER/AFP

Kramp-Karrenbauer im Interview: „Wir haben verfestigte rechtsextremistische Netzwerke in Deutschland“

Nach dem Anschlag in Halle fordert die CDU-Chefin Prävention und Programme gegen rechts. Außerdem spricht sie über Umbrüche in der CDU. Ein Interview.

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Annegret Kramp-Karrenbauer ist seit Dezember 2018 Bundesvorsitzende der CDU und zudem seit dem 17. Juli 2019 Bundesministerin der Verteidigung.

Wir waren zu einem Gespräch über die CDU und ihre Vorsitzende verabredet, dann trafen die ersten Eilmeldungen über den – wie wir inzwischen wissen – Terroranschlag in Halle ein. Wie muss die Politik jetzt darauf reagieren?
Der rechtsextremistische, antisemitische Terroranschlag von Halle erfordert die volle Härte des Rechtsstaates. Eines ist völlig klar: Jüdische Einrichtungen müssen in Deutschland absoluten Schutz genießen. Deshalb muss neben vielem anderen auch geklärt werden, warum die Synagoge in Halle an diesem hohen jüdischen Feiertag diesen Schutz nicht hatte. Mir geht es dabei aber noch um einen anderen Punkt: Solange jüdische Einrichtungen in Deutschland überhaupt auf diese Weise gesichert werden müssen, so lange haben wir ein echtes Problem. Rechtsextremistische, antisemitische und auch islamistische Netzwerke müssen wir zerschlagen, denn hier wird die menschenverachtende Saat gelegt, die diesen Schutz überhaupt erst nötig macht. Und da haben wir ganz offensichtlich noch eine ganze Menge zu tun – das betrifft Sicherheitsgesetze genauso wie die konsequente und harte Anwendung des bestehenden Rechts.

Zuletzt sollten zivilgesellschaftliche Programme wie „Demokratie leben“ zusammengestrichen werden – braucht es nicht gerade in Ostdeutschland mehr Mittel für den Kampf gegen rechts?
Ganz sicher ist Prävention ein wichtiger Faktor, und wir müssen entsprechende Programme auch angemessen ausstatten. Aber wir müssen ja auch der bitteren Wahrheit ins Gesicht schauen, dass wir ganz offensichtlich verfestigte rechtsextremistische Netzwerke in Deutschland haben, die nicht vor Terror und Gewalt zurückschrecken. Hier wird unser Land und seine freiheitliche Grundordnung von innen angegriffen. Deshalb gilt es diese zu verteidigen. Dazu müssen unsere Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste die richtigen Instrumente in die Hand bekommen wie zum Beispiel längere DNA-Speicherfristen, damit Spuren zur Aufklärung schwerer Straftaten nicht verloren gehen.

Kommen wir zur CDU. Die Parteiwerte sind schlecht, Ihre persönlichen Werte sind sensationell schlecht. Was nun?
Die CDU steht in einer Umbruchphase. Da ist es ganz natürlich, dass wir Diskussionen erleben und auch Unruhe in der Partei. Das war mir immer klar.

Aber was wollen Sie dagegen tun?
Konsequent weiterarbeiten. Wir haben im Frühjahr gesehen, dass wir in einer der großen Zukunftsfragen, der Klimapolitik, nicht sprechfähig waren. Wir haben es über den Sommer geschafft, ein in sich geschlossenes Klimakonzept vorzulegen, gemeinsam mit der CSU. Das war harte Arbeit, auch zum Zukunftsthema Digitalisierung haben wir uns mit der Digitalcharta neu aufgestellt. So muss es weiter gehen. Wir haben viel zu tun, zum Beispiel wollen wir auf unserem Parteitag 2020 ein neues Grundsatzprogramm beschließen.

Das Problem kennt ihr Partner SPD: Zu viel Selbstbeschäftigung.
Das ist notwendige inhaltliche Arbeit. Andere Debatten sind reine Selbstbeschäftigung. Und an der SPD sieht man, dass ein hoher Grad der Selbstbeschäftigung eben nicht unbedingt einher geht mit hohen Umfrageergebnissen.

Die CDU erwartet von ihren Anführern aber Erfolge. Was könnte in nächster Zeit denn ein Erfolg sein?
Die CDU will in der Regierung gestalten. Dazu muss man Wahlen gewinnen. Das heißt, ich muss begeistern. Und dazu brauche ich zuerst mal eine Binnenmotivation. Für mich heißt Erfolg für die CDU aktuell, wieder zu einer Partei zu werden, die mit Blick auf die Gesichter, die Inhalte und die Art, wie wir uns präsentieren, von sich selber sagt: Das macht Lust auf Zukunft. Also, kurz gesagt: Die Partei muss wieder Spaß an sich selbst haben!

Es gibt Menschen, die glauben, dass das Modell Volkspartei sich überlebt hat und dass die Zukunft Bewegungen mit starken Personen an der Spitze gehört – so wie etwa „En Marche“ mit Emmanuel Macron in Frankreich oder die neue, ganz auf Sebastian Kurz ausgerichtete Österreichische Volkspartei.
Es ist unbestritten, dass Volksparteien nicht mehr so selbstverständlich sind wie früher. Aber ich glaube daran, dass sie immer noch das beste Modell sind, gerade in einer immer komplexer und instabiler werdenden Welt. Die sogenannten Bewegungen sind meist auf eine Person fixiert. Was bleibt politisch, wenn diese scheitern? Volksparteien haben immer über die Verbindung von Programm und Personen funktioniert. Viele Menschen hat sicher das Programm der CDU fasziniert, aber eben auch die Person eines Konrad Adenauer, eines Ludwig Erhard, eines Helmut Kohl, einer Angela Merkel. Volksparteien brauchen immer auch entsprechende Gesichter.

Sind Sie das richtige Gesicht?
Ich bin das Gesicht, das der Parteitag gewählt hat. Mir ist die Aufgabe anvertraut worden, die Partei zu führen und weiterzuentwickeln. Dieser Aufgabe stelle ich mich mit voller Kraft.

Viele zweifeln, ob Sie auch das richtige Gesicht für die Kanzlerkandidatur sind. Lehnen Sie deshalb eine Urwahl ab, wie die Junge Union sie diskutiert?
Bisher haben wir uns als CDU immer für das repräsentative System stark gemacht. Das gilt für das Parlament wie für unsere eigene Partei. Wir haben in einigen Landesverbänden Urwahlen durchgeführt – nicht immer mit dem besten Ergebnis für den inneren Zusammenhalt. Wenn die Junge Union auf ihrem Deutschlandtag einen Antrag zur Urwahl beschließt, wird der Bundesparteitag in Leipzig ihn auch debattieren.

Welche Rolle spielt die CSU dabei?
Wir stellen als Union gemeinsam einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin. Beide Schwesterparteien müssen und werden sich auf ein gemeinsames Verfahren verständigen. Die CSU hat sich an der Stelle schon eindeutig positioniert. ... nämlich ablehnend.

Müssen CDU und CSU zusammenhalten: Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder.
Müssen CDU und CSU zusammenhalten: Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder.

© Robert Michael/zb/dpa

Werten Sie den JU-Antrag als persönliche Attacke?

Ich war eine Reihe von Jahren in der Jungen Union aktiv und kenne sie und ihre Debatten daher sehr gut. Ich hoffe allerdings, dass diese Frage die guten inhaltlichen Punkte, die auf dem JU-Deutschlandtag zur Debatte stehen, nicht völlig überlagern wird. Im Übrigen habe ich im letzten Jahr gezeigt, dass ich vor keinem demokratischen Auswahlverfahren Angst haben muss.

Wie würden Sie eigentlich Ihr Verhältnis zu Angela Merkel beschreiben?
Wir stehen im engen Kontakt und tauschen uns regelmäßig aus. Manchmal häufiger als ich es zur Zeit mit meinem Mann tue. Und mit ihm versuche ich das mindestens einmal am Tag.

Sie haben den Grundsatzprogrammprozess angesprochen. Der scheint im Moment eher still zu stehen?
Nein, ganz im Gegenteil, er ist sehr lebendig. Im Moment werden die Leitfragen, die sich aus meiner ersten Zuhörtour noch als Generalsekretärin ergeben haben, in den Gliederungen der Partei und in den Fachausschüssen sehr intensiv behandelt. Auch jedes einzelne Mitglied kann sich über ein Tool daran beteiligen. Wir werden im Dezember ein weiteres Werkstattgespräch zum wichtigen Thema Dienstpflicht abhalten und auf dem Parteitag Debatten-Arenen durchführen. Danach folgt Mitte 2020 auf der Grundlage eines Entwurfes eine Antworttour an der Basis und schließlich wird der Parteitag 2020 ein neues Grundsatzprogramm beschließen.

Ist das nicht auch wieder nur sehr stark Selbstbeschäftigung?
Die inhaltliche Willensbildung einer Partei ist lebenswichtig! Sie dient ihrer programmatischen Erneuerung und Schärfung und ist eine der Kernaufgaben einer Partei. Nehmen Sie unsere Digitalcharta. Das ist ein sehr mutiger und disruptiver Antrag, der ein neues Verständnis von Datensouveränität vorschlägt. Und das Gute daran ist, dass diese Ideen auch auf Fragen zurückgehen, die unsere Mitglieder selbst gestellt haben. Das stellt sicher, dass wir uns nicht auf einer theoretischen Flughöhe ohne Bezug zur Lebenswirklichkeit bewegen. Es ist zugleich ein Beispiel dafür, dass wir nicht einfach immer dieselben Antworten geben können, die wir seit Jahren geben. Wir können eine Schippe mehr Profil gebrauchen.

Neuer Ansatz zum Datenschutz – provoziert das nicht gleich wieder den Widerstand der ganzen Internet-Szene?
Werte und Grundsätze, die wir in der analogen Welt haben, müssen wir natürlich auch ins Digitale transferieren, aber so, dass es dort auch passt. Wenn wir bewundernd nach Finnland und Estland schauen oder auch nur nach Österreich, wo man Familienleistungen durch Online-Antragstellung bekommt – dann heißt das auf der anderen Seite: Die Behörden müssen meine Daten untereinander verknüpfen können, wenn ich dazu mein Einverständnis gebe. Diese und andere Grundfragen müssen wir klären, wenn wir an vielen digitalen Modellen – auch Wirtschaftsmodellen – teilhaben wollen.

Die Klima-Debatte hat gezeigt, wie so etwas schief gehen kann. Das Echo auf das Klimapaket ist verheerend.
Bei so einem komplexen Thema sagen immer die einen, das ist nicht genug, und die anderen empfinden die Maßnahmen für zu stark. Deshalb bleibe ich dabei: Wir brauchen einen nationalen Klimakonsens.

Ist es nicht politisch naiv, den Grünen anzubieten, sie möchten mal bitte einen Konsens mit der Regierung machen bei ihrem großen Erfolgsthema?
Die Grünen werden sich einbringen müssen, spätestens im Bundesrat. Sie müssen sich überlegen: Lassen wir das übliche Verfahren bis zum Vermittlungsausschuss in aller Länge laufen, oder setzt man sich vorher zusammen? Es geht um die Zukunft und um eine Jahrhundertaufgabe, da kann man sich sicher auch als grüne Partei auf ein ungewöhnliches Verfahren einlassen. Die FDP ist jedenfalls bereit dazu.

Haben Sie Robert Habeck schon ins Konrad-Adenauer-Haus eingeladen?
Es laufen im Moment die Kontakte über die Bundestagsfraktionen. Aber natürlich müssen auch die Parteien Gespräche führen.

Noch eine letzte Frage aus aktuellem Anlass, diesmal an die Verteidigungsministerin: Ihr erster sicherheitspolitischer Einsatz war der für die Verlängerung des deutschen Anti-IS-Mandats. Jetzt marschiert die Türkei ins Kurdengebiet im Norden Syriens ein. Kann die Bundeswehr vor Ort bleiben?
Bei den Kurden gibt es das Gefühl: Wir haben gemeinsam gegen den IS gekämpft, und jetzt lässt man uns im Stich. Deshalb ist es so wichtig, dass wir etwa im Nordirak durch die Ausbildungsunterstützung für die kurdischen Peschmerga weiter mithelfen, dass die Terroristen nicht zurückkehren können. Wir erwarten natürlich vom Nato-Partner Türkei, dass er die Region stabilisiert und nicht destabilisiert.

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