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Olaf Scholz und Angela Merkel am Samstag im Gespräch mit Einsatzkräften des Gipfeltreffens.

© Jens Büttner/AFP

Krawalle beim G20-Gipfel: Die deutsche Politik hat in Hamburg versagt

Der G20-Gipfel wurde zum Fiasko. Doch das hat nicht allein Olaf Scholz zu verantworten. Wo war denn bitte die Kanzlerin? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Da muss dann also der Bundespräsident kommen und das Ansehen deutscher Politik retten. Nun kann man platt sagen: Das ist doch seine Aufgabe. Aber nach dem G20-Gipfel der Ungeheuerlichkeiten hätte zuallererst die operative Politik, hätten also die Regierungschefin im Bund und der Regierungschef im Land, Anlass gehabt, mehr zu tun. Sie hätten ganz unbedingt Kompetenz zeigen müssen, Angela Merkel und Olaf Scholz, und zwar in allen Bereichen: in Kommunikation, Empathie, Wertschätzung und praktischer Bewältigung der, sagen wir, Terrorfolgen.

Weil das in dieser Dimension unterblieb, weil die beiden in seltsamer Übereinstimmung geradezu papiern wirkten, wie das Kommuniqué politischen Unverständnisses, musste ganz schnell etwas geschehen. Darum kam einer gerade recht, der Politiker durch und durch ist, der mit Krisen zuhauf zu tun hatte, ob innen oder außen. Hier kann man, nebenbei gesagt, mal sehen, wie gut es ist, wenn ein Bundespräsident weiß, worauf es in der Politik ankommt, zumal in der operativen. Frank-Walter Steinmeier ist ja auch eher ein operativer Politiker.

Die Politik hatte den Mund voll genommen

Die Politik in Deutschland hat Schaden genommen, so wie das Bild von Hamburg. Den Mund hatte sie voll genommen, besonders Olaf Scholz hatte erklärt, dass der Gipfel auch nicht anders als ein Hafengeburtstag sei, dass Hamburg für die Sicherheit garantiere, und wie manche sich nachher wundern würden, dass der Gipfel schon vorbei sei. Heute wundert sich mancher sicher eher, womit es nach dem Gipfel endgültig vorbei sein muss: nämlich der deutschen Selbstgewissheit, als Organisatoren doch eigentlich Weltmeister zu sein.

Denn es war nicht nur Scholz, der glaubte, als ehemaliger Innensenator, als Law-and-Order-Sozialdemokrat werde er das Ding schon schaukeln. Wo war denn der Bund, wo, angesichts des Ranges der Begegnung, die Bundeskanzlerin, die sich interessiert gezeigt hätte? Da findet alle Jahre lang mal ein Ereignis statt, das Deutschland in der Welt repräsentiert, noch dazu in einer Zeit wie dieser, wo ständig irgendetwas dergleichen passiert – doch eine öffentliche Äußerung von Merkel, eine von Bedeutung, ist nicht erinnerlich. Wahrscheinlich nach dem Motto: Wir mischen uns mal nicht ein, der Scholz wird’s schon richten. Und wenn nicht, ist es sein Problem.

Eine Blamage für Hamburg

Nun ist es so. Scholz als Helmut-Schmidt-Reserve für die kommenden Jahre, Vorzeige-Regierungssozialdemokrat und Kanzlerkandidat im Wartestand – das wird jetzt schwierig zu argumentieren. Seine Gegner machen vielmehr schon mobil: Alle Welt setzt Hamburg mit Krawall und staatlichem Versagen gleich, weltweit. Eine Blamage.

Dazu die Häme, dass draußen der Mob tobt und Scholz – mit Merkel – drinnen die Ode an die Freude hört. Oder dass er lieber Melania Trump durch die Gegend führt, anstatt sofort die Opfer zu besuchen. Und dann verspricht Merkel auch noch den Opfern schnelle Entschädigung. Von wegen sozialdemokratische Regierungskunst ... Mund voll genommen, krachend gescheitert – wenn das nicht mal hängen bleibt. Gut, dass da der Präsident kommt.

Zumal es um dieses Zeichen im Namen der Bürger geht: Wir lassen uns die Demokratie nicht nehmen und auch nicht den Raum für demokratische Gepflogenheiten. Dazu gehört übrigens die, nach einem solchen Gipfel der Ungeheuerlichkeiten Rechenschaft zu fordern.

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