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„Russland spätestens 2030 in Lage, Nato anzugreifen“: Deutsche Geheimdienst-Chefs warnen vor zunehmenden russischen Aktivitäten
Der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der militärische Abschirmdienst sehen vermehrt russische Spionage und Sabotage hierzulande. Sie fordern mehr Kompetenzen.
Stand:
Die Chefs aller drei deutschen Geheimdienste warnen vor zunehmenden russischen nachrichtendienstlichen Aktivitäten in Deutschland. Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, hat am Montag in einer Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages vor einer direkten militärischen Bedrohung Russlands gewarnt: „Spätestens Ende dieses Jahrzehnts dürften russische Streitkräfte in der Lage sein, einen Angriff auf die Nato durchzuführen“.
„Der Kreml sieht den Westen und damit auch Deutschland als Gegner“, warnte Kahl: „Wir stehen in einer direkten Auseinandersetzung mit Russland“. Russlands Präsident Wladimir Putin gehe es nicht nur um die Ukraine, sondern „in Wirklichkeit um die Schaffung einer neuen Weltordnung“.
Die russischen Geheimdienste agierten dabei verstärkt mit allen ihren Möglichkeiten „und ohne jeglichen Skrupel“. Eine weitere Lageverschärfung sei „alles andere als unwahrscheinlich“. Schon jetzt hätten die Aktivitäten Moskaus ein bisher ungekanntes Niveau erreicht. „Putin wird “rote Linien’ des Westens austesten“, sagte Kahl.
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„Wir beobachten ein aggressives Agieren der russischen Nachrichtendienste“, bestätigte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, in derselben Anhörung. „Insbesondere nehmen russische Spionage und Sabotage in Deutschland zu, sowohl qualitativ als auch quantitativ“, fügte er hinzu.
Im Zusammenhang mit russischer Sabotage nannte Haldenwang auch die Brandsätze, die vor wenigen Monaten in mehreren Paketen in Europa gefunden worden waren, und sprach von einer „besonders schweren Gefahr“. Im Juli war am Drehkreuz von DHL Express in Leipzig erst ein Paket und dann der ganze Container in Brand geraten. „Es ist nur ein glücklicher Zufall, dass das Paket noch am Boden in Brand geriet und nicht während des Fluges der Maschine“, sagte Haldenwang. Andernfalls wäre es zu einem Flugzeugabsturz gekommen, sagte der BfV-Präsident.
Damit bestätigte er frühere Tagesspiegel-Recherchen, wonach der Vorfall in Leipzig deutlich ernster war als bisher öffentlich bekannt. Nach Informationen des Tagesspiegels hatte die betreffende Maschine Verspätung. Wäre sie pünktlich abgeflogen, hätte sich das Paket während des Fluges entzündet – mit unabsehbaren Folgen.
„Bundeswehr steht dabei im Fokus“
Die Präsidentin des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD), Martina Rosenberg, wies darauf hin, dass die Zahl der Ausspähversuche der sogenannten kritischen Infrastruktur „besorgniserregend“ hoch sei und zu erhöhter Wachsamkeit zwinge.
„Die Bundeswehr steht dabei im Fokus. Sei es, um deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine, Ausbildungsvorhaben oder Rüstungsprojekte aufzuklären, oder um durch Sabotagehandlungen das Gefühl der Unsicherheit zu vermitteln“, sagte Rosenberg.
Alle drei Geheimdienst-Chefs mahnten, dass die Sicherheitsdienste mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet werden müssten, um die Gefahren abwehren zu können. Rosenberg sagte, sie hoffe auf „eine Realitätsanpassung der Gesetzeslage, um unseren Auftrag bestmöglich erfüllen zu können“.
Ähnlich äußerte sich BND-Chef Kahl. Haldenwang sprach von einem nötigen Schulterschluss aller Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden.
Auch die Politik warnt vor Kreml-Spionage
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat vor zunehmenden Gefahren durch russische Geheimdienst-Aktivitäten in Deutschland gewarnt. „Wir sehen, dass Putins Regime immer aggressiver agiert“, sagte Faeser dem Düsseldorfer „Handelsblatt“ vom Montag.
„Unsere Sicherheitsbehörden setzen enorme Ressourcen ein, um unser Land gegen die Bedrohungen durch russische Spionage, Sabotageakte und Cyberangriffe zu schützen“, versicherte Faeser. Diese hätten ihre Wachsamkeit auch bereits unter Beweis gestellt und „konsequent zugeschlagen und mögliche Sprengstoffanschläge im Auftrag des russischen Regimes in Deutschland verhindert, die auf unsere militärische Unterstützung für die Ukraine zielten“, verwies die Ministerin auf frühere Vorfälle.
Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter warnte in diesem Zusammenhang auch vor Gewalttaten: „Sabotage und gezielte Mordanschläge sind deshalb wahrscheinlich“, sagte er ebenfalls dem „Handelsblatt“.
„Unsere Fähigkeiten im Bereich der Spionageabwehr sind nahezu bei null und Sanktionen zur Abschreckung werden nur halbherzig umgesetzt“, kritisierte der CDU-Politiker. Er forderte, die Nachrichtendienste finanziell, personell und materiell zu stärken. (AFP, Reuters, Tsp)
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