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Chinesische Polizisten in der Region Xinjiang.

© picture alliance/dpa/BR/NDR/Daniel Satra

Kurz vor UN-Besuch in Xinjiang: Datenleck liefert neue Beweise für Chinas brutale Internierung von Uiguren

Lagerhaft, Folter, Schießbefehle: Die „Xinjiang Police Files“ sollen zeigen, wie China Uiguren unterdrückt. Die Bundesaußenministerin fordert Aufklärung.

Neue Enthüllungen aus einem Datenleck demonstrieren nach Medienberichten das Ausmaß der Verfolgung und Masseninternierung in der nordwestchinesischen Region Xinjiang. Über die „Xinjiang Police Files“ berichtete am Dienstag ein internationaler Medienverbund, an dem unter anderen das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, der Bayerische Rundfunk, die britische BBC, USA Today und die Zeitung „Le Monde“ beteiligt sind. Chinas Regierung wies die Vorwürfe als „verleumderisch“ zurück.

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Die Veröffentlichung fällt zusammen mit dem kontroversen, laufenden China-Besuch der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet, die auch nach Xinjiang reisen will. Die Unterlagen, tausende Fotos und offizielle Reden bieten nach diesen Berichten einen seltenen Einblick in die Umerziehungslager und Behandlung von Uiguren und anderen Mitgliedern von Minderheiten in Xinjiang.

Der frühere Parteichef Chen Quanguo habe demnach 2018 in einer Rede einen Schießbefehl bei der Flucht von Häftlingen erlassen: „Erst töten, dann melden.“

Die Enthüllungen widersprechen offiziellen chinesischen Beteuerungen, dass es sich bei den Lagern um „Fortbildungseinrichtungen“ handele, die freiwillig besucht würden. Das Datenmaterial war dem Forscher Adrian Zenz zugespielt worden, der an der Washington „Victims of Communism Memorial Foundation“ arbeitet und schon früher mit anderen Veröffentlichungen die Lage in Xinjiang aufgedeckt hatte.

Ein Foto zeige einen Häftling in einem sogenannten „Tigerstuhl“, der seine Arme fixiere und auch zur Folter benutzt werde, berichtete der „Spiegel“. Ein anderes sei von einem Insassen mit freiem Oberkörper, dessen Brust und Rücken „sichtbare Spuren von Gewalteinwirkung“ zeigten. Einem Häftling mit gefesselten Händen und Beinen war auf einem Bild eine schwarze Kapuze über den Kopf gezogen worden.

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Die Bilder von 2018 stammten aus einem Umerziehungslager in Tekes westlich von Ürümqi und seien Teil der mehr als zehn Gigabyte umfassenden Dateien, berichtete der „Spiegel“. Weitere Fotos würden fast 2900 Inhaftierte zeigen: Die Jüngste damals 15 Jahre alt, die Älteste 73 Jahre. Ein 18-Jähriger sei wegen eines zweiwöchigen Trainings in einem Fitnesscenter inhaftiert und „wegen Vorbereitung einer terroristischen Handlung“ zu zwölf Jahren verurteilt worden.

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Chinas Regierung sieht „anti-chinesische Kräfte“ hinter der Veröffentlichung. „Gerüchte und Lügen zu verbreiten, kann die Welt nicht täuschen und die Tatsache nicht verdecken, dass Xinjiang eine friedliche, wohlhabende Gesellschaft und eine blühende Wirtschaft hat, und die Menschen in Frieden und Glück leben und arbeiten“, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin vor der Presse in Peking.

In Xinjiang sind nach Angaben von Menschenrechtlern Hunderttausende in Umerziehungslager gesteckt worden. Chinas Führung wirft Uiguren in der Region Separatismus, Extremismus und Terrorismus vor, während sich die muslimische Minderheit politisch, religiös und kulturell unterdrückt fühlt. Nach ihrer Machtübernahme 1949 hatten die Kommunisten das ehemalige Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt.

Ruf nach neuen Sanktionen gegen China

Der Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu China, Reinhard Bütikofer (Grüne), forderte BR und „Spiegel“ gegenüber neue Sanktionen gegen China. Die „Bilder des Grauens“ müssten dazu führen, dass die Europäische Union klar Stellung beziehe.

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Die Veröffentlichung löste auch in Deutschland scharfe Kritik aus. Die neuen Datenlecks „entlarven die chinesische Propaganda und offenbaren ein Bild des Schreckens“, sagte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Renata Alt (FDP).

[Lesen Sie zudem: Wie China in Xinjiang Muslime verfolgt – „Jede religiöse Neigung missversteht der Staat als Terrorismus“ (T+)]

Das Ziel Chinas sei es, die Kultur, Religion und ethnische Identität der Uiguren auszumerzen. Ein ganzes Volk werde dafür pauschal des Terrorismus beschuldigt. „China muss für diese Gräueltaten zur Rechenschaft gezogen werden“, forderte Alt in Berlin.

Baerbock schockiert

In einer einstündigen Videokonferenz mit ihrem chinesischen Amtskollegen Wang Yi forderte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Dienstag eine transparente Aufklärung der Vorwürfe. Ihr Ministerium sprach von „schockierenden Berichten und neuen Dokumentationen über schwerste Menschenrechtsverletzungen“.

Angesichts der zahlreichen globalen Herausforderungen habe Baerbock im Gespräch mit Wang Yi die Wichtigkeit internationaler Kooperation betont, erklärte der Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Eine solche Zusammenarbeit könne jedoch nur auf der Grundlage der fundamentalen Normen der internationalen Ordnung geschehen, die von allen geachtet und verteidigt werden müssten. Die Menschenrechte seien ein elementarer Bestandteil der internationalen Ordnung, für deren Schutz sich Deutschland weltweit einsetze.

Bei einem Treffen mit der UN-Menschenrechtskommissarin Bachelet am Vortag in Guangzhou in Südchina lobte hingegen Außenminister Wang Yi die Bemühungen seines Landes zum Schutz der Menschenrechte. China habe den Schutz der Rechte ethnischer Minderheiten „zu einem wichtigen Teil seiner Arbeit gemacht“, zitierte ihn das Ministerium.

Die chinesische Botschaft in den USA erklärte demnach, die Maßnahmen in Xinjiang richteten sich gegen terroristische Bestrebungen, es gehe nicht um „Menschenrechte oder eine Religion“. UN-Menschenrechtskommissarin Bachelet wird voraussichtlich am Dienstag und Mittwoch die Städte Urumqi und Kashgar in Xinjiang besuchen. (AFP, dpa)

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