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Im Fernsehen rufen die Putschisten einen neuen Machthaber aus.

© REUTERS / RADIO TELEVISION BURKINA FASO

Update

Aufenthaltsort unklar: Burkina Fasos gestürzter Präsident Damiba gibt nach Militärputsch auf

Der erst vor acht Monaten eingesetzte Machthaber Damiba ist von den eigenen Militärs abgesetzt worden. Als Begründung wurde die „Verschlechterung der Sicherheitslage“ genannt.

| Update:

Nach dem erneuten Militärputsch im westafrikanischen Burkina Faso hat der gestürzte Präsident Paul-Henri Sandaogo Damiba am Sonntag offiziell auf sein Amt verzichtet. Er wolle damit Zusammenstöße im Land vermeiden, sagten Vertreter einer Vermittlungsmission am Sonntag vor Journalisten.

Der neue Machthaber Ibrahima Traoré haben ihm dafür volle Sicherheit und Schutz vor Strafverfolgung zugesagt, erklärten die Vertreter verschiedener Volksgruppen und Religionsgemeinschaften. Weder Traoré noch der gestürzte Damiba waren bei der Pressekonferenz anwesend. Wo sich Damiba aufhielt, blieb weiter unklar. Traoré ließ am Sonntag eine Mitteilung im nationalen Fernsehsender RTB verlesen, wonach die Situation in Burkina Faso nun unter Kontrolle sei und sich normalisiere. Der Hauptmann rief die Bevölkerung auf, friedlich zu bleiben. Besonders warnte er vor Gewalt und Vandalismus gegenüber französischen Institutionen. 

Am Sonntag waren französische Einrichtungen Ziel teils gewalttätiger Proteste geworden. Mehrere Dutzend Unterstützer des neuen Junta-Chefs bewarfen am Sonntag die französische Botschaft in der Hauptstadt Ouagadougou mit Steinen und steckten Barrieren vor dem Gebäude in Brand, wie ein AFP-Reporter berichtete.

Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Demonstranten zu vertreiben. Auf dem Dach der Botschaft waren französische Soldaten postiert. Für den Putsch verantwortliche Offiziere hatten dem bisherigen Junta-Chef Paul-Henri Sandaogo Damiba vorgeworfen, sich in einer Militärbasis der früheren Kolonialmacht Frankreich versteckt zu halten, um eine „Gegenoffensive“ zu planen.

In Onlinenetzwerken kursierten Gerüchte, Frankreich gewähre Damiba Schutz. Das französische Außenministerium verurteilte die „Gewalt gegen unsere Botschaft aufs Schärfste“ und machte „feindliche Demonstranten, manipuliert von einer Desinformationskampagne,“ verantwortlich.

Auch am Samstag hatte es einen Brand vor der Botschaft und einen Angriff auf das Institut français in Ouagadougou gegeben. Das französische Außenministerium empfahl den rund 4.000 bis 5.000 Franzosen im Land, vorerst ihr Zuhause nicht zu verlassen.

An der Spitze steht nun ein Hauptmann

In dem westafrikanischen Land hatte das Militär am Freitag acht Monate nach dem letzten Staatsstreich erneut geputscht. Der bisherige Präsident, Oberstleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba, sei seiner Funktionen enthoben worden, hieß es laut lokaler Medienberichte in einer Fernsehansprache der neuen Machthaber im staatlichen Fernsehen RTB am Freitagabend.

An der Spitze Burkina Fasos stehe nun Hauptmann Ibrahima Traoré von den burkinischen Streitkräften, hieß es weiter. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) verurteilte den Putsch, die EU und die USA äußerten sich besorgt.

Die rebellierenden Militärs verlasen am Freitagabend in der Hauptstadt Ouagadougou eine Erklärung im nationalen Fernsehen, wonach Damiba von seinen Ämtern entbunden wurde. Sie verhängten eine nächtliche Ausgangssperre bis 5.00 Uhr und veranlassten die Schließung der Landesgrenzen ab Mitternacht. Die Regierung und das Übergangsparlament wurden aufgelöst.

Eigentlich wollte das Militär für mehr Sicherheit sorgen

Zuvor am Tag waren Schüsse am Amtssitz des Juntachefs zu hören gewesen. Als Begründung für die Entmachtung Damibas nannten die Rebellen „die kontinuierliche Verschlechterung der Sicherheitslage“ im Land.

Damiba war erst Ende Januar durch einen Putsch gegen den gewählten Präsidenten Roch Marc Christian Kaboré an die Macht gekommen. Nach eigenen Angaben wollten die Soldaten für mehr Sicherheit sorgen.

Er hatte angekündigt, die Sicherheit in dem seit Jahren von Angriffen durch Dschihadisten erschütterten Land zu seiner Priorität zu machen. Die von Damiba angeführte Militärregierung konnte die Lage allerdings nicht beruhigen. Vielmehr nahmen die dschihadistischen Angriffe in den vergangenen Monaten zu, vor allem im Norden des Landes.

Oberstleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba, Präsident von Burkina Faso, bei seiner Amtseinführung als Übergangspräsident in Ouagadougou am 2. März 2022.
Oberstleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba, Präsident von Burkina Faso, bei seiner Amtseinführung als Übergangspräsident in Ouagadougou am 2. März 2022.

© Foto: AFP/OLYMPIA DE MAISMONT

Das „gemeinsame Ideal“, auf das sie sich verständigt hätten, sei von „unserem Anführer, dem wir voll und ganz vertraut haben, verraten worden“, hieß es in der Erklärung weiter. Dereinst friedliche Regionen des Landes stünden heute „unter terroristischer Kontrolle“.

Über den Verbleib des entmachteten Junta-Chefs wurde zunächst nichts bekannt. Der neue Machthaber, der 34-jährige Offizier Traoré, befehligte bisher die Spezialeinheit „Cobra“ in der nördlichen Region Kaya, die dort gegen dschihadistische Milizen im Einsatz war.

Erste Reaktionen aus Europa und Amerika

International wurde der erneute Putsch scharf verurteilt. UN-Generalsekretär António Guterres sei „tief beunruhigt“ über die Entwicklungen in dem westafrikanischen Land und verurteile jeglichen Versuch, mit Waffengewalt die Macht zu übernehmen, teilte sein Sprecher Stéphane Dujarric in New York mit.

Die EU rief dazu auf, den Plan zur Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung einzuhalten. Auch die Afrikanische Union und die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas kritisierten die Machtergreifung der Militärs.

Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt. Wie auch in den Nachbarländern Mali und Niger verüben islamistische Gruppen in Burkina Faso immer wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte und attackieren staatliche Einrichtungen.

Die Vereinten Nationen verurteilten den erneuten Putsch vom Freitag. Auch die EU, die Afrikanische Union sowie die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) bedauerten den Staatsstreich und forderten, wie vorgesehen spätestens im Juli 2024 zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückzukehren.

Einfluss Russlands hat zugenommen

Am Freitagnachmittag waren auf dem Platz der Nation in Ouagadougou hunderte Demonstranten zu sehen, von denen einige die russische Flagge schwenkten und eine engere Zusammenarbeit mit Russland forderten. 

Der Einfluss Moskaus hat in mehreren frankophonen Ländern der Region in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Den Militärmachthabern in Mali wirft der Westen vor, eng mit der berüchtigten russischen Söldnergruppe Wagner zusammenzuarbeiten.

Westafrika: Fünf Putsche seit 2020

Seit 2020 wurde in westafrikanischen Staaten nunmehr fünfmal geputscht: zweimal in Burkina Faso, zweimal in Mali und einmal in Guinea. Die Ecowas-Staaten verurteilten die Machtübernahme durch die rebellierenden Militärs „auf das Schärfste“.

Der Putsch komme zur Unzeit, da gerade Fortschritte hin auf dem Weg zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung erzielt worden seien. Die Mitgliedschaft Burkina Fasos im Ecowas-Verbund war mit dem Putsch vom Januar ausgesetzt worden.

Die politische und humanitäre Lage in Burkina Faso mit rund 21 Millionen Einwohnern ist seit Jahren instabil. Bewaffnete Gruppen, von denen einige der Terrorgruppe Islamischer Staat oder dem Terrornetzwerk Al-Kaida angehören, sind dort sowie in den Nachbarstaaten Mali und Niger aktiv.

Auch lang anhaltende Dürren und Hungerkrisen machen dem trotz reicher Goldvorkommen verarmten Land zu schaffen. (AFP, dpa)

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