
© dpa/Patrick Pleul
Lars Klingbeil und sein Haushaltsplan: Spart der Finanzminister jetzt beim Klimaschutz?
Minister Klingbeil muss einerseits Milliarden investieren und andererseits massiv sparen. Nicht nur Grüne befürchten, dass er Letzteres jetzt beim Klimaschutz tun könnten.
- Niklas Illenseer
- Achim Truger
- Roda Verheyen
Stand:
Als Friedrich Merz sich im Frühjahr die Finanzen für seine künftige Kanzlerschaft per Grundgesetzänderung noch durch den alten Bundestag sichern ließ, brauchte er dazu die Grünen. Die machten zur Bedingung: Die 500 Milliarden Sondervermögen dürfen nur für zusätzliche Investitionen ausgegeben werden, also erstmal muss immer eine bestimmte Quote aus dem Kernhaushalt investiert werden.
100 der 500 Milliarden Euro, so eine weitere Bedingung, sollten zudem in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen, für zusätzliche Investitionen in Klimaschutz und Energiewende. Gerade machen sich aber nicht nur die Grünen Sorgen, dass SPD-Finanzminister Lars Klingbeil stattdessen jetzt beim Klimaschutz sparen könnte.
Grund ist ein Rundschreiben des Finanzministeriums an die obersten Bundesbehörden. Daraus geht hervor, dass das Ministerium im Haushalt 2025 Titel aus den Etats des Wirtschafts-, des Verkehrs- sowie des Forschungsministeriums in den Klimafonds KTF verschieben und dafür Mittel in diesen Ressorts entsprechend kürzen will, im Raum steht zudem die Frage, ob die Senkung der Strompreise aus dem Sondervermögen finanziert werden könnte.
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Das Finanzministerium wiederum versichert, einen solchen Verschiebebahnhof werde es nicht geben, und kündigt „Rekordinvestitionen“ noch für 2025 an. Wie die Pläne aber konkret aussehen, ist nicht bekannt. Wir haben deshalb drei Experten gefragt, ob aus ihrer Sicht Lars Klingbeil jetzt beim Klimaschutz zu sparen droht – und was der Minister tun sollte. Alle Folgen der Rubrik 3:1 finden Sie hier.
Lars Klingbeil in der Zwickmühle
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil steckt in einer Zwickmühle: Einerseits soll das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz für zusätzliche Investitionen verwendet werden. Andererseits hat ihm sein Vorvorgänger im Amt, Christian Lindner, durch sein Beharren auf Steuersenkungen und Einhaltung der Schuldenbremse einen Trümmerhaufen an Haushaltslöchern hinterlassen.
So ist es politisch nachvollziehbar, dass Lars Klingbeil einen Teil der 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen, die für den KTF vorgesehen sind, nutzt, um Spielräume im Kernhaushalt zu schaffen. Der Schaden scheint auch nicht riesig, denn angeblich sind die verschobenen Summen gering.
Dennoch: Die vom Sondervermögen erhofften Wirkungen für die Modernisierung der Volkswirtschaft, den Klimaschutz und die wirtschaftliche Erholung gibt es nur, wenn die Mittel für zusätzliche zukunftsgerichtete Ausgaben eingesetzt werden. Eine Zweckentfremdung der Mittel, womöglich noch zur Finanzierung zweifelhafter Vorhaben wie die Senkung der Gastromehrwertsteuer, sind dagegen kontraproduktiv.
Nach einem internen Schreiben des Finanzministeriums steht die Frage im Raum, ob Lars Klingbeil trotz des mithilfe der Grünen beschlossenen Sondervermögens im nächsten Haushalt weniger Geld für Klimaschutz einplant. Rechtlich ginge das nicht auf.
Öffentliche Klimaschutzinvestitionen sind auf Grundlage des Karlsruher Beschlusses von 2021 verfassungsrechtlich geboten. Laut Expertenrat für Klimafragen braucht es mindestens 0,7 Prozent des BIP pro Jahr, um das Klimaschutzgebot des Art 20a Grundgesetz zu erfüllen und Deutschland zur Klimaneutralität 2045 zu führen. Das steht aber nicht im Schreiben des Ministeriums.
Verfassungsrechtlich stellt sich ein zweites Problem: die konkrete Ausgestaltung des Sondervermögens. Zum Beispiel darf daraus keine Strompreissenkung gespeist werden, sie stellt keine „Investition“ dar. Vor allem aber bräche der Plan mit dem Beschluss, die 500 Milliarden „zusätzlich“ einzusetzen – auch auf Ebene des Klima- und Transformationsfonds. Es wäre verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, flösse nach der Grundgesetzänderung im März weniger Geld gegenüber dem Durchschnitt der letzten Jahre in konkrete Klimaschutzmaßnahmen.
Der Klima- und Transformationsfonds ist ein Sondervermögen der Bundesregierung zur Finanzierung von Klimaschutz und Energiewende. Doch jetzt droht er zum Sammelbecken für Klimamaßnahmen aus dem Kernhaushalt zu werden. Um dort Spielräume für andere Posten zu schaffen? Das wäre ein Problem, das Sondervermögen sollte eigentlich genau das verhindern.
Denn ohne langfristige Planung bleibt Klimaschutz Stückwerk. Wer ihn ernst meint, muss ihn dauerhaft finanzieren, mit klaren Prioritäten. Doch wenn der KTF zum Ausweichmechanismus wird, könnten die Pläne von Lars Klingbeil das Gegenteil bewirken: Flickschusterei statt verlässlicher Finanzierung, verwässerte Maßnahmen, stockende Transformation. Das wäre fatal, für die Klimaziele und für den zukunftsfesten Umbau unserer Wirtschaft.
Sofern Brüssel mitspielt – die EU bestimmt die effektive Schuldengrenze –, verschafft das im März beschlossene Sondervermögen notwendigen fiskalischen Spielraum. Damit will die Bundesregierung zuvor getroffene Sparpläne im KTF auflösen. Das ist gut so. Dazu hätte sie nun die Chance, Klimaschutz nicht länger an der Marge zu betreiben, sondern konsequent umzusetzen.
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