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Politik: Lebenslang für SS-Männer

Prozess um Massaker an italienischen Zivilisten

Rom - 61 Jahre nach dem Massaker der deutschen SS an mehr als 500 Einwohnern des toskanischen Dorfes Sant’Anna di Stazzema hat ein Militärgericht am Mittwoch zehn SS-Männer zu lebenslanger Haft verurteilt. Zuvor hatte der italienische Staatsanwalt Marco De Paolis in seinem Schlussplädoyer vor dem Gericht in La Spezia gesagt, die Angeklagten hätten sich für die Teilnahme an den Tötungen entschieden und nicht bloß Befehle befolgt. Der Prozess wurde in Abwesenheit der ehemaligen SS-Angehörigen geführt.

Das Dorf Sant’Anna di Stazzema wurde im August 1944 von rund 300 SS-Männern umstellt, die nach Partisanen suchten. Die SS-Leute metzelten nieder, wen immer sie erwischten: Frauen, Kinder, alte Leute. Sie warfen Handgranaten in Ställe und Scheunen, wo sich Dorfbewohner und Kriegsflüchtlinge aus anderen Teilen Italiens versteckt hielten; auf dem Kirchplatz schossen sie mehr als 130 kniende, betende Menschen und den verzweifelt verhandelnden Pfarrer zusammen, dann rissen sie die Bänke aus dem Gotteshaus, häuften sie auf die Leichen, gossen Benzin darüber und zündeten alles an.

560 Tote zählte man schließlich, jedenfalls, soweit man die verkohlten Kadaver noch zählen konnte. Zehn Jahre später gab es einen Prozess gegen den SS-Schlächter Walter Reder, dem man viele Gräueltaten an italienischen Zivilisten beweisen konnte, jene von Sant’Anna allerdings nicht, und dann schlief die Sache ein. Juristisch aufgearbeitet wurde das Massaker, eines der größten Kriegsverbrechen der Deutschen in Italien, erst jetzt. Im Juli 2004 hat der Prozess vor dem Militärtribunal in La Spezia begonnen. Es waren, sechs Jahrzehnte nach jenem Massenmord, nicht mehr viele, die man zur Rechenschaft ziehen konnte. Journalisten, Historiker und die vereint arbeitenden Staatsanwälte in Deutschland und Italien hatten es gerade noch geschafft, zehn Verantwortliche ausfindig zu machen. Alle – Angehörige der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer SS“, 35. Regiment – sind heute um die 85 Jahre alt. Zum Prozess und zum Urteil in La Spezia ist keiner erschienen.

Ausliefern kann die Bundesrepublik sie nicht, aber die Staatsanwaltschaft in Stuttgart bekräftigt, sie ermittle auch in Deutschland gegen die Verdächtigen weiter. Von diesen hatten fast alle bei ihren Vernehmungen erklärt, sie seien entweder „niemals in Sant’Anna gewesen“ oder sie könnten sich „an nichts“ erinnern.

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