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Dem Rechtspopulisten Matteo Salvini droht der Verlust der Immunität.

© Andreas Solaro/AFP

Inszenierung als Märtyrer: Lega-Chef Salvini droht der Prozess

Dem Rechtspopulisten Salvini wird Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Er nutzt das im Wahlkampf.

In den vergangenen Tagen hat sich Matteo Salvini für seine Wahlkampfauftritte eine neue Geste ausgedacht. Er streckt die Arme aus und kreuzt sie auf der Höhe der Handgelenke. Es handelt sich um die symbolische Aufforderung, ihm Handschellen anzulegen. Am Montag wiederholte er dies gleich mehrfach, denn im Senat sollte die zuständige Kommission über die Aufhebung der parlamentarischen Immunität des Senators und ehemaligen Innenministers entscheiden. Dem Lega-Chef wird bereits zum zweiten Mal vorgeworfen, sich mit der gegen die Seenotretter gerichteten „Politik der geschlossenen Häfen“ strafbar gemacht zu haben.

Das für die Behandlung von Delikten von Regierungsmitgliedern jeweils ad hoc geschaffene Ministertribunal legt Salvini Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch zur Last. Die Begründung: Ende Juli 2019 hatte der Innenminister 131 Flüchtlinge an Bord des Küstenwache-Schiffs „Gregoretti“ während fünf Tagen nicht an Land gehen lassen, um auf EU-Ebene eine Verteilung der Migranten zu erzwingen. Die Maßnahme sei unnötig gewesen, habe internationales Recht verletzt und sei „aus rein politischen Motiven“ erfolgt, schrieb das Ministertribunal im Dezember.

Zunächst hatte sich Salvini gegen die Aufhebung der Immunität gewehrt: „Die Linke will mich durch einen politischen Schauprozess aus dem Verkehr ziehen, weil sie mich bei Wahlen nicht schlagen kann – aber Millionen von Italienern stehen hinter mir“, behauptete er. Dann merkte der Chef der rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Lega, dass der drohende Prozess im Hinblick auf die am kommenden Wochenende stattfindenden Regionalwahlen in der Emilia-Romagna und in Kalabrien willkommene Munition sein würde. Seither gebärdet er sich als künftiger Märtyrer. „Sollen sie mir doch diesen Prozess machen: Ich habe nur die Sicherheit, die Grenzen und die Ehre dieses Landes verteidigt – und ich würde es jederzeit wieder tun“, erklärt Salvini täglich.

Taktische Wende der Grillini

Der Chef der sozialdemokratischen Regierungspartei PD, Nicola Zingaretti, wirft Oppositionsführer Salvini vor, aus einem Strafverfahren gegen ihn politisches Kapital schlagen zu wollen. Der Vorwurf mag zutreffen. Aber die Regierungsparteien – neben dem PD insbesondere die Fünf-Sterne-Protestbewegung – machen es ihm leicht. Besonders widersprüchlich und opportunistisch verhielt sich die Protestbewegung von Außenminister Luigi Di Maio. Als Salvini im Jahr 2018 in Zusammenhang mit einem anderen Rettungsschiff – der „Diciotti“ – schon einmal die gleichen Delikte vorgeworfen wurden, hatten die „Grillini“ noch gegen die Aufhebung der Immunität gestimmt. Da war Salvini noch ihr Regierungspartner. Jetzt, wo Salvini in der Opposition sitzt, wird die Protestbewegung für die Aufhebung der Immunität stimmen – mit der fadenscheinigen Begründung, dass das Festhalten der Flüchtlinge auf der „Diciotti“ ein gemeinsamer Regierungsentscheid gewesen sei, während es sich bei der „Gregoretti“ um einen Alleingang Salvinis gehandelt habe.

Salvini bezeichnet die Haltung von Protestbewegung und PD als „jämmerlich und ohne Würde“. Der Entscheid der Kommission, der lediglich eine Empfehlung darstellt, stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch aus. Die Abstimmung, die definitiv über die Aufhebung der Immunität entscheidet, ist erst im Februar geplant.

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