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Elmar Brähler (l) und Oliver Decker stellen die „Leipziger Autoritarismus-Studie 2022“ vor. Foto: dpa/Kay Nietfeld

© dpa / Kay Nietfeld

Leipziger Studie zu Rechtsextremismus: Bürger zufrieden mit Demokratie - Muslimfeindschaft nimmt aber stark zu

Die Leipziger Autoritarismus-Studie zeigt, dass rechtsextreme Einstellungen vor allem in Ostdeutschland abnehmen, Sexismus und Rassismus aber steigen.

Der Anteil der Menschen, die mit der verfassungsmäßigen Demokratie in Deutschland zufrieden sind, ist offenbar gestiegen. Laut der repräsentativen Leipziger Autoritarismus-Studie, die alle zwei Jahre die Einstellungen der Deutschen insbesondere in Bezug auf Rechtsextremismus untersucht, sind 82 Prozent der Bürgerinnen und Bürger zufrieden mit der Demokratie, wie sie in der Verfassung vorgesehen ist. Insbesondere in Ostdeutschland ist der Wert gestiegen, von 65 Prozent im Jahr 2020 auf 90 Prozent im Jahr 2022.

Größere Unzufriedenheit gibt es demnach mit der gelebten Demokratie und den Beteiligungsmöglichkeiten. In Ostdeutschland geben 53,5 Prozent der Menschen an, mit der „Demokratie, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert“ zufrieden zu sein, in Westdeutschland sind es 58,8 Prozent der Befragten. Über die Zeit ist die Zufriedenheit mit der Alltagsdemokratie in Deutschland laut der Studie gewachsen, im Jahr 2006 lag die bundesweite Zustimmung noch bei 46,5 Prozent.

Weniger Menschen mit „geschlossen rechtsextremen Weltbild“

Der Anteil der Menschen, die ein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben, ist bundesweit auf 2,7 Prozent gesunken, es ist der niedrigste Wert, den die Studie jemals erfasst hat. In Ostdeutschland hatten 2020 noch 9,5 Prozent ein geschlossen rechtsextremes Weltbild, nun sind es noch 2,1 Prozent der Befragten.

Was wachse, sei die Themenbreite, mit der Rechtsextreme in die Gesellschaft hineinwirken könnten, sagte einer der Studien-Autoren, Oliver Decker, Professor am Kompetenzzentrum Rechtsextremismus an der Universität Leipzig. Zudem nehme die Polarisierung zu. „Dabei spielt das Internet eine zentrale Rolle“, sagte er. Innerhalb der Filterblasen im Internet spiele die Abwertung anderer oft eine große Rolle, das sei in der Logik des Internets „strukturell angelegt“, sagte Decker.

Antisemitismus ist nach wie vor weit verbreitet

Gleichzeitig nehmen auch Antifeminismus, Ausländerfeindlichkeit, und der Hass auf Sinti und Roma in der Gesellschaft zu. Antisemitismus ist ebenfalls nach wie vor weit verbreitet. 28,8 Prozent der Befragten stimmen der Aussage „auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß“ überwiegend oder voll und ganz zu.

Insbesondere der sogenannte „Schuldabwehrantisemitismus“, ein spezifisch deutscher Antisemitismus in Bezug auf den Holocaust, ist weiter auf hohem Niveau. 61 Prozent der Befragten stimmen der Äußerung zu, man solle sich „lieber gegenwärtigen Problemen“ als der Erinnerung der Shoa widmen.

Sexismus in der Gesellschaft nimmt zu

Sehr hoch ist die Muslimfeindschaft in Ostdeutschland. 46,6 Prozent der Befragten in Ostdeutschland stimmen demnach der Aussage „Muslimen soll die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“ zu. In Westdeutschland sind es 23,6 Prozent. Ebenfalls sehr hoch ist der Antiziganismus in Ostdeutschland. 54,9 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu: „Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten.“

Auch sexistische Einstellungen sind weiter verbreitet als 2020. 23,5 Prozent der Befragten finden, durch Feminismus werde die „gesellschaftliche Harmonie und Ordnung“ gestört. Zudem finden 26,9 Prozent der Befragten, Frauen sollten sich wieder stärker auf ihre Rolle „als Ehefrau und Mutter“ besinnen. 2020 hatten 19,4 Prozent der Aussagen zugestimmt.

Die Autoren erklären sich den scheinbaren Gegensatz zwischen der höheren Zustimmung zur verfassungsmäßigen Demokratie und dem Anstieg des Hasses auf Minderheiten und Frauen mit den multiplen Krisen, insbesondere den klaren Ansagen der Regierung während der Corona-Pandemie. Damit würden „autoritäre Bedürfnisse befriedigt“, sagte Decker. Das schaffe Sicherheit. Die Gruppenidentifikation würde gestärkt, der Hass auf andere als fremd wahrgenommene Gruppen steige.

Besonders gefährlich findet sein Kollege Elmar Brähler die Zunahme der sexistischen und homofeindlichen Einstellungen in der Gesellschaft. In den letzten Jahrzehnten sei insbesondere für Frauen viel erreicht worden. Jetzt gebe es Befürchtungen, dass „Entwicklungen zurückgedreht werden könnten“. Es gebe in diesem Bereich Strömungen, die er für „sehr gefährlich“ halte.  

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