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Meißen bei Dresden. Am 10. Dezember, dem "Tag der Menschenrechte", soll es in der Stadt eine Lichterkette für Weltoffenheit geben

© Sebastian Kahnert/dpa

Lichterkette in Meißen: Nazis wollen Demo für Weltoffenheit kapern

Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft, Anti-Asyl-Demos, eine unentschiedene CDU - der Ruf Meißens ist beschädigt. Kann eine Lichterkette das ändern?

Von Matthias Meisner

Es ist ein breit getragener Aufruf: Kirchenvertreter, Unternehmer, Lehrer und Schüler, ehemalige Einwohner, Politiker von SPD, Grünen, Linkspartei, Piraten und CDU, darunter Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der seinen Wahlkreis in Meißen hat. Sie alle fordern ein "friedliches und menschliches Miteinander" - und wollen das am 10. Dezember mit einer Lichterkette zum Ausdruck bringen, nicht zufällig geplant für den "Tag der Menschenrechte".

Es ist eine, mindestens, gut gemeinte Aktion. Meißen stehe, heißt es im Aufruf zur Demonstration, wie viele andere deutsche Kommunen "vor der großen Aufgabe, einer Vielzahl asylsuchender Menschen verschiedener Nationalitäten eine neue Heimat zu bieten und jene Menschen, denen das Recht zu bleiben zugesprochen wurde, in unser Gemeinwesen zu integrieren".

Viele engagierte Bürger hätten sich bereits in den vergangenen Monaten in diesem Sinne engagiert "und somit den Weg geebnet, ein friedliches Miteinander aller Menschen in Meißen zu ermöglichen". In Anspielung auf den Brandanschlag Ende Juni auf eine kurz vor dem Bezug stehende Flüchtlingsunterkunft in der Rauhentalstraße und die wöchentlichen Anti-Asyl-Demonstrationen der rechtsextremistischen "Initiative Heimatschutz" heißt es aber auch, leider sei "dieses wertvolle Engagement in den vergangenen Wochen real und medial von ,dunklen Bildern' überschattet und der Ruf unserer Stadt stark beschädigt." Einwohner und schutzsuchende Asylbewerber seien verunsichert, "Gäste bleiben fern".

Doch lässt sich mit einer Lichterkette tatsächlich belegen, dass Meißen eine friedliche, tolerante und weltoffene Stadt ist? Der Aufruf der Bürgerinitiative "Miteinander in Meißen" war Ende vergangener Woche kaum veröffentlicht, da passierte etwas Merkwürdiges. Die Anti-Asyl-"Initiative Heimatschutz" teilte ihn auf ihrer Facebook-Seite - als ob sich die Demonstration gar nicht gegen sie richte. Sie tat damit so, als ob sie mitten im gesellschaftlichen Leben der Stadt stehe.

Tatsächlich haben viele in Meißen lange vermieden, die "Initiative Heimatschutz" auszugrenzen - obwohl die von Rechtsextremisten gesteuert wird. Die Initiative teilte im Netz den Aufruf der bekannten Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck zu einer Pegida-Demonstration. Sie bedrohte Kritiker, nennt Flüchtlinge "Invasoren". Sie schmückte sich mit dem Lob der rechtsextremen Kleinpartei "Pro Deutschland", als diese ihr "Durchhaltewillen" und "langen Atem" gewünscht hatte.

Die "Sächsische Zeitung" zitierte aus einem Facebook-Eintrag von "Heimatschutz-Mitinitiatorin Nancy Kanzok, in dem diese an die Adresse von Politikern und Journalisten erklärt: "Diese hirnlose Brigade muss vertrieben werden mit aller Härte, eher gibt's keine Ruhe und keinen Frieden auf diesem Planeten". Zu Flüchtlingsunterkünften habe Kanzok - in originaler Schreibung - geäußert: "Kammerjäger rein und das Ungeziefer raus... aber so desinfiziert das die nie weder auftauchen."

Im Oktober behauptete die "Initiative Heimatschutz" auf Facebook, ein 14-jähriges Mädchen sei in Meißen von Asylanten vergewaltigt worden, wie die "Sächsische Zeitung" in einem anderen Bericht schrieb. Das Mädchen liege im Koma. Das Krankenhaus dürfe keine Auskunft geben. Der Sprecher der Polizeidirektion Dresden, Thomas Geithner, sagte dazu: "Einen solchen Sachverhalt gibt es nicht."

Flüchtlingsunterkunft in der Meißener Rauhentalstraße nach dem Brandanschlag Ende Juni
Flüchtlingsunterkunft in der Meißener Rauhentalstraße nach dem Brandanschlag Ende Juni

© dpa

Auch wenn diese Hetze seit langem publik ist: Honoratioren der Stadt setzten lange auf einen Dialog mit der "Initiative Heimatschutz". Die in der erzkonservativen Stadt dominierende CDU hielt eine Äquidistanz zwischen dem Pro-Asyl-Bündnis "Buntes Meißen" und dem rassistischen Heimatschutz. Die örtliche CDU-Landtagsabgeordnete Daniela Kuge empfahl den Dialog mit den "Heimatschützern" - und führte Neiddebatten. "Nachrichten berichten gerade, dass die Spendenlager für Asylbewerber voll sind. Meins für das Frauenhaus leider nicht!", postete sie im September auf Facebook.

Und obwohl der Hausbesitzer der abgefackelten Flüchtlingswohnungen in der Rauhentalstraße mehrfach von Rechtsextremisten bedroht wurde, bot er im Oktober der "Initiative Heimatschutz" ein Gespräch an. "Wir alle sind den von uns nicht zu verantwortenden Realitäten gleichermaßen ausgesetzt und sollten uns nicht weiter auseinanderdividieren lassen", schrieb er in einem inzwischen teilweise gelöschten Dialog auf Facebook. "Herr Ingolf Brumm, danke für ihre Zeilen", schrieb die "Initiative Heimatschutz" zurück.

Oberbürgermeister inzwischen gegen Gespräche mit "Initiative Heimatschutz"

Zuvor hatte auch der parteilose Oberbürgermeister von Meißen, Olaf Raschke, für September einen Gesprächstermin mit der "Initiative Heimatschutz" vereinbart. "Das sind auch Meißner, die zu bestimmten Themen eine andere Meinung haben. Die Gruppen sollte man nicht ignorieren und einfach unter den Tisch kehren", begründete er das. Das Gespräch sagte Raschke dann kurzfristig ab, "mit billigen Mitteln", wie die "Initiative Heimatschutz" erklärte.

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An seiner Begründung für die Absage hat sich nichts geändert, wie Raschke auf Tagesspiegel-Anfrage bekräftigte: "Die Initiatoren der sogenannten ,Initiative Heimatschutz' haben sich in der Vergangenheit durch inakzeptable Äußerungen und Aktionen für jeden politischen Dialog disqualifiziert. Angesichts ausländerfeindlicher Hetze, Verleumdungen von Bundespolitikern und Drohungen gegen Stadträte sowie die politische Instrumentalisierung von Kindern und Jugendlichen durch gezielte Agitation an Meißner Schulen ist jedem seriösen Gespräch die Grundlage entzogen." Den Aufruf zur Lichterkette hat auch er unterschrieben, um so für "eine positive Außenwahrnehmung Meißens" einzutreten.

Ob die "Initiative Heimatschutz" es am 10. Dezember schaffen wird, das von der Lichterkette ausgehende Bild in ihrem Sinne zu verändern? Der ehemalige Meißener Torsten Menzel, einer der Mitorganisatoren der Demonstration, sagte dem Tagesspiegel, er sei "guter Dinge, dass das Bündnis so breit ist, dass die gute Seite in der Mehrheit sein wird". Dennoch gebe es eine "Grundangst, dass viele kommen und statt einer Kerze eine Fackel herumtragen". Walter Hannot, der ebenfalls zum Organisationsteam gehört, erklärt: "Wir werden niemanden daran hindern, an der Lichterkette teilzunehmen." Hannot, auch stellvertretender CDU-Stadtchef von Meißen, fügt hinzu: "Allerdings betonen wir, dass die Deutungshoheit im Sinne der mehr als 100 aufrufenden Mitbürgerinnen und Mitbürgern bei den Initiatoren liegt. Wir werden uns die Inhalte der Veranstaltung nicht umdefinieren lassen."

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