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Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Bundestag

© dpa/Britta Pedersen

Update

Linken-Fraktionschefin: Wagenknecht zieht sich aus der ersten Reihe zurück

Sahra Wagenknecht gibt ihr Amt als Linken-Fraktionschefin im Herbst ab. Zur Begründung nennt sie "Stress und Überlastung".

Von Matthias Meisner

Die Vorsitzende der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, zieht sich aus der ersten Reihe der Politik zurück. Nach dem Verzicht auf eine Rolle in der Führung der Sammlungsbewegung "Aufstehen" kündigte Wagenknecht am Montag auch an, im Herbst nicht erneut als Fraktionsvorsitzende zu kandidieren. Das geht aus einer E-Mail hervor, die sie um 15.15 Uhr an alle Abgeordneten versandte.

"Wie ihr wisst, musste ich knapp zwei Monate lang meine politische Arbeit krankheitsbedingt ruhen lassen", heißt es in der dem Tagesspiegel vorliegenden E-Mail. "Viele von Euch haben mir in der Zeit Genesungswünsche geschickt, worüber ich mich sehr gefreut habe. Inzwischen geht es mir wieder gut. Allerdings hat mir die lange Krankheit, deren Auslöser in erster Linie Stress und Überlastung waren, Grenzen aufgezeigt, die ich in Zukunft nicht mehr überschreiten möchte." Am 11. März 1999, also auf den Tag 20 Jahre zuvor, war Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine als SPD-Chef und Bundesfinanzminister zurückgetreten.

Von ihrer Entscheidung hatte Wagenknecht kurz zuvor den Fraktionsvorstand informiert. Andere Spitzenfunktionäre waren vorab nicht eingeweiht - beispielsweise wusste Parteichefin Katja Kipping nichts vorab von dem Schritt. Sie wollte ihn auch zunächst nicht kommentieren. "Um einen ordentlichen Übergang zu gewährleisten, werde ich meine Aufgaben als Fraktionsvorsitzende bis dahin wahrnehmen", versichert die Fraktionsvorsitzende ihren Genossinnen und Genossen.

"Auch danach bleibe ich selbstverständlich politisch aktiv und werde mich weiterhin für meine Überzeugungen und sozialen Ziele engagieren", heißt es weiter in der E-Mail. Die Linkspartei erwähnt sie in diesem Satz nicht explizit. In der eigenen Fraktion war Wagenknecht seit einiger Zeit heftig umstritten. Abgeordnete lasteten ihr an, sich etwa in der Flüchtlingspolitik nicht an die Programmatik der Partei zu halten.

Gysi hatte Rückzug empfohlen

Wagenknecht führt die Fraktion seit 2015 als Nachfolgerin von Gregor Gysi gemeinsam mit Dietmar Bartsch. Gysi hatte im Februar die Rolle von Wagenknecht als Linksfraktionschefin infrage gestellt. Er sagte damals der "Rheinischen Post", Wagenknecht sei zwar "wichtig für die Linke". Sie sei eine sehr bekannte Persönlichkeit der Partei, trete im Fernsehen gut auf. "Man muss aber immer wissen, was man gut kann und was man nicht so gut kann", sagte Gysi. "Ich glaube, Sahra muss ihre Rolle in der Partei für sich neu definieren."

Gesundheit ist ein großes Glück und damit hohes Gut. Das gilt es nicht zu gefährden. Dies auch rechtzeitig zu erkennen ist nicht jedem gegeben. Hierzu kann ich Sie nur beglückwünschen, Frau Wagenknecht.

schreibt NutzerIn seifredi

Der brandenburgische Linken-Bundestagsabgeordnete Thomas Nord hatte im vergangenen Jahr wegen Wagenknecht sogar mit seinem Austritt aus der Fraktion gedroht. Der Aufstand gegen die Chefin wurde im Januar abgeblasen.

Im Herbst ist turnusgemäß die Bestätigung der Fraktionsspitze fällig. Der genaue Termin stand noch nicht fest. Diskutiert worden war ein Datum vor der Landtagswahl Ende Oktober in Thüringen, die für die Linke strategisch von hoher Bedeutung ist. Dort geht es darum, ob der Linken-Politiker Bodo Ramelow als Chef der seit 2014 amtierenden rot-rot-grünen Landesregierung im Amt bleiben kann. Streit um die Führung der Bundestagsfraktion hätte für die Partei ein hohes Risiko bedeutet. Ob Bartsch nun allein als Fraktionschef antritt, blieb am Montag zunächst offen.

Stegner sieht neue Chance für Linksbündnis

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner sieht nach einem Rückzug von Wagenknecht mögliche Chancen für neue Bündnisse seiner Partei. "Eine personelle Neuorientierung an der Spitze der Bundestagsfraktion der Linkspartei erleichtert es möglicherweise in der Zukunft, die Potenziale für eine progressive Regierungskoalition diesseits der Union auch zu realisieren", sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur. "Diese Option war mit Sahra Wagenknecht an der Spitze immer eher theoretischer Natur."

Wagenknecht hatte ihre Amtsgeschäfte in Berlin erst am Montag nach zweimonatiger krankheitsbedingter Auszeit aufgenommen. Kurz zuvor hatte sie in einem Zeitungsinterview angekündigt, sich aus der Spitze von ihr und Lafontaine initiierten Sammlungsbewegung "Aufstehen" zurückzuziehen. Zur Begründung für diesen Schritt hatte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erklärt: "Dass ich jetzt zwei Monate krankheitsbedingtausgefallen bin, hatte auch mit dem extremen Stress der letzten Jahre zu tun. Da muss ich eine neue Balance finden." Wegen ihrer langwierigen Erkrankung hatte Wagenknecht auch am Linken-Europaparteitag Ende Februar in Bonn nicht teilgenommen.

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