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Linkspartei: Kleines Bergkarabach, großer Ärger

Der Abgeordnete Hakki Keskin ergreift Partei für Aserbaidschan – und erzürnt seine linken Genossen.

Von Matthias Meisner

Berlin - Der türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Hakki Keskin machte Reklame – für die neue Linkspartei. Nach dem Gründungsparteitag erklärte er, die Linke sei die „beste Adresse, wenn es um eine glaubwürdige Politik für Migranten geht“. Dieses Bekenntnis überrascht, ist doch Keskin in den Reihen der Einwanderer hoch umstritten. Mehrfach heftig in der Kritik wegen der von ihm geäußerten Zweifel am Völkermord an den Armeniern, hat er erst kürzlich für innerparteiliche Verstimmung gesorgt, indem er äußerst einseitig Position für Aserbaidschan, den engsten Vertrauten der Türkei im Kaukasus, ergriff.

Ausgangspunkt des neuen Konflikts ist eine Anfrage der Linksfraktion zur „Förderung von Frieden und Stabilität im Südkaukasus“ – in der Antwort der Bundesregierung geschliffene diplomatische Formulierungen. Der Fragenkatalog der Linken drehte sich um die Beziehungen Eriwan und Baku und vor allem um den ungeklärten Status der Region Bergkarabach, von Armeniern bewohnt und auf dem Gebiet Aserbaidschans liegend. Politischen Sprengstoff zu dem Konflikt, der von 1992 bis 1994 zu einem Krieg geführt hatte, wollte das Auswärtige Amt nicht liefern. Die deutschen Beziehungen zu Armeniern „sind eng und gut“, hieß es. Und zu Aserbaidschan? Ebenso „eng und gut“. Zur Lösung des Konflikts um Bergkarabach wollte sich das Außenamt nicht festlegen: Der künftige Status solle „in Verhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan unter Ägide der OSZE festgelegt werden“. Bekräftigt wurde nur die Position von Bundesregierung und EU, wonach weder ein unabhängiger Staat Bergkarabach noch ein Verfassungsreferendum zur Unabhängigkeit anerkannt werden sollte.

Gemeinsam mit seinem Abgeordnetenkollegen Diether Dehm unternahm Keskin dennoch für die Linke den Versuch, die Regierungsauskünfte in eine Vorlage zugunsten Bakus zu verwandeln. Über die Pressestelle der Fraktion ließen beide eine Erklärung „Karabach-Konflikt friedlich lösen“ verschicken, die diesem Ziel kaum dienen wird. Die Linke fordere, so heißt es, „den bedingungslosen Abzug der Besatzungstruppen Armeniens und die Wiederherstellung der vollen territorialstaatlichen Integrität Aserbaidschans als unverzichtbare Voraussetzung für eine friedliche Konfliktlösung“. Und: Die Bundesregierung solle sich einsetzen „für das uneingeschränkte Rückkehrrecht der vertriebenen aserbaidschanischen Flüchtlinge“. Begeistert verbreitete Aserbaidschans Botschaft in Berlin die Erklärung der Linksfraktion, während Armenier in Protestnoten von einem neuen Skandal sprachen.

Auch in der Linksfraktion haben sich Keskin und Dehm mit ihrem Vorstoß keine Freunde gemacht. Besonders die Parlamentarierin Ulla Jelpke war sauer über die in der Fraktion nicht abgestimmte Erklärung. Sie sagte dem Tagesspiegel, ihre beiden Kollegen hätten eine „äußerst einseitige Darstellung“ des Konflikts geliefert. Selbst in der Frage einer Volksabstimmung in Bergkarabach wollte sie ihnen nicht recht geben: Die Ablehnung eines Referendums durch die Bundesregierung sei nur „eine außenpolitisch motivierte Anbiederung an die türkische Großmachtpolitik in der Kaukasusregion“. Auch der Zentralrat der Armenier lässt nicht locker. Als er jetzt – zwei Jahre nach der Bundestagsresolution zum Völkermord an den Armeniern – Bilanz zog, wurde erneut auch Keskin attackiert. Politiker wie er würden verhindern, „dass es wenigstens unter den in Deutschland lebenden Türken zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel türkischer Geschichte kommt“.

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