
© Sebastian Kahnert/dpa
Blog zum Tag der Deutschen Einheit: "Dresdner, bekommt endlich den Hintern hoch!"
"Volksverräter": Politiker beim Einheitsfest massiv beschimpft. Tausende rechte Demonstranten ziehen durch Dresden. Angela Merkel trifft Imam der Moschee. Lesen Sie die Ereignisse im Blog nach.
- Matthias Meisner
- Kai Portmann
- Ingo Salmen
Stand:
- Zur zentralen Feier am Tag der Deutschen Einheit sind am Montag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck nach Dresden gereist.
- Die Feiern fanden unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt. Dennoch waren die Politiker am Vormittag heftigen Beschimpfungen ausgesetzt.
- Sachsen als Gastgeberland ist wegen der starken rechten und fremdenfeindlichen Gewalt umstritten. Am Nachmittag fanden Demonstrationen der rechten Szene statt.
Wir waren den ganzen Tag mit einem Liveblog dabei.
Ein Tag voll Hass - aber ohne gewalttätige Ausschreitungen
"Bekommt endlich den Hintern hoch!"
Polizei zieht positive Bilanz
"Wir haben unsere Hauptaufgaben erfüllt. Uns ist der Spagat zwischen einem bürgernahen bunten Fest und der erforderlichen Sicherheit gelungen", resümierte der Dresdner Polizeipräsident am Abend den Einsatz rund um die Einheitsfeierlichkeiten. Er sei "sehr stolz" auf die Leistung der Beamten, sagte Horst Kretzschmar in einer am Abend verbreiteten Mitteilung. Die Kundgebungen am 3. Oktober seien "weitestgehend störungsfrei" verlaufen. Es seien jedoch mehrere Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, das Betäubungsmittelgesetz sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz festgestellt. "Aktuell befinden sich keine Personen in Polizeigewahrsam."
Roth beklagt "echtes Demokratie-Problem"
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth hat die fremden- und demokratiefeindlichen Proteste zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden scharf verurteilt. "Dieser offen gezeigte, organisierte und brutale Hass machte vor keiner Obszönität mehr Halt, und es war nur ein kleiner Schritt bis hin zur physischen Gewalt", sagte die Grünen-Politikerin am Montag dem "Spiegel". "Heute in Dresden konnten alle sehen, dass wir ein echtes Demokratie-Problem in diesem Land haben. Es rächt sich nun, dass viele das jahrelang nicht wahrhaben wollten und immer wieder beschönigten."
"In Teilen unseres Landes kippt gerade etwas weg", sagte Roth. "Wenn die Politik das nicht endlich begreift, dann müssen wir um unser friedliches Zusammenleben ernsthaft fürchten." Sie forderte "eine ernst gemeinte, dauerhaft finanzierte und massiv organisierte Demokratie-Offensive in Sachsen und an allen anderen Orten, an denen sich dieser Hass zeigt oder ankündigt. Es ist 5 vor 12", sagte Roth. (AFP)
Auch eine der Gesten des Tages - von Claudia Roth
450.000 Besucher bei Bürgerfest
Das dreitägige Bürgerfest zum Tag der deutschen Einheit in Dresden haben laut Staatskanzlei mehr als 450.000 Menschen besucht - und damit weniger als die erwarteten rund 750.000. "Wir blicken zurück auf ein würdiges und fröhliches Fest zum Tag der Deutschen Einheit", bilanzierte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Die Feierlichkeiten seien "ein Erfolg" geworden, die Besucher hätten "unbeschwert" gefeiert.
Tillich gab allerdings zu: „Einige haben versucht, das Fest zu stören und so ins Rampenlicht zu kommen. Es gehört zu einer Demokratie, so etwas auszuhalten. Mit der Freiheit geht aber auch die Verantwortung einher, mit Worten keine Grenzen zu überschreiten, keine Menschen und Gesetze zu verletzen.“
Der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) ergänzte, Hunderttausende hätten in den vergangenen drei Tagen "unbeschwert und fröhlich" miteinander gefeiert. "Dieser Tag der Deutschen Einheit hat sicherlich in keiner einfachen Situation für unser gesamtes Land stattgefunden. (...) Mich hat vor allem die Offenheit beeindruckt, mit der die Besucherinnen und Besucher aufeinander zugegangen sind, mit welcher Ernsthaftigkeit auch über ganz aktuelle Themen diskutiert wurde. Diese Offenheit und diese Unbeschwertheit sollten nicht von den Bildern einiger Störer und Krakeeler überdeckt werden.“Warum die Rufe "Merkel muss weg!" nicht verfangen
Die rechten Claquere immunisieren die Kanzlerin gegen echte Kritik, wenn sie "Merkel muss weg!" skandieren, schreibt unser Redakteur Malte Lehming in seinem Kommentar zu den Protesten in Dresden. "Kaum ein Demokrat kann und will sich künftig mit einer solchen Parole noch gemein machen." Sie klinge nun nicht mehr nur wie eine Rücktrittsforderung (anders als etwa gleichlautende Rufe gegen Kohl und Schröder), sondern wie ein Schlachtruf, mit der sich weder parteiinterne Kritiker, noch die demokratische Opposition gemein machen wollten. Lesen Sie den ganzen Kommentar von Malte Lehming hier.
Polizei wünscht Pegida "erfolgreichen Tag"
Die Polizei hat sich selbstkritisch zu ihrem Vorgehen auf der Peigda-Demonstration geäußert. Ein Sprecher der Polizei hatte die Versammlungsauflagen auf der Kundgebung des fremdenfeindlichen Bündnisses selbst verlesen - und schloss mit den Wünschen "für einen erfolgreichen Tag", wie die "Dresdner Neuesten Nachrichten" auf Twitter berichteten. Die Polizei erklärte dazu: "Die Polizei ist im Einsatz ein Garant für Neutralität. Der Auflagenbescheid musste durch uns über den Lautsprecherwagen verlesen werden, um die Kenntnisnahme dieser durch alle Demonstrationsteilnehmer sicherzustellen. Dies war aufgrund eines technischen Defekts beim Veranstalter notwendig. Die Äußerung am Ende entspricht nicht unserer Philosophie und wird einer Überprüfung unterzogen."
Rechtsextremisten bei Pegida und "Festung Europa"
Am Nachmittag fanden die Kundgebungen von Pegida und des Ablegers "Festung Europa" statt, der von der früheren Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling angeführt.wird. Die "Sächsische Zeitung" berichtete, "Festung Europa" habe rund 300 Teilnehmer, mehrere Tausend seien es bei Pegida.
Im Demonstrationszug von Pegida wurden auch Fahnen der rechtsextremen Identitären Bewegung gesichtet. Der Reporter Johannes Grunert berichtete, an "Festung Europa" nehme auch eine Abordnung der verbotenen Kameradschaft Nationale Sozialisten Chemnitz teil.
Für Aufsehen sorgte, dass die Versammlungsauflagen nicht wie üblich vom Veranstalter, sondern von einem Sprecher der Polizei verlesen wurden. Der Polizeisprecher begründete dieses Vorgehen mit einem Defekt an der Lautsprecheranlage von Pegida und betonte, er mache das „gerne“. Dafür erhielt er lautstarken Applaus, und die Menge skandierte: „Eins, zwei, drei, danke Polizei!“
Auf Transparenten wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Rücktritt aufgefordert. „Frau Merkel, treten sie mit erhobenem Hauptes zurück, bevor man sie endgültig in die Wüste zum Sandkörnerzählen schickt“, hieß es auf einem Plakat. (mit dpa)
Dulig: Pöbler sind "die Schande von Dresden"
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und Sachsens Wirtschaftsminister haben die Pöbeleien bei den Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Dresden in deutlichen Worten verurteilt. Es handele sich "um ein paar hundert Leute, die nichts anderes können als Hass und Hetze auf die Straße zu bringen", sagte Schwesig bei einer Talkrunde auf der Sachsen-Bühne des Bürgerfestes. Sie rief die Bürger auf, mit dafür zu sorgen, dass Dresden weltoffen bleibe.
Dulig sprach davon, dass ein paar hundert Leute die Chance genutzt hätten, die Feier zu zerstören. Diese glaubten, sie seien die Mehrheit, aber "sie sind die Schande von Dresden". Die Anständigen in der Bevölkerung dürften nicht zulassen, "dass die die Stimmung versauen".
Der Leipziger Musiker Sebastian Krumbiegel sagte in der Talkrunde, viele Probleme in Sachsen seien "durchaus selbstgemacht". Er erinnerte an die Aussage des damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU), der vor 20 Jahren erklärt habe, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus und auch an die Aussage des heutigen Regierungschefs Stanislaw Tillich (CDU), nach dessen Worten der Islam nicht zu Sachsen gehöre.
Im August hatte sich Dulig in einem Tagesspiegel-Interview zur Stimmung in Sachsen geäußert. Sie können es hier nachlesen.Merkel trifft nach Anschlag Imam der Dresdner Moschee
Die Bundeskanzlerin hat in Dresden die Familie des Imams getroffen, auf dessen Moschee vor einer Woche ein Sprengstoffanschlag verübt worden war. Regierungssprecher Steffen Seibert veröffentlichte auf Twitter ein Foto, das Angela Merkel in einem angeregten Gespräch mit der Familie zeigt. An der Tür der Moschee der Türkisch-Islamischen Gemeinde und vor dem Kongresszentrum in Dresden waren am vergangenen Montag kurz nacheinander Sprengsätze explodiert. Es entstand Sachschaden, verletzt wurde niemand. Der MDR hatte heute berichtet, dass es nach Veröffentlichung eines Videos erste Hinweise auf den mutmaßlichen Täter gebe. (mit dpa)
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