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Anschlag in Hanau: Mehrheit der Deutschen gibt AfD Mitverantwortung für rechten Terror
Hanau plant Trauerfeier + Muslime prangern Islamfeindlichkeit an + Grüne präsentieren Sofortmaßnahmen + AfD verliert in Umfrage + Der Newsblog
- Gloria Geyer
- Kai Portmann
- Ingo Salmen
- Anne Diekhoff
- Ruth Ciesinger
- Ragnar Vogt
- Frank Jansen
- Michael Schmidt
Stand:
Nach dem rassistischen Anschlag von Hanau sind die Zustimmungswerte der AfD von 11 auf 9 Prozent gesunken. Das geht aus dem aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer hervor. Zudem sehen laut einer Umfrage für die "Bild am Sonntag" 60 Prozent der Deutschen eine Mitverantwortung der AfD für den Anschlag von Hanau (mehr im Newsblog unten).
Die Stadt Hanau plant eine zentrale Trauerfeier für die Anschlagsopfer. Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) hat für Montag eine Sondersitzung des Runden Tischs der Religionen einberufen.
Hintergrund zum rechten Terror in Hanau:
- Kommentar: Diese Tat kann niemanden mehr überraschen
- „Deutschland macht uns wieder Angst“: So blickt die internationale Presse auf Hanau
- Von Neuseeland bis Hanau: Eine Chronik des rechtsterroristischen Wahns
- Wer war Tobias Rathjen? Was über den Täter von Hanau bekannt ist
Mehrheit der Deutschen sieht Mitverantwortung der AfD für Hanau
Wenige Tage nach dem offenbar rassistisch motivierten Anschlag im hessischen Hanau sieht die Mehrheit der Deutschen einer Umfrage zufolge eine Mitverantwortung der AfD an rechtsextremer Gewalt. 60 Prozent der Befragten sind dieser Meinung, wie das Institut Kantar für "Bild am Sonntag" (BamS) herausfand. Nur 26 Prozent glauben nicht, dass die Partei mitverantwortlich ist für Gewalttaten wie in Hanau, 14 Prozent sind unentschlossen.Der Umfrage zufolge glauben 49 Prozent der Befragten außerdem, dass vom Rechtsextremismus die größte Terrorgefahr in Deutschland ausgeht. Lediglich 27 Prozent halten islamistischen Fundamentalisten für die größte Bedrohung, sechs Prozent sehen sie im Linksextremismus.
46 Prozent der Befragten sind zudem der Ansicht, dass die deutschen Sicherheitsbehörden zu wenig auf die Gefahren achten, die vom Rechtsextremismus ausgehen; 41 Prozent teilen diese Meinung nicht. Für die Umfrage wurden am 20. Februar 2020 insgesamt 502 Personen befragt.
Nach dem rechtsextremen Anschlag in Hanau mit elf Toten wurde erneut eine Shisha-Bar angegriffen. Bei den Schüssen in Stuttgart wurde niemand verletzt.
Verfassungsschutz in NRW geht von mehr als 4000 Rechtsextremisten aus
Der NRW-Verfassungsschutz rechnet dem völkisch-nationalistischen „Flügel“ um AfD-Politiker Björn Höcke in Nordrhein-Westfalen für das laufende Jahr rund 1000 Anhänger zu. Die Gruppierung werde bereits seit 2018 beobachtet, teilte das NRW-Innenministerium am Samstag mit. Zuvor hatte die „Rheinische Post“ darüber berichtet.
Den Angaben zufolge wurde das Beobachtungsspektrum des Verfassungsschutzes damit im Bereich der „Neuen Rechten“ ausgeweitet. Auch die Identitäre Bewegung zähle dazu. Gemeinsam sei bei den Gruppierungen, dass die Gefahr bestehe, „über den migrations- und fremdenfeindlichen Diskurs den ideologischen Nährboden für gewaltorientierte Rechtsextremisten zu bereiten“. Insgesamt erwartet der Verfassungsschutz, dass die Zahl der Rechtsextremisten in NRW in 2020 auf mehr als 4000 Personen anwachsen wird.
Mehrere tausend Menschen bei Demonstration in Hanau
Rund 3000 Menschen haben nach Angaben der Polizei am Samstag in Hanau gegen Hetze und Menschenverachtung demonstriert. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie „Muss erst getötet werden, damit Ihr empört seid?“ oder „Menschenrechte statt rechte Menschen“. Für die Demonstration vom Freiheitsplatz in der Innenstadt zu den beiden Tatorten hatten die Veranstalter mit 2000 Teilnehmern gerechnet.Bundesliga-Spieltag beginnt mit Schweigeminute
Fans des SC Freiburg haben während der Gedenkminute an die Opfer der Gewalttat von Hanau lautstarke „Nazis raus“-Rufe angestimmt. Auch Anhänger von Fortuna Düsseldorf stimmten kurz vor Beginn der Bundesliga-Partie am Samstag im Schwarzwald-Stadion mit in die Sprechchöre ein. Zudem war vor dem Freiburger Fanblock ein großes Banner mit der Aufschrift „Rassismus tötet! Alle(s) gegen Rassismus!“ zu sehen.Schon am Donnerstagabend war die Hanau-Gedenkminute vor dem Europa-League-Spiel von Eintracht Frankfurt gegen Red Bull Salzburg durch Zwischenrufe unterbrochen worden. Eintracht-Fans reagierten mit lautstarken Pfiffen, bevor sie „Nazis raus“ und „Antifa“-Rufe in das mit 47 000 Fans ausverkaufte Stadion riefen. (dpa)
Hanau plant zentrale Trauerfeier für die Opfer des rassistischen Anschlags
Umfrage: Zustimmung zur AfD sinkt nach Anschlag um 2 Prozentpunkte


Grüne legen Sofortmaßnahmen im Kampf gegen Rechts vor
- einen Krisenstab mit allen relevanten Akteuren aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft einzurichten.
- einen Beauftragter gegen Rassismus.
- eine „verlässliche und dauerhafte Demokratieförderung“
- und finanzielle Unterstützung für den Schutz besonders gefährdeter Einrichtungen wie Moscheen und Synagogen.
- die Grünen wollen außerdem, dass Munition nur noch gelagert werden darf, wo auch geschossen werden darf - bisher sei es Sportschützen möglich, sowohl Waffen als auch Munition zu Hause zu lagern. Zudem reichten die bisherigen Zuverlässigkeitsprüfungen nicht aus..
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will prüfen, ob die gerade erst verschärften Regelungen im Waffenrecht auch konsequent umgesetzt werden. Demnach müssen die Behörden immer beim Verfassungsschutz nachfragen, bevor sie eine Waffenerlaubnis erteilen. Es müsse geprüft werden, ob die Behörden, die über die Zuverlässigkeit entscheiden, die nötigen Informationen bekommen.
FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg forderte, die Sicherheitsstrukturen in Deutschland den neuen Bedrohungen anzupassen. „Dazu gehört eine Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. So müssten zum Beispiel kleinere Landesämter für Verfassungsschutz zusammengelegt werden.
Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) regte an, in den Sicherheitsbehörden Spezialabteilungen und Arbeitsgruppen zur Überwachung von Rechtsextremisten einzurichten. Die Meldestellen für antiislamische und antisemitische Vorfälle müssten ausgebaut werden, verlangte die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte. (dpa)
Merkel bedankt sich beim EU-Gipfel für Solidarität
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für die Solidarität Europas bedankt. „Ich möchte mich zunächst bei meinen europäischen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich dafür bedanken, dass sie mir und damit ja auch ganz Deutschland ihre Anteilnahme zu den schrecklichen Morden von Hanau ausgedrückt haben“, sagte die CDU-Politikerin am Freitag in Brüssel nach einem Sondergipfel zum EU-Haushalt, der ohne Ergebnis blieb. Mit ihren Äußerungen hätten die anderen Staats- und Regierungschefs auch deutlich gemacht, „dass es eine starke europäische Solidarität gibt im Kampf gegen Rassismus, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Rechtsterrorismus und für unsere Demokratie, für unsere Werte und für die Würde jedes Einzelnen“. (dpa)
Angehörige der Opfer erhalten bis zu 30.000 Euro Soforthilfe
Attentäter war wohl psychisch schwer krank
Die Ermittler gehen davon aus, dass der mutmaßliche Todesschütze von Hanau psychisch krank war. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, sprach am Freitag in Berlin auf Grundlage erster Einschätzungen von einer offensichtlich „schweren psychotischen Krankheit“.
Attentäter soll zwei Opfer in Autos erschossen haben
Der mutmaßliche Attentäter Tobias Rathjen soll während seiner Fahrt durch Hanau zwei seiner Opfer in ihren Autos erschossen haben. Das sagten Behördenvertreter am Freitag in einer Telefonkonferenz Mitgliedern des Innenausschusses des Bundestages, wie Teilnehmer berichteten. Nicht beantwortet worden sei hingegen die Frage, wann am Mittwochabend der erste Notruf bei der Polizei eingegangen sei.Wie die Abgeordneten laut Teilnehmern der Besprechung erfuhren, hatte der Attentäter bis 2018 in München zur Untermiete gewohnt. Den Abgeordneten wurde den Angaben zufolge weiter mitgeteilt, Tobias Rathjen sei zuletzt arbeitslos gewesen, habe wenig soziale Kontakte gehabt und bei seinen Eltern gewohnt. Dort sollen zwei Schusswaffen gefunden worden sein, eine Sig Sauer und eine Walther-Kleinkaliberwaffe. Sein Vater habe bislang nicht vernommen werden können. Wann genau die Mutter erschossen wurde, sei noch nicht geklärt.
Der 43 Jahre alte Deutsche hatte am Mittwoch im hessischen Hanau Bars angesteuert und neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Der Sportschütze soll nach Erkenntnissen der Polizei auch seine 72 Jahre alte Mutter und dann sich selbst getötet haben. Tobias Rathjen hatte im Internet wirre Gedanken und Verschwörungstheorien sowie rassistische Ansichten geäußert. (dpa)
Riexinger sieht Zeichen für „gesellschaftlichen Lernprozess“
Linken-Chef Bernd Riexinger sieht die Zeichen der Trauer und Solidarität auf den Straßen nach dem Anschlag von Hanau als positives Zeichen. „Die unsäglichen Relativierungen und Bagatellisierungen der letzten Jahre sind viel weniger geworden. Das alles gibt mir Hoffnung, dass wir hier wirklich einen gesellschaftlichen Lernprozess erleben“, sagte Riexinger am Freitag.
Es sei richtig, jetzt eine klare Abgrenzung zur AfD zu fordern. „Aber einige derjenigen, die heute richtiges dazu sagen, sollten sich an Äußerungen erinnern, die sie selbst bis vor kurzem gemacht haben“, sagte Riexinger weiter. Als Beispiele nannte er Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Volker Bouffier (CDU), die in der Vergangenheit „rechte Diskurse bedient“ und zu dem Klima beigetragen hätten, in dem sich Täter wie der von Hanau ermutigt fühlten.
Riexinger forderte im Kampf gegen Rechte, „die absurde und relativierende Gleichsetzung linker Demokraten mit militanten rechten Antidemokraten zu beenden.“
Der Linke-Chef sprach sich gegen eine schlichte Erweiterung der Befugnisse für Polizei und Geheimdienste aus. „Wir brauchen keine Ausweitung der Befugnisse des Sicherheitsapparates. Stattdessen müssen wir sicherstellen, dass die bestehenden Befugnisse endlich richtig genutzt werden“, sagte Riexinger. Die Polizei müsse militante rechte Strukturen mit aller Konsequenz in den Blick nehmen und sicherstellen, dass sie keine heimlichen Sympathisantinnen und Sympathisanten rechter Straftäter, keine rechtsradikalen Positionen und Netzwerke in ihren Reihen habe. (Tsp)

LKA nennt Staasangehörigkeit der Hanauer Opfer
Das hessische Landeskriminalamt (LKA) hat die Nationalitäten der Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau aufgelistet. Drei der Toten haben eine deutsche Staatsangehörigkeit, zwei eine türkische, eine bulgarische und eine rumänische. Ein Mensch kommt aus Bosnien-Herzegowina, und ein Opfer hat eine deutsche und afghanische Staatsangehörigkeit. Die Angaben gehen aus einer E-Mail des LKA hervor, die an die Stadt Hanau ging.
Hinzukommen bei den Toten die deutsche Mutter (72) des Attentäters und der 43-jährige Sportschütze, der nach den Schießereien in Hanau seine Mutter und sich umbrachte.
Unter den Verletzten sind laut LKA je zwei Menschen mit deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit und einer mit deutsch-afghanischer Zugehörigkeit. (dpa)
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