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Newsblog zur Groko: Saleh: "Viele Genossen schütteln nur noch ratlos den Kopf"
Die SPD hat nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen schwer mit sich selbst zu kämpfen: Parteichef Schulz zieht sich zurück, die Mitglieder sind gespalten. Doch auch bei der CDU rumort es. Alle Entwicklungen im Newsblog.
- Marius Mestermann
- Oliver Bilger
Stand:
Die wichtigsten Themen im Überblick:
- Unzufriedenheit mit Merkel in der CDU, Wunsch nach Übergang „möglichst ohne Schmerzen“
- Gabriel, Schulz und die tiefe Spaltung: Die SPD kommt nicht zur Ruhe
- Was bisher geschah: Der gestrige Newsblog zum Nachlesen
wir beenden unseren Newsblog für heute. Die Ereignisse der vergangenen Stunden können sie unten weiterhin chronologisch nachvollziehen.
Schäfer-Gümbel: Bei SPD-Neuanfang muss es auch um Umgang gehen
Nach den jüngsten Querelen in der SPD muss deren Neuanfang aus Sicht des
stellvertretenden Bundesvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel über personelle
Fragen hinausgehen. „Es wird auch um Fragen des Umgangs und der politischen
Kultur gehen müssen“, schrieb der hessische SPD-Chef am Samstag auf Twitter. Das
habe nach seinem Eindruck „auch die übergroße Mehrzahl
verstanden“.
Noch-Parteichef Martin Schulz hatte am Freitag nach massivem
Druck seiner Partei den Verzicht auf den Posten des Außenministers erklärt, den
er zuvor für sich reklamiert hatte. Nach der Bundestagswahl im September hatte
er noch ausgeschlossen, in ein Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
einzutreten.
„Ich habe oft Tage, die anders verlaufen als geplant. Tage
wie gestern bleiben hoffentlich die Ausnahme zu dieser Einsicht“, schrieb
Schäfer-Gümbel dazu. Es sei ein „harter Tag“ für die SPD gewesen. „Wir werden
einerseits zügig und andererseits gründlich über das weitere Vorgehen
beraten.“
Nach Angaben von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil werden die
Führungsgremien der Partei am Dienstag zusammenkommen, um das weitere Vorgehen
zu besprechen.(dpa)
Günther fordert junge Gesichter in neuem Kabinett
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther fordert eine personelle Erneuerung der Union. "Ich wünsche mir, dass viele Kabinettsposten von neuen talentierten jungen Menschen, aber vor allem auch zur Hälfte aus Frauen bestehend, von der Union besetzt werden", sagt der CDU-Politiker dem Deutschlandfunk. Man habe sich in der Vergangenheit zu sehr darauf ausgeruht, der Vorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel alle Aufgaben zu übertragen. (Reuters)Aus Frankreich winkt eine ausgemergelte Vogelscheuche
Weil das Psychodrama in der SPD kein Ende findet, droht den Sozialdemokraten in Deutschland das Schicksal der Sozialistischen Partei in Frankreich. Eine Kolumne von Pascale Hugues:Computeranalyse: Koalitionsvertrag trägt Handschrift der SPD
Im Koalitionsvertrag hat die SPD nach einer Computeranalyse deutlich mehr ihrer politischen Inhalte unterbringen können als die Union. Mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) habe das Unternehmen ThingsThinking nachgewiesen, dass fast 70 Prozent des Vertragstexts die Handschrift der SPD tragen, meldet die „Heilbronner Stimme“ (Samstag). „Die Maschine findet im Schnitt zwei bis drei Mal so viele thematische Verbindungen mit dem SPD-Parteiprogramm wie mit dem Programm von CDU und CSU“, sagte Firmenchef Sven Körner der Zeitung.
Das Unternehmen ist aus einer Ausgründung des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entstanden. Es hat sich auf die computergestützte Analyse von Texten spezialisiert. Dabei geht es nicht um exakte Formulierungen, sondern die Bedeutung eines Texts. Körner stellt allerdings auch klar: „Die Maschine kann natürlich nicht beurteilen, wie wichtig die einzelnen Punkte sind.“ Es könne ja sein, dass die Union der SPD bei neun Themen den Vortritt gelassen habe, um einen wichtigen Punkt zu behalten. (dpa)
Schwester: Schulz wurde "nur belogen und betrogen"
Die Schwester des scheidenden SPD-Chefs Martin Schulz, Doris Harst, hat den Umgang der Parteispitze mit ihrem Bruder scharf kritisiert. Die SPD habe sich dabei "als eine echte Schlangengrube erwiesen", sagte Harst der "Welt am Sonntag". Fraktionschefin Andrea Nahles, SPD-Vize Olaf Scholz und andere machten "ihn zum Sündenbock für alles".
Die selbst seit Jahrzehnten in der SPD engagierte Harst fügte hinzu: "Dabei könnten sie Martin dankbar sein, nicht nur, weil er in ihrem Sinne Sigmar Gabriel abserviert hat." Ihr werde "übel", wenn sie Äußerungen des Vizevorsitzenden Ralf Stegner höre oder wenn Juso-Chef Kevin Kühnert sage, "nachdem die Personalie Schulz vom Tisch ist".
Damit werde deutlich: "Mein Bruder ist nur belogen und betrogen worden", sagte Harst. "Deshalb war, nach seiner erfolgreichen Zeit als Spitzenpolitiker in Brüssel und Straßburg, die Schlangengrube Berlin, die er völlig unterschätzt hat, nichts für ihn." (AFP)
Saleh sieht SPD in Vertrauenskrise
Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh sieht die Führung der Bundes-SPD in einer Vertrauenskrise. "Es gibt eine zunehmende Entfremdung der Basis von der Spitze der Bundespartei", sagte er dem Tagesspiegel. "Über das Vorgehen der letzten Wochen schütteln viele Genossen nur noch ratlos den Kopf. Die nächste Parteiführung wird viel Kraft aufwenden müssen, um zerstörtes Vertrauen zurück zu gewinnen und den Zusammenhalt wieder zu stärken."
SPD-Vize Stegner bremst in der Urwahl-Debatte
SPD-Vize Ralf Stegner appellierte an seine Partei, sich bis zur Entscheidung der SPD-Mitglieder über die große Koalition auf die "Sachdiskussion" zu konzentrieren. Alle öffentlichen Personaldiskussionen müssten sofort beendet werden, sagte er dem Tagesspiegel: "Egal um wen oder welches Amt es geht."
Zugleich wandte sich Stegner gegen eine schnelle Festlegung auf eine Urwahl der SPD-Führung. "Diese Debatte gehört in die laufende Diskussion zur notwendigen Parteireform. Die wird ausgiebig und sorgfältig geführt, wie der Bundesparteitag das beschlossen hat. Über das Ergebnis entscheidet dann wieder ein Bundesparteitag."
SPD-Linke Mattheis bekräftigt Forderung nach Urwahl
Scholz für neue Finanzpolitik in Europa
Der stellvertretende SPD-Parteichef Olaf Scholz hat mit Blick auf die Finanzpolitik in Europa Änderungen angekündigt. "Wir wollen anderen europäischen Staaten nicht vorschreiben, wie sie sich zu entwickeln haben", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". "Da sind in der Vergangenheit sicherlich Fehler gemacht worden", machte Scholz deutlich, der als Finanzminister einer neuen große Koalition gehandelt wird.
Wichtig sei auch, sich um die Folgen des Ausstiegs Großbritanniens aus der EU zu kümmern. Deutschland werde die entstehende Lücke in den Finanzen der Gemeinschaft maßgeblich mitfüllen müssen, aber ganz sicher nicht alleine. (Reuters)
"Spiegel": Doch kein Lobbyregister mit der Groko
Entgegen ihrer ursprünglichen Planungen haben Union und SPD laut „Spiegel“ im Endspurt der Koalitionsverhandlungen die Einführung eines Registers für Lobbyisten und ein Tabakwerbeverbot noch gestrichen. Mit einer entsprechenden Datenbank könnten die Identität von Lobbyisten, ihre Auftraggeber und ihre Finanzierung offengelegt werden. In einem Vertragsentwurf hieß es dem Nachrichtenmagazin zufolge noch: „Wir wollen mit einem verpflichtenden Lobbyregister Transparenz schaffen, ohne wirksames Regierungshandeln oder die freie Ausübung des parlamentarischen Mandats einzuschränken.“ Für die Streichung macht SPD-Unterhändler Ulrich Kelber dem Bericht zufolge die CSU verantwortlich.
Beim Verbot von Tabakwerbung an Außenflächen hatten die Unterhändler der zuständigen Arbeitsgruppe sich laut „Spiegel“ bereits auf einen Passus geeinigt. „Wir werden das Tabakaußenwerbeverbot umsetzen“, habe es dort geheißen. In der Schlussfassung des Koalitionsvertrags taucht der Satz nicht mehr auf. Er sei auf Druck der Unionsfraktionsspitze gestrichen worden. Deutschland ist nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums das letzte EU-Land, in dem noch uneingeschränkt Außenwerbung für Tabakerzeugnisse zulässig ist.
In der vorigen Legislaturperiode hatte sich das Kabinett der großen Koalition auf einen Gesetzentwurf geeinigt, nach dem Zigarettenwerbung auf Plakatwänden, Litfaßsäulen und im Kino von Juli 2020 an verboten werden sollte. Das Gesetz wurde aber nie beschlossen. Schon damals sperrte sich vor allem die Unionsfraktion. (dpa)
"Groko": Man nannte sie einst Volksparteien
CDU und SPD wirken nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen geschwächt und gespalten. Wie kam es dazu? Zwei Analysen geben Aufschluss:"Sehr spät eine richtige Entscheidung getroffen"
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner bezeichnete den Verzicht von Schulz auf ein Ministeramt als überfällig. „Schulz hat sehr spät eine richtige Entscheidung getroffen“, sagte Lindner der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag). Sein Vize Wolfgang Kubicki sagte: „Wir erleben gerade unglaubliche Chaostage in der SPD und der kommenden Groko insgesamt.“ (dpa)
Haseloff bekräftigt Forderung nach ostdeutschen Ministern
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), fordert im Kabinett Vertreter der ostdeutschen Bundesländer. "Bayern hat zwölf Millionen Einwohner und stellt drei Minister. Die neuen Bundesländer, die 1990 hinzugekommen sind, sind 15 Millionen Einwohner und haben keinen Ressortminister", sagt er dem Bayerischen Rundfunk. (Reuters)
Scholz will "schwarze Null" halten
Der mögliche neue Finanzminister Olaf Scholz hat bekräftigt, dass die SPD in einer neuen Regierung an der "schwarzen Null" festhalten wird. "Die Sozialdemokraten stehen für solide Finanzen", sagte der SPD-Vize dem "Spiegel". Der Bundesregierung stünden in den nächsten vier Jahren insgesamt 1,4 Billionen Euro zur Verfügung. "Ansonsten sind wir auf zusätzliches Wachstum und daraus entspringende Steuermehreinnahmen angewiesen."
Bei allen zusätzlichen Wünschen müsse eine große Koalition "genau schauen, was wir uns leisten können und was nicht", sagte der Hamburger Bürgermeister. Die SPD hatte in den Koalitionsverhandlungen mit der Union das bislang von der CDU geführte Finanzministerium erstritten. Besonders in der CDU rief dies massive Kritik am Verhandlungsergebnis hervor.
Der CDU-Abgeordnete Eckhardt Rehberg kritisierte bei NDR Info, dass die SPD das Finanzministerium übernehmen soll. Die Entscheidung "löst bei mir sicher keine Begeisterung aus", so Rehberg. (AFP, Reuters)
Barley fordert "bessere Vermarktung" von SPD-Erfolgen
SPD-Politikerin Katarina Barley hat sich offen für die Forderung der Parteilinken geziegt, über den kommenden SPD-Vorsitz die Mitglieder abstimmen zu lassen. "Der Urwahl-Idee kann ich grundsätzlich etwas abgewinnen und bin dafür offen, denn die direkte Beteiligung der Mitglieder schafft Vertrauen", sagte die geschäftsführende Arbeits- und Familienministerin der "Rheinischen Post" (Samstagausgabe).
Ein solches Vorgenen sei aber mit Sicherheit nicht die Lösung aller Probleme der SPD. "Wir müssen an ganz vielem arbeiten, an der Kommunikation nach innen und außen. Und an einer besseren Vermarktung unserer Erfolge", sagte sie.
Der scheidende SPD-Chef Martin Schulz hatte angekündigt, SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles als seine Nachfolgerin vorzuschlagen. Vertreter der SPD-Linken kritisierten das Vorgehen und forderten, den kommenden Parteivorsitzenden in einer Urwahl zu bestimmen. (AFP)
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