
© AFP/John Macdougall
Gentest-Debatte im Bundestag: "Wie können wir die Automatik zur Abtreibung durchbrechen?"
Die Debatte im Bundestag über Trisomie-Tests für Schwangere ist vorbei. Viele Abgeordnete haben sehr persönlich argumentiert. Unser Liveblog zum Nachlesen.
- Ragnar Vogt
- Ruth Ciesinger
Stand:
- Der Bundestag diskutiert über Bluttests vor der Geburt etwa auf das Down-Syndrom des Kindes. Es ist eine offene Debatte, es gibt also keine Vorgaben von den Fraktionen.
- Ein Thema ist, ob Krankenkassen solche Tests bezahlen sollten. Zudem steht die Frage im Raum, ob es durch solche Tests mehr Abtreibungen geben würde.
- Bei der Debatte werden ethische und persönliche Fragen im Vordergrund stehen. So hat etwa die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt selbst ein Kind mit Down-Syndrom, dem Tagesspiegel sagte sie: „Ich habe diese Entscheidung nie bereut.“
- Seit 2011 ist ein Test auf dem Markt, bei dem bereits mit dem Blut der Schwangeren herausgefunden werden kann, ob das werdende Kind ein genetische Auffälligkeit hat, etwa Trisomie 21.
Fazit
Es war eine kluge und oft sehr persönliche Debatte. Einige Redner haben über ihre Begegnungen mit Menschen mit Down-Syndrom berichtet. Mehrere Abgeordnete erzählten von ihrer eigenen Schwangerschaft oder davon, wie sie über solche Tests bei kommenden Schwangerschaften nachdenken würden.Letzte Rednerin
"Wie können wir die Automatik zur Abtreibung durchbrechen?"
Mehrere Down-Syndrom-Menschen im Publikum
Auf der Zuschauertribüne sitzen auch mehrere Menschen mit Down-Syndrom und verfolgen die Debatte.Das Recht auf Leben schützen
Michael Brand von der SPD zitierte einen Menschen mit Down-Syndrom, Andreas: "Ich finde es total doof, dass ich eigentlich nicht leben soll." Man müsse das Recht auf Leben von Menschen wie Andreas schützen. Der Bluttest berge die Gefahr, dass der Rechtfertigungsdruck steige, dieses Angebot auch zu nutzen. Eine Diagnose auf ein Down-System führe aber zu mehr als 90 Prozent zu Abtreibungen."Weniger Risiko nur für Menschen mit mehr Geld?"
Marja-Liisa Völlers von der SPD verwies darauf, dass der Bluttest sehr viel risikoärmer sei als die Untersuchung des Fruchtwassers, die bereits von der Kasse bezahlt werde. "Weniger Risiko nur für Menschen mit mehr Geld?", fragte sie. Das dürfe nicht sein, arme Frauen dürfe man nicht von dem Test ausschließen. Ein Befund müsse auch nicht bedeuten, dass es eine Abtreibung geben werde. Es brauche vielmehr eine gute ergebnisoffene Beratung der Ärzte.Bericht von der eigenen Schwangerschaft
Kathrin Helling Helling-Plahr von der FDP erzählte, dass sie selbst einen Bluttest auf Trisomie gemacht habe, als sie zum zweiten Mal schwanger gewesen sei. Sie habe den Test bezahlen müssen. Während ihrer ersten Schwangerschaft habe sie viele Komplikationen gehabt, Ärzte hätten ihr prognostiziert, dass sie eine Fehlgeburt haben würde. Sie habe aber ein gesundes Kind bekommen. Auch bei ihrer zweiten Schwangerschaft habe sie große Ängste gehabt und mehr Gewissheit gebraucht, auch durch einen Test. Werdenden Eltern könne also der Test eine Gewissheit geben, dass ihr Kind gesund ist. Sollte doch ein Trisomie-Befund da sein, dann helfe das frühe Wissen den Eltern auch, sich darauf einzustellen. Es sei unethisch, ärmeren Menschen den Bluttest vorzuenthalten, indem er nicht von Kassen bezahlt werde."Wie schön, dass es mich gibt"
Matthias Barthke von der SPD erzählte von der Begegnung mit einem Trisomie-Kind. Es hätte ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Wie schön, dass es mich gibt" getragen. Die Gesellschaft dürfe keine Bedingungen schaffen, dass es solche Menschen nicht gebe, forderte er. Der Staat solle nicht aktiv eingreifen, dass Abtreibungen von Kindern mit Down-Syndrom wahrscheinlicher werden würden. Der Staat solle vielmehr fördern, dass die Gesellschaft positiv gegenüber Menschen mit der genetischen Auffälligkeit eingestellt ist."Keine generelle Selektion von ungeborenem Leben"
Der CDU-Abgeordnete Stephan Pilsinger von der CDU ist selbst Arzt. Er verwies darauf, dass der Bluttest auch ein falsches Ergebnis haben kann. Das könne dazu führen, dass Mütter ein Kind, dass eigentlich keine genetische Auffälligkeiten habe, abtreiben könnten. Gentests dürften erst ab der 12. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden, damit eine Abtreibung dann nicht mehr so leicht möglich sei. Nur so könne verhindert werden, dass sich die Möglichkeit von Designerbabys etablieren könne. Denn das wäre ein Schritt in eine eugenische Gesellschaft, die abzulehnen sei. Es dürfe "keine generelle Selektion von ungeborenem Leben" geben. Nur bei Risikoschwangerschaften sollten die Kassen den Trisomie-Test bezahlen.Lauterbach fordert neues Gremium
Nachreichen muss ich Ihnen noch den SPD-Politiker Karl Lauterbach, der vor etwa 20 Minuten geredet hatte. Auch er setzte sich dafür ein, dass Kassen den Trisomie-Test bezahlen sollten. Zudem verwies er darauf, dass es bald sehr viel mehr Bluttests auf verschiedene Gen-Auffälligkeiten geben werde. Diese sollten von einem neu zu schaffenden Gremium aus Experten bewertet werden."Willkommenskultur für alle Kinder"
Volker Münz von der AfD warb für eine "Willkommenskultur für alle Kinder", also auch für Behinderte. Der Bluttest auf Trisomie habe anscheinend keine Nebenwirkung, es gebe aber eine gesellschaftliche Nebenwirkung: Würde der Test Regelleistung, dann würde der Anspruch, gesunde Kinder zu bekommen, steigen. Es würde ein gesellschaftlicher Druck entstehen. Man dürfe aber behinderten Kindern das Recht auf Leben nicht verwehren. Der Bluttest dürfe nicht generell Kassenleistung werden, er solle nur bei Risikoschwangerschaften von der Kasse bezahlt werden."Down-Syndrom ist keine Krankheit"
Kirsten Kappert-Gronther von den Grünen verwies auf das Beispiel Island: Dort werde der Bluttest bereits von den Kassen bezahlt. Das habe zur Folge, dass dort eine Abtreibung von Embryos mit Trisomie der Normalfall sein. "Das darf es in Deutschland nicht geben", sagte sie. Denn: "Down-Syndrom ist keine Krankheit." Es gebe ein Recht auf Nichtwissen. Dass der Test eine generelle Standardleistung werde, lehne sie ab."Wir brauchen eine Willkommenskultur für alle Kinder"
"Warum Habt ihr Angst vor uns?"
"Dieser Bluttest muss Kassenleistung werden"
Unruhe im Plenum
"Dieser Test muss Regelleistung werden", sagte Axel Gehrke von der AfD. Denn der Bluttest sei viel ungefährlicher als andere Verfahren. Er nutzte die Debatte aber auch für seine Kritik am Abtreibungsrecht und plädierte für eine höhere "Wertschätzung des ungeborenen Lebens". Zudem behauptete er, Grüne und SPD würden noch für Abtreibungen bis zum 9. Monat sein – dabei kam Unruhe im Plenum auf."Unterirdisch illustrierter Tweet"
Als erstes sprach Claudia Schmidke von der CDU. Sie kritisierte die FDP für ihren "unterirdisch illustrierten Tweet" zum Thema. In dem Tweet zum Bluttest war ein Kind mit Dorn-Syndrom zu sehen. Zudem plädierte Schmidtke dafür, Eltern mit dem Ergebnis eines Bluttests nicht allein zu lassen.Debatte beginnt
Die Debatte ist eröffnet. 38 Abgeordnete aus allen Fraktionen sollen für jeweils drei Minuten reden. Zwischenrufe soll es nicht geben. Die Debatte soll 114 Minuten dauern.Um was es geht
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: