
© Hannibal Hanschke/Reuters
Newsblog zu Merkel-Aussprache: "Wir verpflichten uns, die Klimaschutzziele 2030 voll einzuhalten"
Bei der Befragung im Bundestag antwortete Merkel zum Klimaschutz, Tariflöhnen in der Pflege, Mindestlohn - aber nicht zu Peter Altmaier. Nachzulesen im Newsblog
Von Ruth Ciesinger
Stand:
Bevor Angela Merkel zum EU-Sondergipfel nach Brüssel reiste, stand die Kanzlerin am Mittag noch den Abgeordneten im Bundestag Rede und Antwort. Wie erwartet, ist sie auch noch einmal auf die Brexit-Verhandlungen eingegangen. Die Fragen an die Kanzlerin und ihre Antworten können Sie hier nachlesen.
Neuen Beitrag anzeigen
Neue Beiträge anzeigen
new updates
Die Aussagen der Kanzlerin im Überblick
Und das war die dritte Regierungsbefragung von Angela Merkel. Die wichtigsten Aussagen der Kanzlerin:
- Merkel ist für eine längere Brexit-Verschiebung für die Briten
- Sie ist gegen eine einheitliche Grundsteuer und eine einheitliche Grundrente - was der Koalitionspartner anders sieht.
- Bei Enteignungen hat sie noch einmal klar gemacht: Das ist aus ihrer Sicht der falsche Weg.
- Die geplante Studie von Jens Spahn zu psychischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen wird kommen.
- Es wird Tariflöhne in der Pflegebranche geben, und zwar in den kommenden Monaten.
- Die Klimatschutzziele für 2030 werden "vollumfänglich eingehalten", und eine CO2-Bepreisung in nicht-zertifizierten Bereichen schließt sie für die Zukunft nicht aus.
Zum Schluss kein Wort zu Peter Altmaier
Die FDP hat die letzte Frage dieser Fragerunde und will wissen: Hat Angela Merkel "vollstes Vertrauen" zu ihrem Wirtschaftsminister Peter Altmaier? Der ist nämlich zuletzt massiv unter Beschuss geraten, befeuert auch von Friedrich Merz` Freunden.
Angela Merkel vermeidet es, auf Altmaier einzugehen.
Eine einheitliche Grundsteuer?
Aus der SPD kommt von Bernhard Daldrup eine Frage zur Grundsteuerreform. Sollte dieses Recht weiter in ganz Deutschland einheitlich sein?
Merkel hat "durchaus Sympathie dafür, dass es auch Abweichungen geben können sollte".
Nachfrage: Und wenn die Grundsteuer dann möglicherweise ganz wegfällt?
Merkel: "Nun wollen wir mal den Teufeln nicht an die Wand malen. Wir haben sowieso kein ganz einheitliches Steuerrecht überall."
Jens Spahn und seine Studien-Pläne
Katja Dörner (Grüne) kritisiert die Pläne von Jens Spahn, eine Fünf-Millionen-schwere Studie zur Überprüfung der psychischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen durchführen zu lassen.
Merkel sagt, sie halte die Studie "für sinnvoll und vernünftig". Deshalb werde sie "wohl auch durchgeführt".
Zusatzfrage: Könnten die fünf Millionen nicht anderswo drängender investiert werden?
Merkel: Durch unsere aktuellen Regelungen verbessern wir die Situation beispielsweise der Hebammen bereits.
Deutsche Bank und Commerzbank
Fabio De Masi (Linke) will wissen, ob Merkel ausschließen kann, dass eine mögliche Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank nicht schlussendlich wieder durch den Steuerzahler finanziert, beziehungsweise gerettet werden müsse.
Merkel findet, die Regierung solle sich jetzt nicht in Marktfragen einmischen.
Wie steht es um das Verhältnis zu China?
Florian Hahn (CDU) will wissen, wie es um das Verhältnis der EU mit China steht.
Merkel betont, dass es von beiden Seiten faires Verhalten braucht. In der EU sei man inzwischen relativ sensibel, dass ein gemeinsames, übereinstimmendes Verhalten und eine kohärente, europäische Politik das Ziel sein sollten.
"Uploadfilter", die Zweite
Stephan Thomae von der FDP will zum "Uploadfilter" wissen, wie sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene zu verhalten gedenke.
Merkel wiederholt: Die grundsätzliche Haltung, "dass dieser Kompromiss für tragfähig erachtet werde", habe Bestand.
Paketbranche und die Frage der Nachunternehmerhaftung
Aus der SPD-Fraktion heraus wird die Paketbranche angesprochen.
Merkel sagt, auch sie wolle "mehr geordnete Verhältnisse in der Paketbranche". Zum Instrument der "Nachunternehmerhaftung", das Olaf Scholz einführen will, sagt sie: "An dem Punkt sind wir noch nicht angekommen". Es gebe auch andere Möglichkeiten.
Waffenlieferungen an Saudi Arabien
Sevim Dagdelen (Linke) spricht den Jemen-Krieg an und die Genehmigungen für Waffenexporte an Saudi Arabien. Warum würden diese nicht alle komplett gestoppt, auch die Lieferungen von Tornados?
Merkel antwortet: Deutschland bringe sich sehr bei der Konfliktlösung ein. Was die Lieferungen der Tornados betreffe, müsse man abwägen. Bei den Gemeinschaftsprojekten gebe es "Vereinbarungen mit den Partnern", und da gebe es "ein Spannungsfeld zwischen der Verlässlichkeit Deutschlands als Bündnispartner einerseits und politischen Zielen andererseits".
Nachfrage: "Schön, dass die europäische Rüstungspolitik einen höheren Stellenwert hat als das Töten von Menschen. Warum stoppen Sie nicht die Waffenlieferungen an Saudi Arabien?"
Antwort: Man habe die entsprechenden Rahmenbedingungen, die bei Gemeinschaftsprojekten gelten. Für nationale Projekte gibt es für die kommenden sechs Monate keine Möglichkeit der Rüstungsexporte.
Eine wie lange Verlängerung für die Briten?
Gunther Krichbaum (Union) will zum Brexit wissen: Bis wann soll die Brexit-Frist für die Bristen verlängert werden?
Merkel antwortet: "Die Verlängerung sollte so kurz wie möglich sein." Da Großbritannien gegebenenfalls bei der EU-Wahl mitmachen werde, sei es richtig, die Wünsche Großbritanniens zu berücksichtigen. Man könne also die Verlängerung durchaus über mehrere Monate anstreben.
Zusatzfrage: Gab es ein Abstimmungsgespräch mit Frankreich?
Merkel antwortet sinngemäß: Ja, wir sprechen uns dauernd ab.
Tariflöhne für Pflegekräfte
Claudia Moll (SPD) spricht zur Pflege, sie hat selbst fast 30 Jahre in der Pflege gearbeitet. Sie fordert "endlich Tariflöhne für die Pflegefachkräfte". Und man müsse Eigenanteile für die Pflegeversicherung neu bedenken und gegebenenfalls deckeln.
Merkel antwortet auf eine nichtgestellte Frage und sagt, "ich glaube, ich habe Ihre Frage erahnt". Sie unterstütze die Tariflöhne für Pflegekräfte. Hier müssten sich aber auch die Tarifparteien untereinander einigen, was sich kompliziert gestalte. Da werde man in den kommenden Monaten aber zu einem Abschluss kommen.
Die Nachfrage ist eine Bitte: "Lassen Sie uns gemeinsam dieses System von Kopf bis Fuß umkrempeln."
Merkel antwortet: Da müsse sie bei aller Einigkeit doch widersprechen. Man habe sehr viel geändert, vor allem die Pflegegrade, und das ganze System könne nicht schon wieder zur Disposition gestellt werden.
Wohnungsnot, die Zweite
Udo Hemmelgarn von der AfD geht auf die Enteignungsdebatte ein. Er sieht auch "eine verfehlte gesellschaftliche Entwicklung" als Grund dafür, dass die Situation jetzt so ist, wie sie ist.
Merkel versteht nicht so ganz, was Hemmelgarn mit der Entwicklung meint. Sie betont noch einmal verschiedene Maßnahmen, die die Bundesregierung gegen Wohnungsnot unternehme.
Klimaschutz, die Zweite
Von Oliver Krischer (Grüne) kommt ebenfalls eine Frage zum Klimaschutz. Merkel habe die Ziele im Klimaschutz verfehlt, sagt er.
Die Kanzlerin sieht das erwartungsgemäß anders. Sie betont noch einmal, dass man die für 2030 selbst gesteckten Ziele erreichen werde. Man habe außerdem zum Beispiel auch den CO2-Preis pro Tonne deutlich steigern können. Es gebe erhebliche Fortschritte, zum Beispiel auch im Bereich Energieerzeugung.
Nachfrage: Warum kämpft Deutschland an der Seite Polens gegen das Ziel 100 Prozent erneuerbare Energien zu erreichen?
Merkel ausweichend: "Ich habe nicht gesagt, wir werden 40 Prozent Emissionsreduzierung erzielen, sondern über 30 Prozent."
"Mietenwahnsinn stoppen"
Karin Lay (Linke) wirft der Kanzlerin vor, der "tickenden Zeitbombe" Wohnungsnot tatenlos zugesehen zu haben. "Wie wollen Sie den Mietenwahnsinn stoppen?"
Merkel antwortet: "Das ist ein wirklich wichtiges Thema. Enteignungen aber sind der falsche Weg." Sie verweist auf die Mietpreisbremse, auf Pläne, mehr Bauland zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung plane eine Wohngeldnovelle und bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Neubau.
Nachfrage: Vor einem Jahr habe die Kanzlerin bereits schon so geantwortet. "Was wollen Sie tun?"
Merkel antwortet: Man habe im Lauf des vergangenen Jahres bereits viel durchgesetzt (Verweis auf das Baukindergeld). Darum gehe es aber gar nicht. Man brauche mehr Wohnungsbau, Eindämmung von Mietwucher und kein brachliegendes Bauland. Das könne man auch steuerrechtlich ins Auge fassen.
Lindner zur CO2-Bepreisung
Christian Lindner (FDP-Chef) will etwas zum Klimaschutz wissen. Annegret Kramp-Karrenbauer wolle mit CO2-Bepreisung, auch im nicht-zertifizierten Bereich arbeiten. Teile die Kanzlerin diese Auffassung?
Angela Merkel antwortet: Bisher habe man den CO2-Ansatz in diesen Bereichen nicht verfolgt, werde sich jetzt aber anschauen, ob diese "Bepreisungsansätze zur Geltung" kommen sollten.
"Wir schauen uns das an. Klar ist: Wir verpflichten uns, die Klimaschutzziele 2030 vollumfänglich einzuhalten".
Nachfrage: "Sie wollen den Klimaschutz marktwirtschaftlich neu regeln? Was planen Sie denn Neues?"
Merkel antwortet: "Wir wären ja ignorant, wenn wir neue Erkenntnisse nicht in unser Handeln aufnehmen würden."
Europäischer Mindestlohn
Christian Petry, SPD, will wissen, wie es mit den Existenz-sichernden Mindestlöhnen in Europa aussehe und wie Merkel dazu stehe.
Merkel antwortet: "Wir wollen eine vernünftige Mindestlohnszenerie in Europa." Die konkreten Lebens- und Einkommenssituationen seien aber unterschiedlich und deshalb könne es auch keinen einheitlichen Mindestlohn in Europa geben.
Nachfrage: Es gehe um den Existenz-sichernden Mindestlohn.
Antwort Merkel: Man werde nach der Europa-Wahl dazu Stellung beziehen, wenn die Kommission das Thema aufrufe.
Zum Uploadfilter fragt die AfD
Die erste Frage kommt von der AfD, Tobias Peterka. Er will wissen ob Merkel sich bei der Urheberrechtlinie "und beim Uploadfilter" für eine deutsche Enthaltung im EU-Rat einsetzen wird.
Merkel antwortet, der Uploadfilter komme in der Richtlinie gar nicht vor. Man wisse noch gar nicht, wie die Umsetzung in nationales Recht jeweils aussehen werde. Schon heute aber sehe man, dass die Inhalte von Kreativen nicht ausreichend geschützt würden. Sie halte "diesen Kompromiss für vertretbar".
Nachfrage: Gab es einen "Kuhhandel mit Macron für Northstream 2 gegen Uplaodfilter"?
Merkel antwortet: Sie weise die Wortwahl zurück. Es habe Kompromissbereitschaft beim Urheberrecht auf beiden Seiten gegeben, da Frankreich noch schärfere Regelungen gefordert habe. Die Gasrichtlinie sei davon unabhängig und ebenfalls ein "Kompromiss in der Sache" gewesen.
"Uns bleiben noch 59 Stunden Zeit"
Bevor sie befragt wird, darf die Kanzlerin erstmal noch ein paar einführende Worte sprechen. Sie spricht zum Brexit und weist daraufhin, dass nur noch 59 Stunden bleiben, einen ungeordneten Brexit zu vermeiden.
Die Kanzlerin plädiert dafür, den Briten eine längere Frist als bis zum 30. Juni einzuräumen, um eine gemeinsame Lösung für den geregelten EU-Austritt zu finden.
Es geht los
Der Gong hat geschlagen, die Sitzung wird von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eröffnet.
SPD-Forderung aus dem Koalitionsvertrag
Dieses Frageformat im Bundestag hatte übrigens die SPD im Koalitionsvertrag untergebracht. Beim ersten Mal (zweimal hat die Fragestunde inzwischen stattgefunden) waren keine Nachfragen an die Kanzlerin erlaubt. Das hatte die Veranstaltung eher weniger interessant gemacht.
Nach einer Entscheidung des Bundestags vom vergangenen Februar soll diese Befragung künftig
immer unmittelbar vor Ostern, vor der Sommerpause und vor Weihnachten stattfinden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: