
© Kitty Kleist-Heinrich
Lobbywächter: Lobbying braucht immer Regeln und Formen
Der PR-Experte Günter Bentele über die Idee, einen Interessenbeauftragten beim Bundestag einzurichten.
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Dieser Text ist Teil unserer Debatte zum Lobbyismus. Weitere Beiträge finden Sie hier.
Lobbying machen nicht nur die Unternehmen und Unternehmensverbände, Lobbying machen auch die Gewerkschaften, Kirchen und NGOs, auch wenn diese Lobbying nicht immer so nennen. Lobbying ist Interessenvertretung im politischen Kommunikationsprozess, der sich zwischen den Akteuren der Gesellschaft (zum Beispiel Unternehmen, Verbände, Kirchen, Gewerkschaften, NGOs) auf der einen Seite und Akteuren des engeren politischen Systems (wie Abgeordnete und Ministerialbeamte) abspielt. Das primäre Ziel dieses Kommunikationsprozesses ist es, unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess zu nehmen.
Lobbying ist eine legitime und wichtige Form von politischer Interessenvertretung
Insofern ist Lobbying politische Interessenvertretung, die nicht direkt über die Wahl von Abgeordneten und Parteien läuft, sondern in den Zwischenräumen des politischen Prozesses stattfindet. Dass diese Form von Interessenvertretung legitim und grundgesetzlich geschützt, darüber hinaus für den politischen Entscheidungsprozess parlamentarischer Demokratien wichtig, notwendig und funktional ist, schon allein deshalb, weil das politische System im Gesetzgebungsprozess auf Fachwissen angewiesen ist, was dort nicht ausreichend vorhanden ist, darüber sind sich Politiker, Vertreter gesellschaftlicher Interessen und die Wissenschaft weitgehend einig. Bei der Bevölkerung ist dieses Wissen jedoch nur sehr spärlich verbreitet.
Der Begriff "Lobbyist" ist in Deutschland negativ konnotiert
Eng damit zusammenhängt, dass der Klang des Wortes Lobbying und vor allem des Wortes Lobbyist im deutschen Sprachraum - im Gegensatz zu den USA - reichlich negativ ausfällt. Dies zeigen Umfragen in Deutschland oder Österreich. Der Begriff „politische Interessenvertretung“ ist dagegen eher positiv konnotiert. Schließlich vertreten die gewählten Abgeordneten Interessen ihres Wahlkreises, darüber sind sie oft tatsächliche Lobbyisten mit spezifischen Aufgabenbereichen - man spricht von „Built-in-Lobbyisten“ -, seien sie nun gewerkschaftlich, kirchlich, umweltpolitisch, dem Tierschutz oder dem Kindeswohl gewidmet. Aus diesem Grund steht auf den Business-Cards dieser Menschen so gut wie nie „Lobbyist“, sondern zum Beispiel „Leiter (oder Referent) Konzernpolitik“, Government Relations, Leiter der politischen Vertretung Berlins oder Public-Affairs-Berater.

© Kai-Uwe Heinrich
In den USA, wo Lobbying nicht nur eine lange Geschichte hat, sondern wo auch die strengsten Gesetze und Lobbyingregeln der Welt existieren, sind Lobbyisten, die sich auch so nennen, viel selbstverständlicher. Eine Frau, deren Kind durch einen betrunkenen Autofahrer ums Leben kam, die daraufhin aktiv wird und andere Mütter und Gleichgesinnte sucht, bildet eine Lobbygruppe, die versucht, Druck auf Kongressabgeordnete auszuüben, um bestimmte Gesetzesverschärfungen durchzubekommen. Interessenvertretung durch Lobbying außerhalb von Wahlen ist dort selbstverständlicher als hierzulande, auch der Klang des Begriffs Lobbying ist deutlich positiver.
In Deutschland fehlen klare Lobby-Regeln
Lobbying in modernen Demokratien benötigt immer Regeln und Formen, in denen der Prozess abläuft. Diese sind in Deutschland deutlich unschärfer geregelt als in den USA. Natürlich sind bestimmte Formen der politischen Interessenvertretung, zum Beispiel Bestechung, Bestechlichkeit und Korruption, strafbar. Es existieren auch eine Reihe von Codizes, die diesen Prozess versuchen zu strukturieren und konturieren, Ziele, aber auch No-gos zu formulieren. Beispielsweise hat die deutschen Gesellschaft für Politikberatung (Degepol) oder der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) solche Regeln formuliert. Aber wer kontrolliert, ob Gesetze und ethische Regeln eingehalten werden?
Dominik Meier, Vorsitzender der Degepol, hat jüngst einen Vorschlag gemacht, der es sicher verdient, weiter diskutiert zu werden. In Anlehnung an die Institution des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags soll die Einsetzung eines Interessenbeauftragten beim Bundestag für mehr Transparenz bei der politischen Interessenvertretung sorgen. Nachdem die Debatte um ein verpflichtendes Lobbyregister bislang keine greifbaren Ergebnisse erbracht hat, soll dieser Vorschlag neue Dynamik in diese Diskussion bringen.
Die Meinungen zur Einführung eines Lobbyregisters sind kontrovers
Die seit 1972 existierende Verbändeliste beim Deutschen Bundestag wird von Lobbycontrol gar nicht als Lobbyregister bezeichnet, weil dort viele Informationen und Lobbyisten fehlen. Die Institution des Interessenbeauftragten soll sich nicht mit den Inhalten der Kommunikation, sondern vor allem mit der Form und Methodik der Interessenvertretung befassen, mit dem Petitionsausschuss kooperieren, Fehlverhalten identifizieren, gegebenenfalls öffentlich rügen und regelmäßig berichten. Verbände, Selbstkontrollorgane und andere Wächterinstitutionen wurden um Stellungnahmen gebeten, es soll eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber entstehen.
Man wird sehen, ob und wie weit diese Initiative trägt. Der DRPR, das Selbstkontrollorgan des PR-Berufsfeldes, diskutiert diesen Vorschlag derzeit, die Meinungsbildung ist noch nicht abgeschlossen. Die Meinungen dazu sind noch sehr unterschiedlich: angefangen von weitgehender Zustimmung bis zur völligen Ablehnung. Pro-Argumente sind: Eine solche Institution wäre ein wichtiger Beleg dafür, dass Interessenvertretung zu einer pluralistischen, demokratischen Struktur gehört, nicht mehr Lobbyisten allein wären im Fokus, ein Interessenbeauftragter könnte das niedrige Vertrauen in den Prozess der Interessenvertretung allgemeiner wiederherstellen. Die Gegenargumente: Ein solcher Vorschlag sei in der gegenwärtigen Situation reine Symbolpolitik, würde nichts bringen, die politischen Interessenvertreter sollten diesen notwendigen Prozess selbstverantwortlich versuchen zu regeln und nicht gleich der Politik überantworten.
Ein Interessenbeauftragter ist kein Ersatz für ein Lobbyregister
Die Diskussion um größere Transparenz im Lobbyingprozess und der politischen Beratung sollte sicher auf breiterer Ebene geführt werden. Wichtig scheint zu sein, dass zunächst auch die Politik, insbesondere der Bundestag, in der Bringschuld steht, ein modernes, verpflichtendes Lobbyregister zu schaffen, das größere Transparenz bringt. Doch hier kann man nicht allzu optimistisch sein. Die Institution eines Interessenbeauftragten kann kein Ersatz für ein Lobbyregister, aber ein zusätzlicher Mechanismus sein, die notwendige Transparenz kontinuierlicher herzustellen und den für moderne Demokratien unabdingbaren Kommunikationsprozess transparent zu regeln.
Notwendig dazu wären aber zuallererst der klare Wille der Regierung und des Bundestags zur Einrichtung einer solchen Institution, eine entsprechende gesetzliche Grundlage, ein Budget, etc. Ein Blick in die USA hinsichtlich der dort vorhandenen Lobbyregelungen lohnt allemal.
Günter Bentele ist emeritierter Hochschullehrer für Öffentlichkeitsarbeit/PR an der Uni Leipzig und Vorsitzender des Deutschen Rats für Public Relations.
Günter Bentele
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