zum Hauptinhalt

Politik: London friert Beziehungen zu Teheran ein

Blair fordert mehr diplomatischen Druck / Merkel: Gefangennahme der Soldaten völlig inakzeptabel

Stand:

Großbritannien hat am Mittwoch alle bilateralen Kontakte zu Teheran abgebrochen. Die Regierung wolle sich nur noch auf die Freilassung von 15 britischen Marineangehörigen konzentrieren, die der Iran seit Freitag vergangener Woche festhält. Die offiziellen Kontakte sollen erst wieder aufgenommen werden, wenn alle Soldaten unversehrt freigelassen sind, sagte Außenministerin Margaret Beckett in London. „Bedauerlicherweise“ sei der Iran nicht auf Großbritanniens Bestreben eingegangen, die Affäre „schnell und still durch Diplomatie hinter den Kulissen“ aus der Welt zu schaffen. Nun habe „eine neue Phase“ begonnen. Kurz darauf stellte Teheran in Aussicht, die einzige Frau in der Gruppe, die 26-jährige Faye Turney, freizulassen.

Iranische Schnellboote hatten die Marineangehörigen festgenommen, als diese im Mündungsbereich des irakisch-iranischen Grenzflusses Schatt al Arab ein Handelsschiff kontrollieren wollten. Das britische Verteidigungsministerium veröffentlichte jetzt Seekarten, Fotos und von Satellitenpositionierungsgeräten aufgezeichnete Koordinaten, denen zufolge die Briten 1,7 Seemeilen innerhalb irakischer Hoheitsgewässer festgenommen worden sind. Mit dem Global Positioning System (GPS) lässt sich an jedem Punkt der Erde der genaue Standort bestimmen.Vizeadmiral Charles Styles sprach von einem „Überfall“ auf die Soldaten. Nach iranischer Darstellung dagegen waren die Briten auf See einen halben Kilometer auf iranisches Gebiet vorgedrungen.

Der britische Premier Tony Blair legte die bisherige diplomatische Zurückhaltung ab und nannte die Festnahme „illegal“. Jetzt müsse der diplomatische und internationale Druck steigen, um dem Iran zu zeigen, dass er „völlig isoliert ist“. Blair erinnerte daran, dass die verschleppten Briten auf Grundlage eines UN-Mandats die irakischen Hoheitsgewässer gesichert hatten.

EU-Ratspräsidentin und Kanzlerin Angela Merkel nannte die Gefangennahme „völlig inakzeptabel“. Merkel wird am Wochenende Teilnehmer des Arabischen Gipfels treffen, der gerade in Riad stattfindet. Dort schaltete sich die Türkei in die Krise mit ein: Türkische Diplomaten könnten die Briten vielleicht besuchen, sagte Premier Recep Tayyip Erdogan nach einem Gespräch mit Irans Außenminister Manuschehr Mottaki in Riad. Die Briten wollen aber sofort Informationen über den Aufenthaltsort der Soldaten, Zugang für britische Diplomaten und eine Erklärung, wie die Freilassung ablaufen solle. Nachdem das iranische Fernsehen Bilder der Soldaten gezeigt hatte, sagte Beckett: „Ich bin besorgt über die Bilder und jedes Anzeichen von Druck oder Folter.“

EU-Diplomaten fürchten, dass die Krise sich negativ auf die Bemühungen auswirken könnte, eine Lösung im Atomkonflikt mit Teheran zu finden. Blairs Appell zeigt aber, dass sich die Briten von behutsamer Diplomatie derzeit mehr versprechen als vom Aufbauen einer Drohkulisse. Weder eine Ausweisung des iranischen Botschafters noch ein offizielles Ultimatum, wie am Dienstag von der „Times“ gefordert, scheint zurzeit geplant zu sein. Sowohl London als auch Teheran wiesen Spekulationen zurück, der Vorfall auf See hänge mit der Festnahme von fünf Iranern im Nordirak durch US-Soldaten zusammen.

Aufgrund der Krise stieg der Ölpreis am Mittwochnachmittag um 1,70 Dollar auf 64,63 Dollar pro Barrel (159 Liter).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })