
© dpa/Julian Stratenschulte
„Es ist Zeit, kürzerzutreten“: Ministerpräsident Stephan Weil übergibt an Olaf Lies
Schon im Mai will Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sein Amt abgeben. Sein Nachfolger wird der bisherige Wirtschaftsminister Olaf Lies. Er dürfte die SPD in die Landtagswahl 2027 führen.
Stand:
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil will im Mai zurücktreten und verzichtet auf eine Wiederwahl als SPD-Landesvorsitzender. „Ich werde mich aus der ersten Reihe der Landespolitik zurückziehen“, sagte Weil am Dienstag in Hannover: „Ich bin 66 Jahre alt und merke das auch.“ Den jüngsten Bundestagswahlkampf etwa habe er als besonders kraftraubend empfunden, zudem leide er unter Schlafstörungen. „Ich habe den Eindruck, es ist Zeit, kürzerzutreten.“
Als Nachfolger schlug Weil seinen Wirtschaftsminister Olaf Lies, 57, vor. Am Dienstagmorgen hatte Weil seine Pläne dem SPD-Landesvorstand vorgetragen. Geht es nach der SPD, so wird der Landtag Lies am 20. Mai zum neuen Ministerpräsident wählen. Für die Wahl des Ministerpräsidenten im Landtag ist die SPD auf ihren Koalitionspartner, die Grünen, angewiesen. Man habe mit den Grünen gute Gespräche geführt, sagten Weil und Lies. Die Grünen ließen ihre Unterstützung von Lies erkennen. Am 24. Mai soll ein SPD-Parteitag über den Landesvorsitz entscheiden.
Weil, Ministerpräsident seit 2013, führt Niedersachsens SPD seit 2012. Drei Landtagswahlen in Folge hat Weil gewonnen. Zuerst regierte er mit dem Juniorpartner CDU, nun mit den Grünen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Weil und Lies gaben sich am Dienstag demonstrativ einig, beide sprachen von einer „Freundschaft“ miteinander. In einem Mitgliederentscheid über die Spitzenkandidatur 2013 war Lies knapp dem damaligen Hannoveraner Oberbürgermeister Weil unterlegen. Weil übernahm den Landesvorsitz und holte nach der gewonnenen Wahl 2013 Lies als Wirtschaftsminister in sein Kabinett.
Mit „hohem Respekt und großer Demut“ wolle er die Aufgaben übernehmen, sagte Lies. Er wolle die rot-grüne Landesregierung nach den Wahl 2027 weiterführen. Darüber hinaus sei ihm an „demokratischen Mehrheiten“ im Landtag gelegen, sagte er mit Blick auf die oppositionelle CDU. „Ich bin stolz auf Niedersachsen“, und er wolle, dass die Niedersachsen stolz auf ihr Land seien, sagte Lies.

© IMAGO/Panama Pictures/IMAGO/Dwi Anoraganingrum
Dienstältester SPD-Ministerpräsident
Weil ist bisher der dienstälteste sozialdemokratische Ministerpräsident. Er ließ neben den persönlichen auch politische Gründe seines Rücktritts erkennen. Bis zur Wahl 2027 seien es noch zweieinhalb Jahre, sagte er. In diesen Zeiten des Umbruchs sei ein „langer Atem“ nötig. Lies habe diesen langen Atem. Außerdem wolle er einen Beitrag leisten zu dem von SPD-Chef Lars Klingbeil verlangten „Generationswechsel“ in der SPD. Er sei mit sich im Reinen, sagte Weil, und gehe, während er „von keiner Seite bedrängt worden“ sei.
In der letzten Umfrage lag die SPD mit 25 Prozent hinter der CDU (30 Prozent). Weil und die SPD hatten bei der Wahl 2022 respektable 33,4 Prozent geholt.
CDU-Partei- und Fraktionschef Sebastian Lechner, 44, sieht seine Chance, den „Swing State“ Niedersachsen zurückzuerobern. Weil habe sich um das Land verdient gemacht, „persönlich wünsche ich ihm alles Gute“, sagte Lechner dem Tagesspiegel: „Der Wechsel von Stephan Weil zu Olaf Lies ist allerdings kein Neuanfang, er ist seit zwölf Jahren Minister und hat alle Missstände im Land mitzuverantworten und will ein Rot-Grünes weiter so.“ Das werde die CDU „nicht unterstützen“.
In den letzten Jahrzehnten gab es immer wieder parteipolitische Wechsel in Hannovers Staatskanzlei, so 1990 von Ernst Albrecht (CDU) zu Gerhard Schröder (SPD), 2003 von Sigmar Gabriel (SPD) zu Christian Wulff (CDU) und 2013 von David McAllister (CDU) zu Weil.
Lies, Jahrgang 1967, kommt aus dem Friesland, er gilt als „Kümmerer“, ist beliebt. Einst kämpften die Bezirke innerhalb der niedersächsischen SPD gegeneinander. Der kleine Bezirk Weser-Ems, aus dem Lies stammt, hatte oft das Nachsehen gegenüber den mächtigen Hannoveranern. Lies gilt als spontaner als Weil, risikobereit, zuweilen unstrukturiert. Sympathien bei der Basis haben beide.
Als dem damaligen Umweltminister Lies 2019 ein gut bezahltes Angebot vorlag, um in die freie Wirtschaft zu wechseln, verzichtete er nach ein paar Tagen Bedenkzeit. Lies hätte Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) werden können. In einem gemeinsamen Auftritt mit Weil gab er seinen Verzicht auf den Job bekannt, sagte damals: „Mein Platz ist in Niedersachsen.“
Stets loyal hat sich Lies zu Weil verhalten. Lies, verheiratet, zwei Kinder, ließ sich nach dem Wehrdienst bei der Marine zum Diplom-Ingenieur ausbilden. Er gehört dem Landtag seit 2008 an. In beiden Ämtern, als Umwelt- wie als Wirtschaftsminister, agierte Lies pragmatisch, wie es in Niedersachsens SPD üblich ist, trieb etwa den Bau von Bahnstrecke und Flüssiggas-Terminals voran. Wer Lies als Wirtschaftsminister beerben könnte, galt am Dienstag noch als offen.
Zu den ersten Bewährungsproben für Lies, nach der Wahl durch den Landtag und einer möglichen Kabinettsumbildung, zählt die niedersächsische Kommunalwahl 2026. Gewählt wird dann auch der Oberbürgermeister von Hannover. Seit 2019 ist das Belit Onay (Grüne), nachdem die SPD bis dato alle Oberhäupter der Landeshauptstadt nach 1946 gestellt hatte.
Bei der jüngsten Bundestagswahl kam die SPD in Niedersachsen nur noch auf 23 Prozent der Zweitstimmen, landete hinter der CDU (28,1 Prozent). Infolge populärer Direktkandidaten wie etwa SPD-Chef Lars Klingbeil, Verteidigungsminister Boris Pistorius, Arbeitsminister Hubertus Heil, Generalsekretär Matthias Miersch und dem jungen Europapolitiker Adis Ahmetovic holte die SPD 29,4 Prozent der Erststimmen, nur leicht weniger als die CDU-Kandidaten (31,1 Prozent). Die AfD holte mit 17,8 Prozent so viele Zweitstimmen wie noch nie in Niedersachsen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: