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Eine Rauchwolke steigt nach einer Explosion nahe des Flughafens von Lwiw auf.

© Uncredited/AP/dpa

Update

Mehrere Raketen in Fabrik eingeschlagen: Russland bestätigt Angriff auf Flugplatz nahe Lwiw

Das Gebäude der Flugzeugwerkstatt wurde durch den Beschuss offenbar zerstört. Lwiw ist Zufluchtsort und Durchgangsstation für hunderttausende Flüchtlinge.

Die russische Armee setzt nach eigenen Angaben ihre landesweite Bombardierung der Ukraine fort. Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte am Freitagabend eine Offensive auf den Flugplatz nahe der westukrainischen Großstadt Lwiw (Lemberg). Dort seien ukrainische Kampfflugzeuge abgestellt gewesen. Zudem sei eine Werkstatt zerstört worden, sagte Sprecher Igor Konaschenko.

Der Bürgermeister der Stadt nahe der EU-Außengrenze, Andrij Sadowij, hatte am Morgen von mehreren Raketeneinschlägen berichtet. "Mehrere Raketen schlugen in einer Fabrik ein, in der Flugzeuge repariert werden", schrieb er auf Facebook.

Der Flughafen selbst sei nicht getroffen worden. Angriffe seien zudem auf Munitionsdepots in Vororten der Städte Mykolajiw und Wosnessensk geflogen worden. Das ließ sich nicht unabhängig überprüfen. Laut Angaben der Stadt Mykolajiw gab es im Zusammenhang mit dem neuen Militärschlag Schäden am Stromnetz.

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Über dem angegriffenen Gebiet in der Nähe des Flughafens von Lwiw stieg eine dichte Rauchwolke auf. Zeugen berichteten von einer heftigen Explosion. Rettungskräfte seien im Einsatz, erklärte Bürgermeister Sadowyj am Freitagmorgen. Lwiw ist Zufluchtsort und Durchgangsstation für hunderttausende Flüchtlinge aus dem Rest der Ukraine, auch viele westliche Diplomaten gingen von der Hauptstadt Kiew nach Lwiw.

Das Gebäude der Flugzeugwerkstatt bei Lwiw wurde dem Bürgermeister zufolge durch den Beschuss zerstört. Opfer gebe es bislang keine, der Betrieb sei zuvor bereits eingestellt worden.

Wie die ukrainische Luftwaffe erklärte, wurde die Gegend nach vorläufigen Informationen von vier russischen Marschflugkörpern getroffen, die aus mehreren hundert Kilometern Entfernung vom Schwarzen Meer aus abgefeuert worden waren. Zwei weitere russische Raketen seien von der ukrainischen Luftabwehr abgeschossen worden, bevor sie ihr Ziel erreichten.

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Die Großstadt Lwiw (Lemberg) blieb bislang weitestgehend von den Kämpfen verschont. Die russische Armee hatte jedoch am Sonntag einen ukrainischen Militärstützpunkt in der Gegend nahe der Grenze zu Polen bombardiert, was den Krieg gefährlich nahe an die Nato sowie die EU heranführte.

Da die seit drei Wochen andauernde Ukraine-Offensive des russischen Staatschefs Wladimir Putin aufgrund des massiven ukrainischen Widerstands ins Stocken geraten ist, setzt Moskau zunehmend auf Luftangriffe, um die Oberhand zu gewinnen. Nach Schätzungen des US-Verteidigungsministeriums hat Russland seit Beginn des Krieges über 1000 Raketen auf ukrainische Ziele abgefeuert. Noch vor Tagesanbruch heulten auch am Freitag in Städten im ganzen Land die Alarmsirenen.

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Die russische Armee setzte auch ihre Angriffe auf die belagerte Hafenstadt Mariupol im Südosten fort. Die Streitkräfte rückten zusammen mit ihren separatistischen Verbündeten aus der von Moskau anerkannten "Volksrepublik" Donezk ins Stadtzentrum vor und "bekämpfen die Nationalisten im Zentrum der Stadt", wie der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, mitteilte.

Im eingekesselten Mariupol bleibt die humanitäre Lage katastrophal. Die Menschen können die Stadt nicht verlassen, auch weil die Einrichtung von Fluchtkorridoren immer wieder scheitert.

Derweil ist die Zahl der Opfer nach dem Bombardement eines als Schutzort genutzten Theaters immer noch unklar. Der Bombenschutzkeller des Gebäudes habe den Beschuss überstanden und einige "Erwachsene und Kinder" seien lebend hinausgekommen, erklärte die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmila Denisowa, am Freitag. Die Arbeiten, um den Zugang zu dem Keller freizubekommen, dauerten demnach an. Schätzungen zufolge hatten etwa tausend Menschen in dem Theaterkeller Schutz gesucht.

Mehr als 2000 Menschen starben offenbar in Mariupol

Der ukrainische Abgeordnete Sergiy Taruta erklärte, Russlands Blockade der Stadt behindere die Rettungsbemühungen. Zwar hätten es einige Menschen aus dem zerstörten Theater hinaus geschafft. Aber die anderen, "die das Bombardement überlebt haben, werden unter den Trümmern des Theaters sterben, oder sind schon tot".

Nach ukrainischen Angaben hatte Russland das Theater in Mariupol am Mittwoch bombardiert, obwohl vor beiden Seiten des Gebäudes gut sichtbar das Wort "Kinder" auf Russisch auf den Boden geschrieben worden war. Russland wies den Vorwurf zurück, den Angriff verübt zu haben, und machte wie schon nach den Angriffen auf eine Geburtsklinik in Mariupol vergangene Woche die nationalistische ukrainische Asow-Brigade verantwortlich.

Nach Behördenangaben starben in Mariupol bereits mehr als 2000 Menschen seit dem Beginn der russischen Ukraine-Invasion am 24. Februar. "In den Straßen liegen die Leichen vieler toter Zivilisten", sagte die 58-jährige Tamara Kawunenko der Nachrichtenagentur AFP nach ihrer Flucht aus Mariupol. "Das ist nicht mehr Mariupol. Das ist die Hölle." (AFP)

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