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Die Mutter des getöteten 18-Jährigen Michael Brown, Lesley McSpadden, auf dem Weg zum Trauergottesdienst für ihren Sohn in St. Louis.

© Reuters

Trauerfeier für Michael Brown in St. Louis: „Mein Sohn, ich weiß nicht, warum Gott Dich erwählt hat“

Zum Trauergottesdienst für den 18-jährigen schwarzen Teenager, der von einem weißen Polizisten erschossen worden war, sind mehrere Tausend Menschen gekommen. An diesem Tag findet die Demonstration in der Kirche statt und nicht auf der Straße.

Die Friendly Temple Missionary Baptist Church in St. Louis hat keinen Kirchturm und keine Glocken. Von außen wirkt das Gotteshaus wie ein feudaler Versicherungsbau, drinnen wie ein Kino. Teppichboden, weiche, tiefe Sessel, der Altar steht vor einer hellen, freundlichen Holzwand. Der Sarg, in dem der Leichnam Michael Browns liegt, ist aus schwerem, schwarzen Holz gezimmert. Darauf liegt ein Strauß roter Rosen und eine Baseball-Kappe.
Es ist zehn Uhr Morgens, als die Trauerfeier beginnt. Draußen ist es mehr als 30 Grad heiß, innen klimatisiert. Als erstes tritt die Mutter an den Sarg, sie trägt ein rotes, ärmelloses Kleid. In einem Brief an ihren Sohn, hat sie geschrieben: „Mein Sohn, ich weiß nicht, warum Gott Dich erwählt hat.“ Der Sohn ist 18 Jahre alt geworden, bevor ihn ein Polizist in Ferguson, einer Vorstadt von St. Louis, mit sechs Schüssen niederstreckte. Brown war schwarz, der Polizist ist weiß. Der Fall wühlt ganz Amerika auf.

Die Trauerrede wird zur Anklage

Die etwa 5000 Plätze der Kirche waren so restlos gefüllt, dass hunderte Menschen in einen zweiten Saal mit rund 2500 Sitzen ausweichen mussten, der bald aber ebenfalls vollbesetzt war. Weiße sind nur wenige präsent.  Barack Obama hat ein paar seiner Leute aus dem Weißen Haus geschickt, die kaum bekannt sind. Aber eine von ihnen ist mit der Mutter in die Schule gegangen. Es wird viel gesungen. Dann tritt der Hauptredner an die Kanzel. Es ist Referend Al Sharpton, Pfarrer und Bürgerrechtler, bekannt für seine Scharfzüngigkeit. „Dieser junge Mann sollte jetzt eigentlich seine zweite Woche im College beginnen.“ Al Sharpton spricht mit hoher, schriller Stimme. Er ist ein geübter Redner.

Der Vater von Michael Brown mit einem Baby auf dem Arm beim Trauergottesdienst für seinen Sohn. Neben ihm sitzt seine zweite Frau im blauen Kleid. Zwei Stühle weiter die Mutter von Michael Brown.
Der Vater von Michael Brown mit einem Baby auf dem Arm beim Trauergottesdienst für seinen Sohn. Neben ihm sitzt seine zweite Frau im blauen Kleid. Zwei Stühle weiter die Mutter von Michael Brown.

© dpa

Al Sharpton spricht über die Polizeigewalt, die das Land immer wieder erschüttert, er fragt, warum die Leiche des Jungen am helllichten Tage mehr vier Stunden lang auf der Straße gelegen hat. Doch vor allem ruft er die Menschen auf, zu handeln, nicht stillzuhalten und die Gewalt hinzunehmen. Da werde die Polizei militärisch aufgerüstet, aber für die öffentliche Erziehung der Kinder gebe es kein Geld. „Er geht um Gerechtigkeit“, ruft er.

Das ist keine Trauerrede, die der Bürgerrechtler hält – das ist eine Anklage. Die Demonstration findet an diesem Tag nicht draußen auf den Straßen statt sondern in der Kirche. Michael Brown, der Vater des toten jungen Mannes hatte vor dem Gottesdienst darum gebeten, für einen Tag zu schweigen, damit seine Familie Abschied nehmen könne.

Ob gegen den Polizisten Anklage erhoben wird, ist noch offen

Die Ermittlungen gegen den Todesschützen Darren Wilson laufen derweil weiter. Eine Grand Jury soll demnächst entscheiden, ob gegen den Polizisten Anklage erhoben wird. Doch schon monieren Kritiker, dass neun der Mitglieder Weiße sind. Nur drei Schwarze sind darunter. Zudem finden die Sitzungen unter Ausschuss der Öffentlichkeit statt. Viele Schwarze in den USA trauen dem nicht. Sie fürchten, dass der Polizist ohne Strafe davonkommt. Schon gibt es erste Warnungen: Sollte der Todesschütze straflos davonkommen, brechen wieder Unruhen aus.

Der TV-Sender NBC meldete unterdessen, dass Unterstützer rund 216 000 Dollar (164 000 Euro) gesammelt hätten, um Browns Familie zu unterstützen. Am Wochenende fand in St. Louis eine Unterstützungskundgebung für den Todesschützen statt. Bislang wurden nach Angaben der Veranstalter für den Polizisten mehr als 400 000 Dollar (rund 300 000 Euro) an Spenden gesammelt, berichtete CNN. (dpa mit AFP)

Peer Meinert

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