Politik: Merkel: Ich will Deutschland dienen
Erstmals gibt es eine Kanzlerkandidatin / Grüne wollen in der Vertrauensfrage mitreden
- Tissy Bruns
- Hans Monath
Berlin - Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat nach ihrer Nominierung zur Kanzlerkandidatin der Union ein Wahlprogramm „mit dem Mut zu Ehrlichkeit“ angekündigt. Unterdessen wurde bekannt, dass Bundespräsident Horst Köhler entgegen bisheriger Darstellung aus dem Kanzleramt erst von Bundeskanzler Schröder informiert wurde, nachdem das Neuwahlvorhaben öffentlich bekannt gegeben worden war.
Es würden keine Patentrezepte formuliert, „wo es keine Patentrezepte gibt“, sagte Merkel nach einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien von CDU und CSU. Merkels Wahl sei „einmütig und einstimmig“ erfolgt, sagte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Er sicherte Merkel „die volle Unterstützung“ der CSU zu. Die CDU-Chefin ist die erste Frau in der Geschichte der Bundesrepublik, die als Regierungschefin kandidiert. „Ich will Deutschland dienen“, sagte sie nach ihrer Nominierung. Im Wahlkampf will die Union ein „Kompetenzteam“ benennen. Stoiber will über einen möglichen Wechsel nach Berlin erst nach den Wahlen entscheiden. Man trage nicht nur in der Bundesregierung, sondern auch über den Bundesrat Verantwortung für Deutschland, sagte er am Abend im ZDF.
Als „Raster“ für das Wahlprogramm nannte Merkel die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, eine stärkere Abkopplung der Sozialbeiträge von den Löhnen, eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung, die Einführung einer „solidarischen Gesundheitsprämie“ sowie eine Steuerreform. „Wir brauchen keine Agenda 2010 mehr, so richtig einige Schritte von ihr waren. Wir brauchen eine Agenda Arbeit“, sagte Merkel. Mit Blick auf die Debatte über die Mehrwertsteuer sagte Merkel, nach der Vorstellung des Wahlprogramms Mitte Juli würden die Ministerpräsidenten der Union „mit einer Stimme“ sprechen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder will gegenüber der Öffentlichkeit erst am 1. Juli Klarheit darüber schaffen, mit welchem Verfahren er die Vertrauensfrage stellen will. Regierungssprecher Bela Anda sagte am Montag „aus Respekt vor dem Parlament“ wolle der Kanzler erst dann die „Art und Weise des Vorgehens“ und „seine Beweggründe dafür“ erläutern. Zuvor werde er mit SPD-Chef Franz Müntefering über den Weg zu Neuwahlen sprechen. Am 1. Juli soll die Abstimmung über die Vertrauensfrage stattfinden, mit der Schröder die vorgezogene Bundestagswahl im Herbst erreichen will. Vor dem Parteirat erklärte Schröder nach Angaben von SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter, er allein habe über das Verfahren zu entscheiden.
Die Grünen betonten, allein Schröder trage die Verantwortung für das Verfahren. Gleichzeitig erwarten sie, in die Planung eingebunden zu werden. „Ich gehe davon aus, dass wir das morgen in der Koalitionsrunde besprechen können“, sagte Parteichef Reinhard Bütikofer. Er warnte, angesichts der Richtungsentscheidung bei der Wahl mache eine „Rot-Grün-Zerfleischungsarie“ keinen Sinn.
Bundespräsident Köhler hatte der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ gesagt: „Dass der Bundespräsident in einer so wichtigen Frage überrascht wird, ist schon bemerkenswert.“ Nach Tagesspiegel-Informationen hat das Gespräch zwischen Schröder und Köhler am NRW-Wahlsonntag erst kurz nach 19 Uhr 30 stattgefunden. Regierungssprecher Anda hatte bisher den „späten Nachmittag“ angegeben.