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Zäh nach oben gearbeitet. Ronald Pofalla ist ein Arbeiterkind vom Niederrhein.

© AFP

Ronald Pofalla: Merkels Abräumer

Ronald Pofalla hält als Kanzleramtschef Skandale klein – auch in der Abhöraffäre. Es findet sich nicht leicht jemand, der sich so entschlossen loyal vor die Chefin werfen würde und wenn es sein muss, den Sündenbock mimt.

Von Robert Birnbaum

Was Angela Merkel bloß an diesem Ronald Pofalla finde, hat neulich einer aus der SPD-Führung gefragt. Man muss dazu wissen, dass das Kopfschütteln über den Kanzleramtschef im politischen Berlin quasi zum guten Ton gehört. Das war schon zu Pofallas Zeiten als CDU-Generalsekretär so, und es hat sich in den vier Jahren nicht geändert, in denen der Mann mit dem Seitenscheitel für seine Kanzlerin die Regierungsgeschäfte koordiniert. Dabei ist zumindest eine Antwort auf die Frage offensichtlich: Es findet sich nicht leicht jemand, der sich so entschlossen loyal vor die Chefin werfen würde.

Ende der Woche ist das für jedermann zu besichtigen. Pofalla steht vor einer Batterie von Kameras und Mikrofonen, blinzelt kurz durch seine Brille hoch, dann schaut er auf den kleinen Papierstapel in seiner Hand – große Buchstaben, das Wichtige mit gelbem Textmarker hinterlegt – und trägt betont leidenschaftslos vor: „Vor einer Woche hat das Kanzleramt durch den ,Spiegel’ neue Informationen erhalten, dass das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin möglicherweise durch die NSA überwacht wird.“

Spott und Häme

Pofalla weiß genau, was jetzt gleich kommen wird. Es ist ja gerade zwei Monate her, da stand er schon mal hier im Foyer vor dem abhörsicheren Geheim-Raum des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Damals hat er den NSA-Abhörskandal für beendet erklärt: „Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung.“ Der Satz trug ihm einen Rattenschwanz von Häme und sogar eine eigene Spott- Homepage ein: „pofallabeendetdinge“. Jetzt kehrt der NSA-Skandal zurück, und die Häme folgt auf dem Fuß.

Natürlich hat Pofalla aber schon im August keine Sekunde lang geglaubt, dass der US-Geheimdienst sich so brav grundgesetztreu verhält, wie er sich in jenen schriftlichen Zusicherungen gab, die der Kanzleramtschef dem Parlamentsgremium vortrug. Wer von Amts wegen die Geheimdienste koordiniert, neigt nicht zu Illusionen über die Methoden des Gewerbes.

Doch erstens gab es damals nichts Konkretes, um das Gegenteil zu beweisen – der vermeintliche Beweis für Massenausspähung hatte sich als Statistik der eigenen, deutschen Auslandsaufklärung erwiesen. Zweitens sind die Möglichkeiten, die Supermacht USA zu Aufrichtigkeit oder auch nur zu Auskünften zu zwingen, objektiv sehr begrenzt – auf ihre damals übermittelte Fragenliste hat die Bundesregierung bis heute keine brauchbare Antwort. Und drittens erfüllten die Schriftstücke ja trotz allem ihren Zweck: Das heikle Thema verschwand aus den Schlagzeilen und aus dem Wahlkampf.

Merkel konnte mal wieder zufrieden sein

Merkel konnte mal wieder zufrieden sein. Ihr engster Mitarbeiter hatte für alle Fälle die Sündenbock-Rolle übernommen. Sie selbst dagegen hatte die Versicherungen ihres Gastes Barack Obama in Sachen Bündnispartner-Überwachung im Sommer ziemlich zurückhaltend aufgenommen. Nur die Opposition grummelte noch ein wenig. Aber gerade die SPD konnte gegen Pofallas Vorgehen wenig sagen, hatte doch ihr Kanzler Gerhard Schröder 1999, als das Satelliten-Abhörnetz „Echelon“ aufgeflogen war, genau so einen Persilschein aus Amerika hochgehalten.

Dass Pofalla sein zweifelhafter Ruf egal wäre, kann man nicht sagen; der 54-Jährige ist nicht so cool, wie er sich nach außen zeigt. Als sich 2009 Merkels Ermüdungswahlkampf als erfolgreich erwies, konnte man einen sehr stolzen Generalsekretär erleben. Aber der neue Job ließ wenig Raum dafür, eigene Leistungen herauszustellen. Als Pofalla aus dem Konrad-Adenauer- Haus in sein neues Büro umzog, lud er noch regelmäßig zu Pressegesprächen. Doch zeigte sich rasch, dass Koordination und Diskretion eng verschwistert sind – erst als Koalitionspartner und Länderfürsten wussten, dass der Kanzleramtschef seine Arbeit stillschweigend verrichtete, wurden Klagen über den Neben-CDU-Generalsekretär im Kanzleramt leiser.

Parteimann aus Überzeugung

Ganz aufgehört haben sie nie. Das wäre auch ein Wunder. Pofalla ist Parteimann aus Überzeugung, CDU-Mitglied seit dem 16. Lebensjahr. Das war Mitte der 70er Jahre für ein Arbeiterkind selbst am schwarzen Niederrhein nicht selbstverständlich. In der Partei hat er sich so zäh nach oben gearbeitet wie im Beruf – erst ein Studium der Sozialpädagogik, dann Jura. Pofalla gehört zu den frühen Freunden schwarz-grüner Bündnisse, war früh auch im engsten Kreis um die Oppositionsführerin Merkel zu Hause, gehört aber zugleich zu den wenigen CDU-Größen, die immer Kontakt zu Helmut Kohl behielten.

Dass der NSA-Skandal ausgerechnet jetzt wieder hochkommt, dürfte ihm übrigens insgeheim einigen Spaß bereiten. Schließlich sitzen die gleichen Sozialdemokraten, die ihm im Sommer so zugesetzt haben, jetzt mit ihm in Koalitionsverhandlungen. Doch allzu schwer dürfte das Umschalten auf Partnerschaft beiden Seiten nicht fallen. Pofallas cleverer SPD-Widersacher, der Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, hatte schließlich stets darauf geachtet, dass er jede einzelne seiner Presseerklärungen auch als, sagen wir, Bundesinnenminister noch würde vertreten können.

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