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Scholz will weiter mögliche Modelle für Asylverfahren in Ländern außerhalb der Europäischen Union prüfen.

© Patrick Pleul/dpa

„Notwendig sind viele einzelne Bausteine“: Städtebund erwartet von Asylverfahren in Drittstaaten keine spürbare Entlastung

Vor allem Union und FDP drängen zur Auslagerung von Asylverfahren in geeignete Nicht-EU-Staaten. Der Kanzler hat die Prüfung konkreter Modelle zugesagt. Praktiker erwarten davon aber nicht allzu viel.

Stand:

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Bundesländern zugesagt, konkrete Modelle für Asylverfahren in Nicht-EU-Staaten zu prüfen – der Gemeindebund verspricht sich davon allein aber keine Entlastung bei der Migration. „Wir warnen davor, den Menschen zu suggerieren, solch eine einzelne Maßnahme könne die Flüchtlingssituation nachhaltig verändern“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. 

„Der Ansatz, mögliche Modelle für Asylverfahren in Drittstaaten zu prüfen, gehört in die Reihe der möglichen Maßnahmen. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass dies kurz- oder mittelfristig für signifikante Entlastung sorgen wird“, sagte er weiter. „Notwendig sind viel mehr viele einzelne Bausteine. Dazu können wirksame Grenzkontrollen gehören, die rasche Umsetzung des EU-Asylkompromisses und die Reduzierung sogenannter „Pull-Faktoren“, etwa durch den Einsatz der Bezahlkarte.“

Außerdem müssten Städte und Gemeinden von den Kosten für Unterbringung, Versorgung und Integration „vollständig entlastet werden“, sagte Berghegger. Sie stünden an der Belastungsgrenze.

Auch Scholz hat Erwartungen gedämpft

Scholz hatte auf der Ministerpräsidentenkonferenz seinen Länderkollegen zugesagt, die Prüfung von möglichen Modellen für Asylverfahren in Ländern außerhalb der Europäischen Union fortzusetzen und dazu bis Dezember konkrete Ergebnisse vorzulegen. Gleichzeitig dämpfte auch er die Erwartung, dies könne zu einer erheblichen Reduzierung der Zahl der Asylanträge führen. Die FDP und die oppositionelle Union sind dafür, bei den mitregierenden Grünen wird dies aber höchst skeptisch gesehen.

Weitere Kritik am Modell

Auch aus der SPD kommt Kritik. Der Vorsitzende der Partei-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, Aziz Bozkurt, sagte dem „Tagesspiegel“, die Aussagen zu Drittstaaten-Verfahren seien „erneut Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen“. Es sei längst klar, dass die Drittstaaten-Modelle rechtlich „mehr als schwierig“ seien und „praktisch nahe des Unmöglichen“. Die SPD-Vizevorsitzende Serpil Midyatli sagte, Drittstaaten-Regelungen lösten keine Fluchtursachen. „Sie schaffen neue Probleme: Asylzentren im Ausland sind teuer, ineffizient und in der Umsetzung kompliziert.

Das Bundesinnenministerium hatte für das Bund-Länder-Treffen dutzende Experten zu Asylverfahren in Drittstaaten befragt. Grundlage waren dabei im Wesentlichen die Pläne Großbritanniens für Asylverfahren im ostafrikanischen Ruanda und Italiens Vereinbarung zu Asylverfahren in Albanien. Die Mehrheit der Experten zeigte sich dabei skeptisch zur Übertragbarkeit auf Deutschland und verwies auf hohe rechtliche und praktische Hürden.

Die Grüne Jugend bezeichnete die Pläne für Asylverfahren in Drittstaaten als „einen weiteren Schritt hin zu einer restriktiven Abschiebepolitik“. Über ein Drittstaatenmodell zu philosophieren, sei „unseriöse Politik und eine Ablenkungsdebatte“, sagte deren Sprecherin Katharina Stolla den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Auch Stolla kritisierte, dass damit „den Rechten in der Asylpolitik immer wieder hinterhergelaufen“ worden sei. „Wer Rechten hinterherläuft, spornt sie nur an, noch schneller zu laufen.“

Experte über Abschiebung nach Afghanistan oder Syrien

Parallel zur Ministerpräsidentenkonferenz hatten sich die Innenminister der Länder darauf verständigt, sich dafür einzusetzen, dass Straftäter und islamistische „Gefährder“ wieder nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden können. Zumindest mit Bezug auf Mitglieder des Terrornetzwerks Islamischer Staat (IS) ist der Migrations- und Völkerrechtsexperte Daniel Thym aber sicher, dass das vor Gericht keinen Bestand hätte.

„Für das (afghanische) Taliban-Regime und (Syriens Präsidenten) Baschar al-Assad ist etwa der Islamische Staat einer der größten Konkurrenten“, erklärte der Konstanzer Jura-Professor in der „Augsburger Allgemeinen“. „Menschen, die dem IS angehören, würden in den Folterkellern oder am Galgen landen.“ Für sie sieht er daher „ein absolutes Abschiebungsverbot“: „Bei der Frage, ob jemand abgeschoben werden darf, kommt es nicht darauf an, was derjenige in Deutschland gemacht hat, sondern wie er im Herkunftsland behandelt würde.“ (dpa/AFP)

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