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„Heim wird immer mehr zur Armutsfalle“: Wagenknecht fordert Pflegekostendeckel von 1000 Euro
Mehr als 3100 Euro pro Monat müssen Bewohner inzwischen selbst zahlen, die BSW-Chefin verlangt nun, die Summe deutlich zu begrenzen. Auch Gesundheitsministerin Warken will gegensteuern.
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Es sind enorme Ausgaben: Für einen Pflegeheimplatz müssen Bewohner im ersten Jahr inzwischen durchschnittlich mehr als 3100 Euro monatlich aus eigener Tasche zahlen.
Im Vergleich zum Vorjahr sind die Kosten neuen Zahlen zufolge um mehr als acht Prozent gestiegen und ein Ende der Preisspirale ist nicht abzusehen. Denn die massiven Preisaufschläge sind demnach auf gestiegene Kosten für Personal und Lebenshaltung zurückzuführen.
Angesichts der stark gestiegenen Eigenbeteiligung fordert die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht einen „Pflegekostendeckel“ für Betroffene. Dieser solle 1000 Euro betragen, sagte sie am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Die Eigenanteile grenzten an Enteignung der älteren Generation. „Das Pflegeheim wird immer mehr zur Armutsfalle.“ Die Eigenanteile dürften die Durchschnittsrenten nicht übersteigen.
Zu häufig werden Investitionskosten auf Bewohnerinnen und Bewohner abgewälzt.
Nina Warken, Bundesgesundheitsministerin (CDU)
In Deutschland lebten Ende 2023 rund 977.000 Pflegebedürftige über 65 Jahre in stationären Einrichtungen, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht, die das BSW erfragte. Knapp 335.000 Pflegebedürftige in Einrichtungen bezogen demnach im Jahr 2023 Hilfe zur Pflege.
Wagenknecht sagte AFP, es sei „inakzeptabel“, dass inzwischen jeder dritte Pflegeheimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen sei. Die SPD habe im Wahlkampf versprochen, die Eigenanteile zu deckeln. Stattdessen erhöhe sie den Rüstungshaushalt von 52 auf 153 Milliarden Euro
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) forderte am Samstag Gegenmaßnahmen. „Mein Ziel ist, den rasanten Anstieg der Eigenanteile zu stoppen. Vor allem die Kosten der Unterbringung sind teurer geworden, ebenso das Bauen“, sagte Warken den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

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Warken nahm dabei auch die Bundesländer in die Pflicht, um die Kosten zu reduzieren. „Zu häufig werden Investitionskosten auf Bewohnerinnen und Bewohner abgewälzt. Außerdem sind die Auflagen fürs Bauen von Heimen häufig zu streng“, sagte sie.
Hier müssten die Länder ihre Vorschriften und Standards überprüfen. „Wir müssen weg von zu starren Vorgaben und hin zu bezahlbareren Angeboten.“ Die Ministerin verwies auch auf das neue Pflegekompetenzgesetz, in dem die Möglichkeit neuer Wohnformen gefördert werde.
Eine Auswertung des Verbandes der Ersatzkassen hatte vor wenigen Tagen ergeben, dass die Pflege im Heim für Bewohnerinnen und Bewohner noch teurer geworden ist. Die Zahlungen aus eigener Tasche während des ersten Jahres in der Einrichtung überschritten jetzt im bundesweiten Schnitt die Marke von 3100 Euro im Monat.
Mit Stand 1. Juli waren durchschnittlich 3108 Euro fällig. Das sind 124 Euro mehr als zum 1. Januar und 237 Euro mehr als zum 1. Juli 2024. Der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr beträgt 8,3 Prozent.
Warken betonte erneut den generellen Reformbedarf bei der Pflegeversicherung. „Die Pflegeversicherung ist eine große Errungenschaft. Mittlerweile klaffen Einnahmen und Ausgaben aber eklatant auseinander. So kann es nicht weitergehen“, sagte sie. Jetzt gehe es darum, das System zukunftsfähig zu machen, so Warken.
Warken erwartet Reformvorschläge für Pflege bis Ende des Jahres
Eine dazu eingesetzte Reformkommission soll Vorschläge machen. „Ende des Jahres rechne ich mit den Ergebnissen“, betonte Warken. Aus ihrer Sicht müsse aber auch die private Vorsorge eine größere Rolle spielen. „Die Pflegeversicherung wird auch in Zukunft nur einen Teil der Kosten abdecken können.“
Warken forderte zudem vor anstehenden Verhandlungen zum Bundeshaushalt von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) zugleich mehr Steuermittel für die Kranken- und Pflegeversicherung. „Mit den aktuellen Haushaltsansätzen ist zu befürchten, dass im neuen Jahr die Beiträge sowohl in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch in der Pflegeversicherung steigen werden.“
Stiftung Patientenschutz rügt Bund wegen Pflegekosten
Warken verwies auf das Koalitionsziel, die Sozialbeiträge stabil zu halten. „Diese Sozialversicherungen verdienen mehr Haushaltsmittel, auch um die Zeit zu überbrücken, bis strukturelle Reformen greifen können.“
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte: „Pflegebedürftige können nicht auf eine Strukturreform warten.“ Angesichts der rasant gestiegenen Kosten müsse die Bundesregierung jetzt „ihre Schulden bei der Pflegekasse begleichen“, forderte Vorstand Eugen Brysch. Dazu zählen die coronabedingten Finanzlasten von 5,5 Milliarden Euro und die jährlichen Mittel von 3,5 Milliarden für Rentenversicherungsbeiträge pflegender Angehöriger.
Die Länder müssten zudem „endlich“ ihrer Finanzierungspflicht nachkommen und die Ausbildungs- sowie Investitionskosten vollständig übernehmen, verlangte Brysch. „Das senkt die stationären Pflegekosten im Bundesdurchschnitt sofort um rund 600 Euro im Monat.“ Er forderte „ein Ende des Schwarze-Peter-Spiels zwischen dem Bund und den Ländern“. (lem)
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