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Hilfe beim Essen. Mit ihren Schmerzen werden Pflegebedürftige aber oft allein gelassen.

© Matthias Benirschke/dpa

Missstände in Heimen: Zehntausende Pflegebedürftige sind schlecht versorgt

Festgeschnallt, wund gelegen und mit Medikamenten allein gelassen: Um die Qualität in deutschen Pflegeheimen steht es nicht zum Besten.

Um die Qualität in deutschen Pflegeheimen steht es nach wie vor nicht zum Besten. Jeder vierte Pflegebedürftige mit Wundproblemen wird dort nicht nach aktuellem Wissensstand versorgt. Bei fast jedem fünften Bewohner wird nicht geprüft, ob und wie stark er unter Schmerzen leidet. Jeder Elfte wird, zumindest zeitweise, hinter Bettgittern verwahrt oder mit Gurten festgeschnallt.

Wundversorgung hat sich verschlechtert

Zu diesen Befunden kommt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) in seinem aktuellen Pflegequalitätsbericht. Die Daten dafür stammen aus mehr als 26.000 Qualitätsprüfungen des Jahres 2016. Und obwohl die Probleme schon seit längerem bekannt sind, hat sich manches weiter verschlimmert.

Bei der Wundversorgung etwa registrierten die Prüfer im Vergleich zu 2013 eine „deutliche Verschlechterung“. Und während es drei Jahre zuvor nur bei jedem Zehnten trotz Auszehrungsgefahr keine Gewichtskontrolle gab, ersparen sich die Pflegekräfte das Wiegen inzwischen bei jedem Vierten.

Es geht auch ohne Bettgitter und Gurt

Verringert hat sich dagegen die Zahl sogenannten freiheitseinschränkenden Maßnahmen. Zum Schutz vor Stürzen würden inzwischen auch öfter Matratzen auf den Boden gelegt oder Sensoren eingesetzt, heißt es in dem Bericht. Der Anteil der mit Hilfsmitteln Festgehaltenen sank von 12,5 auf 8,9 Prozent. Jedoch versahen die Autoren diese Erfolgsmeldung mit dem Hinweis, dass diese Zwangsmaßnahmen größtenteils unnötig seien. „Gute Einrichtungen“ verzichteten inzwischen darauf.

Leichte Verbesserungen gab es auch bei der Vorbeugung vor Druckgeschwüren. Jeder Fünfte der Gefährdeten erhielt aber immer noch keine angemessene Prophylaxe. Zufriedenstellend sei das nicht, befanden die Gutachter. Die Rate der Wundgelegenen blieb nahezu unverändert, sie liegt bei 3,9 Prozent. Jedem Achten fehlte es an Hilfe beim Umgang mit verordneter Arznei. Und bei 5,2 Prozent der Heimbewohner wurden Mängel in der Körperpflege festgestellt.

Immer mehr Heimbewohner sind krank

Dabei ist fachkundige Hilfe für die Pflegeheimbewohner wichtiger denn je, denn immer mehr von ihnen leiden unter gesundheitlichen Einschränkungen. 70,7 Prozent haben eine gerontopsychiatrische Erkrankung wie Demenz. Drei Jahre zuvor waren es nur 63,8 Prozent. Auch die Rate der Bewohner mit Inkontinenz (77,5 Prozent), mit chronischen Schmerzen (37,8 Prozent) und mit erheblichem Gewichtsverlust (8,7 Prozent) hat spürbar zugenommen.

Eine ähnliche Entwicklung ist in der ambulanten Pflege zu beobachten. 31,2 Prozent der Pflegebedürftigen, die noch zu Hause leben, sind inzwischen in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt. Und 43,5 Prozent haben chronische Schmerzen.

Auch am finanziellen Gebaren der Pflegedienste übten die Prüfer Kritik. Mehr als ein Drittel habe nicht korrekt abgerechnet, beanstandeten sie. Bei 35,2 Prozent der Geprüften gab es mindestens eine Ungereimtheit, bei knapp sieben Prozent mehr als fünf. Als Beispiele nannte Kassenexperte Jürgen Brüggemann gar nicht oder schlecht erbrachte Leistungen bei der Körper- und Behandlungspflege, also etwa beim Waschen oder der Versorgung chronischer Wunden, die dennoch abgerechnet wurden.

Patientenschützer nennen die Mängel entsetzlich

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat die Quoten auf die Zahl der Betroffenen heruntergerechnet. Demnach leiden rund 600.000 Pflegebedürftige in Deutschland unter chronischen Schmerzen – und 130.000 erhalten keine Hilfe, weil ihr Leiden gar nicht registriert wird. Bei 90.000 Heimbewohnern hapert es an der Versorgung mit Medikamenten. Und auch ein Viertel aller ambulant versorgten Beatmungspatienten werde nicht fachgerecht versorgt.

Es sei „entsetzlich, dass der MDK diese Freiheitsberaubungen und schwerste Pflegemängel nicht zur Anzeige bringt“, sagte Verbandsvorstand Eugen Brysch. Die Qualitätsberichte beschränkten sich viel zu sehr auf „kalte Buchhalterei“.

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