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Zu seiner Amtsenthebung als Oberbürgermeister von Mardin bemerkte der Kurdenpolitiker Ahmet Türk: „Die Rechtlosigkeit und die Ungerechtigkeit haben einen neuen Höchststand erreicht.“

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Kurdenpolitiker Ahmet Türk: Mit 77 Jahren noch immer vom Staat gefürchtet

In einem halben Jahrhundert in der Politik wurde Ahmet Türk abgesetzt, eingesperrt, gefoltert. Nun ist er wieder eines Amtes enthoben worden. Ein Porträt.

Zu seiner Amtsenthebung als Oberbürgermeister von Mardin bemerkte der Kurdenpolitiker Ahmet Türk: „Die Rechtlosigkeit und die Ungerechtigkeit haben einen neuen Höchststand erreicht.“ Türk kann das beurteilen, denn er hat in seiner langen Laufbahn schon so einiges in dieser Richtung erlebt. Mehrfach wurde er in dem halben Jahrhundert, das er in der türkischen Politik aktiv ist, von Wahlämtern abgesetzt, eingesperrt und sogar gefoltert. Wenn er meint, dass es heute so schlimm ist wie noch nie zuvor, dann will das etwas heißen.

Der 77-jährige Ahmet Türk ist der Grandseigneur der Kurdenpolitik – und das nicht nur, weil er zu den Mitbegründern der ersten Kurdenpartei vor fast 30 Jahren zählte. Er ist auch Stammesführer einer bedeutenden Kurdensippe.

Schon 1973 ließ sich Türk für eine bürgerliche Partei ins türkische Parlament wählen, wie das früher in der Kurdenregion üblich war: Kurdenstämme sicherten sich damit Patronage aus Ankara, die Parteien bekamen dafür kurdische Wählerstimmen en bloc geliefert.

Doch anders als üblich begann Ahmet Türk sich nicht nur für seinen Stamm zu engagieren, sondern für die kurdische Sache an sich. 1990 gründete er mit Gleichgesinnten die pro-kurdische Volkspartei der Arbeit (HEP), Vorläuferin der heutigen Kurdenpartei HDP.

In wechselnden Funktionen hat Türk die Kurdenpartei seither durch alle Parteiverbote und Neugründungen geführt – mal als Parteivorsitzender, mal als Parlamentarier und immer als weiser Patriarch. So bekannte Türk sich zur Mitschuld der Kurden am Völkermord an den Armeniern und Assyrern, bei denen sein Großvater ein kurdisches Regiment kommandierte, und bat öffentlich um Verzeihung: ein großer Schritt zur Vergangenheitsbewältigung – auch wenn Nachfahren der christlichen Opfer beklagen, dass es zu einer Restitution der geraubten Ländereien nicht gereicht hat.

Schon nach dem Militärputsch von 1980 eingesperrt und im berüchtigten Gefängnis von Diyarbakir gefoltert, kam Türk immer wieder in Konflikt mit dem Staat.

Bei den Kommunalwahlen von 2014 zum Oberbürgermeister von Mardin gewählt, wurde er 2016 von Ankara abgesetzt und unter Terrorvorwürfen inhaftiert. Im März dieses Jahres wiedergewählt, wurde er jetzt wieder abgesetzt, seine Stadt unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt. Türk kommentierte die Entscheidung so: „Mit Logik und Verstand nicht zu erfassen.“

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