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Modellrechnung zu Ampel-Plänen: Für alle unter 26 ist das Rentenpaket II ein schlechtes Geschäft
Das Rentenpaket II gehe zulasten der Jüngeren, heißt es oft. Nun hat ifo-Ökonom Joachim Rangnitz ausgerechnet, wo die Grenze liegt. Zur Rentenpolitik der Ampel hat er eine klare Meinung.
Stand:
Wer profitiert eigentlich alles vom Rentenpaket II der Ampel-Koalition, und wer zahlt drauf? Joachim Ragnitz, Rentenexperte beim Wirtschaftsforschungsinstitut ifo in Dresden, wollte es genau wissen und hat nachgerechnet.
Sein Fazit: „Alle Altersgruppen, die jünger als 26 Jahre sind, gehören zu den Verlierer*innen der Rentenreform.“ Denn sie profitieren zwar im Alter von den garantierten Renten, wie Ragnitz erklärt. Aber nicht so sehr, als dass es die höheren Beiträge, die sie dafür zu zahlen haben, wettmachen würde.
Ragnitz’ Urteil liest sich für die Regierung und auch für die Vorgänger-Koalitionen wenig schmeichelhaft: Ein Beitrag zu erhöhter Nachhaltigkeit der Rentenfinanzierung sei mit der Reform nicht verbunden, vielmehr bleibe der Handlungsbedarf bestehen. Die Vorschläge dafür seien wohlbekannt, zum Beispiel eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit.
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Doch solche Maßnahmen seien „politisch unbequem“, so Ragnitz. Seine Einschätzung: „Das wird wohl der wesentliche Grund sein, dass sich seit mehr als 20 Jahren Regierungen davor drücken, die Probleme der Rentenversicherung tatsächlich anzugehen.“
Durch die Reform der Ampel-Koalition soll das Rentenniveau langfristig bei 48 Prozent stabilisiert werden. Damit wird der einst im Rentensystem eingeführte Nachhaltigkeitsfaktor außer Kraft gesetzt, der dafür sorgen sollte, die Lasten des demographischen Wandels gerecht zwischen den Generationen zu verteilen.
Denn wenn die Gesellschaft immer älter wird, wie es in den kommenden Jahren der Fall ist, stehen im Rentensystem immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentnern gegenüber.
Seit mehr als 20 Jahren drücken sich Regierungen davor, die Probleme der Rentenversicherung tatsächlich anzugehen.
ifo-Rentenexperte Joachim Ragnitz
Der Nachhaltigkeitsfaktor hätte ein allmähliches Absinken des Rentenniveaus zur Folge gehabt. Beispielsweise würde es im Jahr 2035 nur noch bei 45,3 Prozent liegen, wie die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf schätzt. Das wird nun durch die 48-Prozent-Garantie verhindert, was unter anderem die Beitragszahlerinnen und -zahler bares Geld kostet.
Derzeit liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent. Bis Mitte der 2030er-Jahre hätte er sich ohnehin auf anzunehmende 21,2 Prozent erhöht, durch die Reform ist aber mit 22,3 Prozent im Jahr 2035 zu rechnen. Zusätzliche Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt kommen hinzu.
Außerdem will die Regierung mit Erträgen aus dem sogenannten Generationenkapital, einer Art Aktienrente light, das System stabilisieren. Das Generationenkapital ist aber in der Koalition bisher nur mit einem sehr kleinen Umfang vereinbart.
Ragnitz’ Forschungsfrage, der er in seinem Papier nachgeht: Für welche Altersgruppen ist das Rentenpaket II unterm Strich ein Gewinn – und für welche nicht? Die Menschen haben höhere Beiträge, aber auch mehr Rente zu erwarten. Es kommt also darauf an, was individuell überwiegt.
Welcher Jahrgang am stärksten profitiert
Diese Frage hat Ragnitz nun beantwortet und für die verschiedenen Geburtsjahrgänge jeweils berechnet, wie sich Vorteile und Nachteile durch die Reform zueinander verhalten. Im Ergebnis zieht er die Altersgrenze bei 26 Jahren: Wer jünger ist, für den ist die Rentenreform II ein schlechtes Geschäft.
Dieser Rechnung liegen bestimmte Modellierungsannahmen zugrunde. Unter anderem wurden sowohl die zu zahlenden Rentenbeiträge als auch die zu erwartende Rente jeweils auf den heutigen Wert umgerechnet – unter Annahme eines Zinssatzes von zwei Prozent.
Interessanterweise ist es nicht so, dass der individuelle Gewinn umso größer wäre, je älter eine Person ist. Die 48-Prozent-Garantie macht sich erst in einigen Jahren so richtig bemerkbar, weil bis dahin das Rentenniveau ohnehin nicht stark gesunken wäre.
So ergibt sich, dass am allermeisten jene profitieren, die heute 58 Jahre alt sind. Sie müssen kaum zusätzliche Beiträge zahlen, profitieren aber lange von einer höheren Rente.
Noch ist das Rentenpaket II nicht verabschiedet. Nachdem Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) das Paket im Frühjahr gemeinsam vorgestellt hatten, hat die FDP Bedenken wegen der Kosten durch die 48-Prozent-Garantie angemeldet.
Zuletzt gab es mehrfach offenen Streit in der Koalition. Für die Liberalen ist aber umgekehrt das Generationenkapital ein Herzensprojekt. Nach der Sommerpause gehen die Beratungen weiter.
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