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Verdächtige für den Mord an Haitis Präsident Jovenel Moise

© AFP/Stringer

Mord an Haitis Präsident Jovenel Moïse: Die Spur führt nach Kolumbien

Haitis Präsident Jovenel Moïse wurde wohl von ausländischen Söldnern getötet. Etliche Verdächtige sind festgesetzt. Die Frage ist, wer die Mörder anheuerte.

Die haitianische Polizei hat am Donnerstag in Port-au-Prince mehrere Ausländer festgenommen, die an der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse beteiligt gewesen sein sollen. Laut Polizeichef Leon Charles habe man 15 Kolumbianer und zwei US-Amerikaner haitianischer Herkunft festgesetzt.

Drei weitere Kolumbianer sollen getötet worden sein, mindestens acht Kolumbianer seien auf der Flucht. Den Tag über war es in Port-au-Prince zu schweren Schusswechseln gekommen, offenbar zwischen der Polizei und Angehörigen des Mordkommandos, das den Präsidenten in der Nacht auf Mittwoch in seiner Villa erschossen hatte. Kolumbiens Verteidigungsminister bestätigte, dass mindestens sechs der Festgenommenen ehemalige Armeeangehörige sind.

In einem Twitter-Video sind neun Männer zu sehen, die gefesselt auf dem Boden sitzen, umringt von haitianischen Polizisten. Es fällt auf, dass alle die gleichen Stiefel tragen und in Jeans und T-Shirts gekleidet sind. Andere Videos zeigen, wie Polizisten zwei Verdächtige auf einem Pickup abtransportieren und wie aufgebrachte Haitianer zwei gefesselte Männer wegführen.

Handelt es sich bei den Killern um Söldner?

Die Festnahmen weisen darauf hin, dass es sich bei den Killern um Söldner handelt, die im Auftrag finanzstarker Interessen agierten. Haiti ist ein wichtiger Umschlagplatz für Drogen aus Kolumbien und Peru auf dem Weg in die USA. Die Wirtschaft des Landes, in dem 60 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze von einem Dollar pro Tag leben, wird praktisch von einer Handvoll Familien beherrscht, die ihre Privilegien schützen.

Im Februar hatte Moïse in einem Interview mit der spanischen Zeitung „El País“ gesagt, dass eine Gruppe von Oligarchen gegen ihn putschen wolle, etwa die Familie Vorbe, die den Energiesektor dominiert.

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Unterdessen werden immer mehr Details der Mordnacht bekannt. Auffällig ist, dass das Killerkommando aus mindestens 28 Männern ohne die Gegenwehr der Präsidentengarde in die Residenz eindringen konnte. Geschah dies, weil die Killer sich als Agenten der US-Drogenbehörde DEA ausgaben – oder konspirierte die Präsidentengarde mit den Söldnern? In der Villa verschonten die Killer die Hausangestellten und die Kinder des Präsidenten. Sie durchsiebten jedoch Moïse regelrecht mit Kugeln.

Ein Richter, der am Tatort war, berichtete der „New York Times“, dass die Villa offenbar nach etwas durchsucht wurde: „Schubladen waren herausgezogen worden und der Boden war mit Papieren übersät, Taschen waren offen.“

Unbeliebter Präsident

In der Bevölkerung war Moïse von Anbeginn seiner Regierung 2017 unbeliebt. Er war über chaotische Wahlen ins Amt gekommen und hatte kaum Unterstützer. Menschenrechtler beschuldigten ihn, dass er Verbindungen zu den schwer bewaffneten kriminellen Banden hatte, die weite Teile von Port-au-Prince beherrschen und Hunderte Morde begangen haben, auch an Journalisten und Oppositionellen.

Haitis Premierminister Claude Joseph hat nun einen 15-tägigen Ausnahmezustand über das Land verhängt, der dem Militär und der Polizei weitreichende Befugnisse zusichert. Allerdings ist nicht klar, ob Joseph das überhaupt darf, weil der Ausnahmezustand nur vom Parlament angeordnet werden kann.

Das existiert derzeit aber nicht, weil die Legislaturperiode vor einem Jahr endete. Ebenso ist unklar, ob Joseph überhaupt noch Premierminister ist. Er sollte sein Amt diese Woche an den Neurochirurgen und Politiker Ariel Henry abgibt. Nun hat er den Mord genutzt, um sich zum De-facto-Staatschef aufzuschwingen. Philipp Lichterbeck

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