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Moskau und die EU: Russland ist in finsterer Mission unterwegs

Nervengift, Cyberattacken, Fake News: Unter Putin versucht Russland, das Vertrauen der Europäer in die eigenen Regierungen zu untergraben. Es ist Zeit, dagegen zu halten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Markus Grabitz

Niemand kann mit Gewissheit sagen, wer hinter dem Anschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal im Vereinigten Königreich steht. Tatsächlich gibt es vier Möglichkeiten: Entweder geschah der versuchte Doppelmord auf den 66-Jährigen und seine Tochter auf Weisung des Kremls. Er könnte aber auch im vorauseilenden Gehorsam vom russischen Auslandsgeheimdienst angezettelt worden sein. Oder auf die Kappe von Geheimdienstlern gehen, die außer Kontrolle geraten sind. Oder, auch das ist möglich: Der Fall hat am Ende gar nichts mit Moskau zu tun.

Wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich, ist aber Variante eins: Der aktuelle Fall passt perfekt ins Drehbuch von russischen Geheimdiensten. Russland pflegt bei staatlich angeordneten Morden auf Persönlichkeiten, die dem Kreml nicht genehm sind, eine gewisse Tradition. Der Oppositionelle Boris Nemzow wurde in Moskau auf offener Straße hingerichtet. Der in Ungnade gefallene Oligarch Boris Beresowski starb bei einem mysteriösen Selbstmord. Der jetzige Fall erinnert an die Vergiftung von Alexander Litwinenko. Auch damals war Nervengift im Einsatz,  Tatort war England, auch er war ein russischer Agent, der zu den Briten übergelaufen ist.

Putins Drohung: Ich kriege euch überall

Diesmal könnte Wladimir Putin wenige Tage vor der Präsidentenwahl in Russland mit den Mordversuchen noch einmal eine indirekte Drohung an alle, auch seine innenpolitische Gegner, abgesetzt haben: Ich kriege euch überall. Zudem spielt er mit Verschwörungstheorien. Seine zweite Botschaft an die eigenen Leute ist: Seht her, der Westen ergeht sich wieder einmal in anti-russischer Hysterie. Wir waren es nicht. Moskau werde für jede Räuberpistole verantwortlich gemacht.

Die britische Regierungschefin Theresa May hat robust reagiert. Dies entspricht zum einen dem ausgeprägten  britischen Selbstbewusstsein in der Außenpolitik. Zum anderen ist es geboten, weil es sich kein Land bieten lassen kann, wenn, wie geschehen, eine große Zahl von Personen durch den Einsatz des Supergifts Polonium in der Öffentlichkeit vergiftet wird. Dass die USA und die EU sich mit dem engen Nato-Bündnispartner Großbritannien in dieser schwierigen Lage solidarisch zeigen, ist nur eine Selbstverständlichkeit.

Wichtig ist, wie es jetzt weiter geht: Von der Untersuchung durch die Organisation zur Kontrolle von Chemiewaffen sollte man nicht viel erwarten. Vermutlich wird am Ende auch kein eindeutiges Urteil zu den Urhebern gefällt. Unabhängig vom Beweis, dass Moskau es war, ist eine weitere Eskalation in den ohnehin angespannten Beziehungen zwischen der EU und dem Kreml festzustellen. Das zeigt schon die höhnische Reaktion Moskaus.

Es ist an der Zeit, dass sich die Europäer wehren

Sanktionen hat die EU gegen Russland bislang lediglich wegen der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ost-Ukraine verhängt. Doch auch außerhalb des einstigen Sowjetreichs ist Moskau in finsterer Mission unterwegs. So versucht der Kreml das Vertrauen der europäischen Bevölkerung in ihre eigenen Regierungen zu untergraben.  Da sind etwa die Cyberattacken auf den deutschen Bundestag. Kampagnen mit gezielt gestreuten Falschnachrichten in den sozialen Netzwerken sprechen eine ähnliche Sprache.

Es ist an der Zeit, dass sich die Europäer wehren. Die eigenen Fähigkeiten beim Schutz von kritischen Computernetzen müssen ausgebaut werden. Manche fordern bereits, dass die Europäer selbst Cyberangriffe gegen Moskau starten sollen. Das erinnert fatal an den Kalten Krieg mit einem Gleichgewicht des Schreckens. Sinnvoller sind gezielte Maßnahmen gegen Personen aus Putins Umfeld. Persönliche Sanktionen sind wirksam: Einreiseverbote nach Großbritannien etwa für politische Drahtzieher und ihre Ehefrauen, wie London erwägt. Die EU sollte sich dann anschließen, indem auch der Schengen-Raum für gewisse Personen zum Tabu für Shopping, Schifahren und Strand erklärt wird.

Zudem muss die EU wachsamer sein, wenn Russen hohe Summen in Immobilien, etwa in Berlin, oder in Unternehmensbeteiligungen investieren. Da sollte in Zukunft gefragt werden: Wurde das Geld ordnungsgemäß versteuert? Aus welchen Kanälen stammt es? Nicht nur in Deutschland, auch in vielen anderen EU-Ländern wurde zu lange weggeschaut, wenn Putins Leute sich erst durch illegale Machenschaften Unsummen im eigenen Land unter den Nagel reißen und sie dann in der EU in Sicherheit bringen.

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