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Olaf Scholz bei seinem Pressestatement in Berlin.

© AFP/Odd ANDERSEN

Update

Hat sich Olaf Scholz verkalkuliert?: Musterrechnung zeigt, dass die Mehrwertsteuer-Senkung kaum Entlastung bringt

Die Regierung will mit ihrer Maßnahme die Mehrkosten durch die Gasumlage ausgleichen. Das gelingt aber nicht für alle Gaskunden.

Die Mehrwertsteuer auf Erdgas soll von bisher 19 auf sieben Prozent sinken. Gelten soll die Reduktion bis März 2024. Das kündigte Kanzler Olaf Scholz (SPD) in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz an.

Mit dem Schritt würden die Gaskunden insgesamt deutlich stärker entlastet als sie durch die staatliche Gasumlage belastet würden, sagte Scholz. Das kommt allerdings darauf an, wie viel die Kunden für ihr Gas zahlen.

Er erwarte von den Unternehmen, dass sie die Steuersenkung eins zu eins an die Verbraucher weitergäben, sagte der SPD-Politiker weiter. „Dies ist ein weiterer Schritt zur Entlastung.“

Hintergrund der Maßnahme ist die Gasumlage, mit der Importeure ab Oktober wegen des Ukraine-Kriegs erhöhte Beschaffungskosten an die Verbraucher weitergeben können. Zahlen müssen dann alle Gasnutzer, ob Privatleute oder Unternehmen - und zwar zunächst etwa 2,4 Cent pro Kilowattstunde. Auf die Umlage fällt zudem Mehrwertsteuer an.

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Die Bundesregierung wollte das eigentlich verhindern und so dafür sorgen, dass der Staat nicht an der Umlage mitverdient. Nach europäischem Recht ist es aber nicht vorgesehen, auf die Mehrwertsteuer zu verzichten.

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Der rechtliche Rahmen lasse keine Ausnahme zu, schrieb EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in einem Brief an Finanzminister Christian Lindner. Die Bundesregierung habe allerdings die Möglichkeit, die geltende Mehrwertsteuer auf den EU-Mindestsatz von fünf Prozent zu senken.

Beispielrechnung zeigt: Mehrbelastung bleibt

Eine erste Beispielrechnung des Vergleichsportals „Check24“ geht von möglichen Einsparungen durch die Mehrwertsteuersenkung für einen Musterhaushalt (Familie mit zwei Kindern) mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden von 375 Euro aus. Statt 3717 Euro würde dieser Musterhaushalt dann 3342 Euro im Jahr bezahlen. Grundlage ist der aktuelle Durchschnittspreis für Erdgas.

Ab Oktober muss dieser Haushalt durch die Gasumlage von 2,419 Cent je Kilowattstunde aber auch 518 Euro mehr zahlen. Bei 19 Prozent Steuer würden 576 Euro fällig.

Auf die Familie käme trotz Steuersenkung eine Mehrbelastung von 143 Euro zu (bei 19 Prozent Mehrwertsteuer auf die Gasumlage), beziehungsweise 85 Euro bei sieben Prozent Mehrwertsteuer auf die Gasumlage. Die Senkung der Mehrwertsteuer gleicht die Mehrkosten durch die Umlage für diesen Musterhaushalt also nur teilweise aus.

Eine Familie mit drei oder mehr Kindern und eigenem Haus (35.000 kWh pro Jahr Verbrauch) würde mit der Mehrwertsteuersenkung 644 Euro weniger für Gas ausgeben – nämlich 5742 Euro. Durch die Gasumlage kämen 906 Euro hinzu. Mehrbelastung hier immer noch trotz Steuersenkung: 262 Euro.

Eine Familie mit nur einem Kind (18.000 kWh/Jahr) müsste für Gas künftig 3022 Euro zahlen – 339 Euro weniger als mit einer 19-prozentigen Mehrwertsteuer. Über die Gasumlage kommen aber noch einmal Kosten von 466 Euro hinzu. Diese würde durch die Mehrwertsteuersenkung auch nicht komplett ausgeglichen. Es bleibt eine Mehrausgabe von 127 Euro.

Auf ein Ehepaar mit einem Jahresverbrauch von 12.000 Kilowattstunden kämen bei der Beispielrechnung eine Entlastung von 231 Euro zu. Die Gasumlage durch eine gesenkte Mehrwertsteuer liegt dann noch bei 311 Euro – 80 Euro mehr als die Entlastung beim Gaspreis herausholt.

Der Singlehaushalt (5000 kWh) würde beim Gaspreis um 105 Euro entlastet. Die Mehrkosten durch die Gasumlage betragen bei einer siebenprozentigen Mehrwertsteuer am Oktober immerhin noch 129 Euro. Mehrbelastung: 24 Euro. Hinzu kommen können - je nach Versorger - noch mehr als 100 Euro für die Kosten für die sogenannte Regelenergie.

Allerdings: Bei einem sehr hohen Gaspreis gleicht die Mehrwertsteuersenkung tatsächlich die Mehrkosten durch die Gasumlage aus. Bei dem aktuellen Durchschnittspreis von 18 Cent pro Kilowattstunde funktioniert das aber nicht. (Tsp)

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