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Unbehelligt. Trump-Anhänger am Kapitol.

© REUTERS

Nach dem Angriff der Trump-Anhänger: Warum die Sicherheitskräfte beim Schutz des Kapitols versagten

Anders als bei den Protesten gegen Rassismus reagierte die Nationalgarde erst spät, die Kapitolpolizei war überfordert, nun gibt es erste Konsequenzen.

Was, wenn es schwarze Protestierende gewesen wären, die versuchen, das Kapitol zu stürmen? Diese Frage wird gerade besonders häufig in den USA gestellt, während die Bilder von den Verwüstungen, die Fotos von Trump-Anhängern in den Büros der führenden Abgeordneten und Senatoren um die Welt gegangen sind. "So wird um Wahlergebnisse in einer Bananenrepublik gestritten", zeigte sich der ehemalige Präsident George W. Bush fassungslos. Doch wie konnte es den Eindringlingen so leicht gemacht werden?

Während das Weiße Haus seit den Black-Lives-Matter-Protesten hermetisch und weiträumig abgeriegelt ist, war dies beim Kapitol nicht der Fall. Und anders als bei den Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt, als Donald Trump nicht zögerte, die Nationalgarde einzusetzen, dauerte es länger als drei Stunden, bis am Mittwoch Eliteeinheiten auftauchten. „Die Polizei war völlig unvorbereitet auf diese Größe des Protests“, sagte der Sicherheitsexperte und frühere FBI-Beamte David Gomez dem „Wall Street Journal“.

"Wenn wir Schwarze für unser Leben protestieren, werden wir von Nationalgardisten oder Polizisten mit Sturmgewehren, Tränengas und Kampfhelmen empfangen", beklagt nun die Black-Lives-Matter-Bewegung. Wenn Weiße dagegen einen "Putsch" versuchen würden, würden sie von einer geringen Zahl tatenloser Polizisten empfangen. Hätten Schwarze das Kapitol gestürmt, wären sie "mit Tränengas attackiert, niedergeknüppelt und vielleicht niedergeschossen worden".

Die United States Capitol Police umfasst 2300 Kräfte. Aber während die Läden im Zentrum der Hauptstadt in Erwartung von Unruhen rund um die Präsidentschaftswahl am 3. November verbarrikadiert waren und die Polizeipräsenz in der Stadt sehr hoch war, die Proteste von Trump-Anhängern aber meist friedlich verliefen, war die Präsenz diesmal viel zu gering. Offensichtlich war nicht mit einem solchen großen Marsch Richtung Kapitol und so einer Eskalation gerechnet worden. Ein bei den Ausschreitungen am Sitz des US-Kongresses verletzter Polizist ist inzwischen gestorben.

Zudem zeigten einige Sicherheitskräfte irritierende Verhaltensmuster im Umgang mit den Trump-Jüngern, die auf dem Weg in das Kapitol auch Journalisten attackierten und Kameras zerstörten, während weit und breit keine Polizei zu sehen war. So gibt es Bilder von Polizisten, die noch Absperrgitter wegräumen und ein Eindringling machte Selfies mit Polizisten. Der Chef der Kapitolpolizei, Steven Sund, hat nun die Konsequenzen aus der Gewalteskalation gezogen. Er gibt sein Amt am 16. Januar sein Amt ab.

Trump musste genötigt werden, die Nationalgarde einzusetzen

Seit 1814, als bei der britischen Invasion in Washington das Kapitol brannte, gab es nicht mehr so eine Lage.

Wo sonst der Zutritt zum Kongress streng kontrolliert wird und Sicherheitsschleusen wie im Bundestag zu passieren sind, erklommen die Trump-Anhänger die für die Inauguration des gewählten Präsidenten Joe Biden am 20. Januar bereits aufgebauten Tribünen und verschafften sich fast ohne Gegenwehr Zutritt.

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Es kam zu vereinzelten Faustkämpfen mit Polizisten, aber in der Summe waren es viel zu wenige Polizisten, als Tausende die Stufen und Tribünen erklommen und viele von ihnen sich durch aufgebrochene Türen und zerschlagene Fenster Zutritt zum Gebäude verschafften. Eine Schlüsselrolle bei der unzureichenden Sicherung der zu dem Zeitpunkt drinnen stattfindenden und schließlich unterbrochenen Zertifizierung des Wahlergebnisses der Präsidentschaftswahl spielte der noch amtierende Präsident selbst.

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Denn noch ist Donald Trump der Oberbefehlshaber über die Nationalgarde für den Hauptstadtbereich des District of Columbia.

Beamte des Verteidigungsministeriums hatten zwar angekündigt, dass rund 350 Mitglieder der Nationalgarde die Polizei von Washington in dieser Woche unterstützen sollten, hauptsächlich aber im Stadtzentrum, nicht am Kapitol.

Triumphieren. Anhänger Trumps am Kapitol.
Triumphieren. Anhänger Trumps am Kapitol.

© Spencer Platt/Getty Images/AFP

[Exklusiv für Abonnenten: Das sind die Menschen, die das Kapitol stürmten]

Auch weil angeblich Bilder von schwer bewaffneten Soldaten am Parlament vermieden werden sollten; im Juni war im Zuge der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt das Lincoln Memorial am anderen Ende der National Mall dagegen von Nationalgardisten hermetisch abgeschirmt worden. Das wird nun als Beispiel für ein Messen mit zweierlei Maß angeführt. Viele Bürger empfanden den damaligen Einsatz als Provokation: Abraham Lincoln war es, der die Sklaverei abgeschafft hatte.

Nach Angaben des Nachrichtensenders CNN musste Trump genötigt werden, die Nationalgarde zum Kapitol zu schicken. Es zeigt, wie sehr sich auch das Verhältnis zu bisher loyalen Mitstreitern verändert hat. Vizepräsident Mike Pence spielte demnach eine Schlüsselrolle bei der Abstimmung mit dem Pentagon über deren Einsatz. Insgesamt wurden rund 700 schwer bewaffnete Kräfte mobilisiert, die schließlich im und vor dem Kapitol die Trump-Anhänger mit Tränengas und Blendgranaten vertreiben konnten. Inzwischen ist das Kapitol weiträumig abgesperrt. Aber die Frage nach einem viel schärferen Sicherheitskonzept steht nun auf der Tagesordnung des neu gewählten Kongresses.

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