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Luca Modric (Mitte), seine Kollegen und die Fans feiern gemeinsam mit dem rechtsradikalen Sänger "Thompson".

© Goran Stanzl, imago, Pixsell

Nach der Fußball-WM: Kroatien feiert mit einem rechten Barden

Sein Künstlername rührt noch aus dem Kroatienkrieg: Kroatiens Fußballer lösen mit ihrem Partygast Befremden und Kritik aus. Sie laden sich ausgerechnet einen Ustascha-Sänger ein.

Seinen Künstlernamen „Thompson“ hat er von der Waffe übernommen, die ihn im Kroatienkrieg (1991-1995) begleitete. Auch das Repertoire von Kroatiens bekanntesten Barden Marko Perkovic, das von patriotischen bis nationalistischen Oden auf die Heimat bis zu wüsten Hasstiraden gegen die serbischen „Tschetniks“ reicht, speist sich aus der düstersten Zeit des Landes. Warum kroatische Kicker und ihre Fans 23 Jahre nach Kriegsende ihrer Freude über Siege noch immer mit Thompson-Songs Ausdruck verleihen, stößt nicht nur in Serbien auf Befremden.

Die internationale Presse berichtet kritisch, dass Spieler wie Dejan Lovren oder Sime Vrsljako nach den WM-Triumph gegen Nigeria und Argentinien ausgerechnet den bluttriefenden Thompson-Hit „Cavoglave“ anstimmten. Die martialische Kriegshymne beginnt mit dem Gruß der faschistischen Ustascha („Für die Heimat - bereit“) und endet mit der Drohung, dass Gott und die wackeren kroatischen Kämpfer die Serben richten würden.

Entsetzen im Nachbarland

Ungeachtet dessen drückten auch viele serbische Fans bei der WM den Nachbarn die Daumen. Umso größer waren Enttäuschung und Verärgerung in Serbien, als die Meldung kam, im im kroatischen Mannschaftsbus gebe es einen Überraschungsgast. Ausgerechnet von dem Ustascha-Barden Thompson ließen sich Kroatiens WM-Helden während ihrer mehrstündigen Triumphfahrt durch Zagreb begleiten und auf die Bühne führen.

„Der König ist angekommen, der einzig wahre! Auf geht's Kroatien!“, vermeldete schon während der Fahrt Ivan Rakitic per Instagram die Anwesenheit des mit ihm abgelichteten Rechtsrockers im Siegerbus. Im Nachbarland reagierte der Schauspieler Sergej Trifunovic entsetzt. Er habe sich über die WM-Erfolge der Kroaten gefreut und mit dem Vizeweltmeister mitgefiebert, schrieb er. „Aber Thompson im Bus. Das ist es, was mich kratzt.“

Serbiens Nationalcoach Mladen Krstajic sah sich nach seiner ersten Reaktion zu einer Rechtfertigung genötigt. Er ist mit Rakitic seit gemeinsamen Schalker Tagen eng befreundet und hatte die Instagram-Botschaft seines Fußballkumpels mit einem „gefällt“ kommentiert. Er bewerte automatisch alle Botschaften von Rakitic positiv, habe Thompson auf dem Foto gar nicht erkannt, lautete die Entschuldigung des in Serbien hart kritisierten Nationaltrainers. Mit dem Rechtsrocker und dessen Botschaften habe er nichts gemein, versicherte Krstajic.

"Faschistischer Müll"

Vor einer halben Million begeisterter Fans stimmten Kroatiens Vizeweltmeister derweil bei der langen Siegesfeier von Zagreb gemeinsam mit Thompson dessen Lieder an: Wenigstens gaben die Feurigen dabei nicht auch noch die düstere „Cavoglave“-Weise zum Besten. Im Web zeigten sich auch viele kroatische Surfer über den Barden im Bus entsetzt. Er wolle sich von dem „faschistischen Müll“ nicht den Tag verderben lassen, empörte sich per Twitter Kreso Beljak, der Chef der Bauernpartei HSS.

In Kroatiens euphorischen Medien blieb der Partygast der Vizeweltmeister weitgehend unkommentiert. Serbiens Öffentlichkeit reagierte hingegen bitter auf das Thompson-Gastspiel im Siegerbus. „Ustascha-Thompson empfängt die Feurigen“, empörte sich am Dienstag aufgebracht die regierungsnahe Boulevardpostille "Alo!": "Europa, warum schweigst Du?". "Kroaten, ohne das wäre es auch gegangen", titelte enttäuscht der "Blic": "Die Feier mit einem Mann, der Kriegsverbrechen verherrlicht, wäre nicht nötig gewesen."

Thomas Roser

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